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Ein wirtschaftspolitisches Experiment steht bevor
Nicolas Šustr über den geplanten Mietendeckel
»Der Mietendeckel berührt uns bei diesem Objekt überhaupt nicht«, sagte der Berliner Baulöwe Klaus Groth diese Woche bei der Vorstellung seines 2500-Wohnungen-Bauprojekts »Neulichterfelde«. »Ich glaube nicht dass der Mietendeckel eine hohe negative Ausstrahlung auf das Neubauvolumen haben wird«, fügte er noch hinzu.
Damit sticht er, der Mitglied der CDU ist und auch bestens mit den üblichen Verdächtigen der SPD vernetzt, aus der Phalanx der Warner vor der wohnungspolitischen Katastrophe heraus. Die bisherigen Rückstellungen und Auftragsstornierungen bezögen sich ja vor allem auf Sanierungen, merkt Groth noch an. Das muss nicht unbedingt zum Nachteil der Mieter sein, hat doch so manche eigentlich unnötige Luxussanierung steigende Mieten und Verdrängung zur Folge gehabt.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) schlägt schon seit Monaten Alarm wegen des kommenden Deckels. Für die LINKE hat dies das Fass überlaufen lassen, der Parteitag am Samstag wird darüber befinden, ob der BBU aufgefordert wird, seine nicht gemeinwohlorientierten Mitglieder, wie die Konzerne Vonovia und Deutsche Wohnen, rauszuwerfen. Vorne dabei sind auch Genossenschaften, die den Mietendeckel scharf kritisieren und öffentlichkeitswirksam den Ausstieg aus Neubauprojekten ankündigen. Sie machen Mindereinnahmen dafür verantwortlich, verschweigen aber, dass viele von ihnen durch sinkende Zinsen steigende Millionenbeträge jährlich sparen. Interessant auch die Verquickung von BBU und Berliner Volksbank über das gemeinsame Unternehmen BBT, das verschiedene Dienstleistungen für Wohnungsunternehmen anbietet. Die Volksbank finanziert eine weitere Kampagne gegen den Mietendeckel.
Was die tatsächlichen Effekte des Gesetzes sein werden, wenn es denn beschlossen wird, ist schwer vorherzusagen. Natürlich kann es passieren, dass weniger solvente Mieter trotzdem nicht an Wohnungen kommen, auch wenn sie sich die neue Miete laut Mietendeckel leisten könnten. Ob nun die massenweise Umwandlung in Eigentumswohnungen droht, ist noch nicht seriös zu beantworten. Ob der von manchen erhoffte Effekt wie in den Anfangszeiten des Roten Wiens 1919 eintritt, dass Investoren massenhaft die Stadt verlassen und somit die irre gestiegenen Haus- und Bodenpreise wieder fallen, muss sich noch erweisen.
Hoffentlich verlässt die Koalitionspartner auf den letzten Metern nicht noch der Mut, den Mietendeckel umzusetzen. Denn ob er so funktioniert wie gewünscht, kann sich nur zeigen, wenn er auch beschlossen wird.
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