Mit Rechten trinken

Netzwoche: Sind journalistische Porträts geeignet, um der extremen Rechten Neuigkeiten zu entlocken?

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der Debatte darüber, ob man man mit Rechten reden sollte, gibt es nach einem Porträt des Journalisten Raphael Thelen im Magazin der »Süddeutschen Zeitung« über den AfD-Politiker Markus Frohnmaier nun eine neue Frage zu diskutieren: Darf man mit Rechten Rum trinken?

Er habe mit dem Bundestagsabgeordneten während seiner eineinhalbjährigen Recherche Hochprozentiges genossen, gestritten und gelacht, warb Thelen auf Twitter für seinen Text in der »SZ«. Im Nachhinein dürfte der Journalist seine flapsige Bemerkung bereuen - oder als geschickten PR-Coup sehen. Denn Aufmerksamkeit war ihm dadurch sicher.

Thelens Porträt über Frohnmaier sorgt seitdem für ein erneutes Aufflammen des Streits, wie Journalisten mit Vertretern der extremen Rechten umgehen sollten. Während dies der erste große Text in einem bundesweit relevanten Medium über den früheren Chef der AfD-Jugendorganisation war, gaben sich Journalisten bei der Recherche für ihre Homestories über andere völkische Nationalisten wie etwa Götz Kubitschek fast wörtlich die Klinke in die Hand.

Es dürfte vom »Spiegel« bis zur »Zeit« kein sogenanntes Leitmedium im deutschsprachigen Raum gegeben haben, dessen Reporter nicht bereits ausführlich den Kartoffelkeller in Schnellroda inspiziert oder Kubitschek in seiner Paraderolle als völkischer Bio-Siedler dabei zugesehen haben, wie er seine Ziegen molk.

Matthias Dell problematisierte bei deutschlandfunk.de solche Homestories bereits 2018, damals am Beispiel des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke. »Irgendwie gilt das als Scoop unter den Journalisten, die Home᠆stories über Neonazis machen, weil es ein bisschen gefährlich scheint, aufregend ist, vielleicht sogar cool.« Dell weist darauf hin, dass es eine bekannte Strategie der AfD ist, gegenüber den Medien andere Worte zu wählen, als sie es sonst in der Öffentlichkeit tun.

Sebastian Huld, Pressesprecher der Deutschen Journalisten-Verbandes, verteidigt Thelens Herangehensweise. Manchmal brauche es »eine gewisse Nähe, damit sich jemand für Journalisten öffnet.« Wichtig sei aber, »auch dieses Problem für den Leser kenntlich zu machen.« Thelen porträtiere Frohnmaier »als islamophoben Karrieristen mit mutmaßlich rechtsextremer Vergangenheit«.

Die Frage ist, ob das journalistische Genre des Porträts geeignet ist, Menschen, noch dazu erfahrenen Berufspolitikern, Aussagen zu entlocken, die sie nicht zu ihrer gezielten Inszenierung einsetzen. Neben der stilistischen Textqualität, an der im Fall Thelens niemand etwas auszusetzen hat, ist fast noch entscheidender, inwieweit das Porträt einen Erkenntnisgewinn liefert.

Ob das Thelen gelungen ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. So urteilt die freie Journalistin Karolin Schwarz, sie habe durch das Porträt »nichts gelernt und dafür eine reportagige, menschelnde Geschichte bekommen«. Elsa Koester, Redakteurin beim »Freitag«, kommt, ebenfalls auf Twitter zu dem Schluss, dass der Text »ein kluges Stück über Auf- und Abstieg der AfD samt Medienkritik und Dekonstruktion breitbeiniger Rechtsmachos« sei.

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