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Unberechenbar
Sigmar Gabriel - ein Multitalent
Gern wird Sigmar Gabriel als Multitalent beschrieben. Das ist er auch. Er war acht Jahre Vorsitzender der SPD - eine riesige Zeitspanne im Reigen des Dutzends SPD-Chefs in den letzten 20 Jahren. Er war außerdem Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister. Und multi ist er sowieso. Er rettet die Welt in seinen Reden, betört mit Komplimenten und stößt dann wieder scheinbar Vertraute vor den Kopf, wenn das seiner Karriere dient. Sagen jedenfalls scheinbar Vertraute. Er kann Waffenexporte kritisieren und gleichzeitig Waffenexporte genehmigen, wie es Wirtschaftsminister Gabriel tat. Er kann auf Diplomatie pfeifen und einen Verbündeten wie Saudi-Arabien mit Kritik vor den Kopf stoßen, wie es Außenminister Gabriel tat. Und zwischendurch kann er sein Äußeres verändern, dass man ihn kaum wiedererkennt.
Gabriel sitzt seit 2005 im Bundestag. Zuletzt machte er vor allem durch Nebentätigkeiten von sich reden. Lehraufträge an den Universitäten Bonn und Harvard, sein Amt als Vorsitzender der Atlantik-Brücke, auch Journalist war der 60-Jährige noch geworden. Nur Lobbyist wolle er nicht werden, hat Gabriel im März letzten Jahres gesagt. Und fein begründen konnte er das auch: Man solle nicht an Türen klopfen, »hinter denen man selbst mal gesessen hat«.
Wenn alles glatt geht, wird Gabriel nun Lobbyist. In der kommenden Woche soll sich entscheiden, ob er der nächste Präsident des Verbands der Automobilindustrie wird, wie der VDA selbst es offenbar unbedingt will. Damit sorgt Gabriel wieder einmal für Schlagzeilen, denn anrüchig ist das Passieren der Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft immer. Zugleich ist es beinahe mutig von ihm; schließlich ist derzeit kaum eine andere Branche so in Verruf. Aber wie sagte einst SPD-Chef Gabriel? Man solle dahin gehen, wo es brodelt und riecht oder auch mal stinkt. Ein Trost für ihn: Auf Geld trifft das bekanntlich nicht zu.
In der SPD fühlte er sich jedenfalls nicht mehr wohlgelitten. Man brauche ihn dort nicht mehr - so kündigte er jüngst an, im November aus dem Bundestag auszuscheiden. Nun, da gab es wohl noch einen anderen Grund.
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