- Politik
- Todesschwadrone in Spanien
Die Verbrechen müssen anerkannt werden
Die Angehörige Maider Garcia Goena über die politische Verantwortung der spanischen Todesschwadronen GAL
Freigegebene Dokumente des US-Geheimdienstes CIA sagen, dass der damalige spanische Regierungschef Felipe González der »Señor X« war, der hinter den Todesschwadronen GAL stand. Überrascht Sie das?
Nein, kein bisschen. Das ist etwas, von dem wir seit Langem ausgehen. Mich quält das Schweigen dazu, dass das niemanden in Spanien interessiert, die Gleichgültigkeit. Sogar die Opferorganisation Covite, in der meine Mutter Vizepräsidentin war, sagt dazu praktisch nichts.
In den 1980er Jahren hatte Spanien staatliche Todesschwadrone aufgestellt, die vor allem im französischen Baskenland Jagd auf angebliche und mutmaßliche Mitglieder der Untergrundorganisation ETA machten. Die Mehrzahl der Morde, die auf das Konto der »Grupos Antiterroristas de Liberación« (GAL) gehen, wurde bis heute nicht aufgeklärt.
Am Dienstag wurde im spanischen Parlament ein Antrag mit den Stimmen der Sozialdemokraten (PSOE) abgelehnt, eine Untersuchungskommission einzurichten, um auch den früheren PSOE-Chef und Ministerpräsident Felipe González vorzuladen. Mit Maider Garcia Goena, Tochter des offiziell letzten GAL-Opfers Carlos García Goena, sprach für »nd« Ralf Streck.
Was fordern Sie als Angehörige eins Opfers von der Politik?
Zuallererst erwarte ich von der sozialdemokratischen PSOE, dass sie die Verbrechen anerkennt. Ich weiß, dass das heute eine andere Generation ist, aber die Partei weiß, was sie zu verantworten hat, dass ihr Name beschmutzt ist. Es würde sie ehren, die Wunden zu reinigen, würde sie die Grausamkeiten anerkennen. Zudem müsste auch sie von González Aufklärung fordern.
Ihre Mutter Laura Martín, die vom aus Fenster beobachtete, wie ihr Vater am 24. Juli 1987 im Auto von einer Bombe zerrissen wurde, hat einst erklärt, wenn aufgedeckt würde, wer die Täter waren, würde sie der PSOE verzeihen. Gilt das auch für Sie?
Verzeihen kann ich das Verbrechen nicht. Das wäre eine Missachtung meines Vaters. Das heißt nicht, dass ich jemanden hassen würde, aber das ist etwas, das einfach unverzeihlich ist. Ich könnte akzeptieren, wenn man uns um Vergebung bitten würde. Ich könnte damit leben, wie andere damit leben, dass Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA nach Verbüßung ihrer Strafe aus dem Gefängnis kommen.
Geht es ohnehin nicht viel mehr um die Hintermänner, wie der »Señor X«, als der González bezeichnet wird?
Der oder die Täter sind wohl ohnehin längst tot, irgendeiner der Söldner, die für die GAL angeheuert wurden. Für mich geht es vor allem darum, dass die PSOE öffentlich und klar die Verbrechen anerkennt und keine halben Sachen macht. Wie wollen wir denn zusammenleben, weiter kommen, wenn Grundsätzliches verweigert wird: Aufklärung und Anerkennung.
Schmerzt es, dass die Linkspartei Podemos, die die Kloaken säubern wollte, nun erklärt hat, dass doch alles längst bekannt sei und von »Ablenkung« sprach, weshalb sie eine Untersuchungskommission ablehnen wollte?
Das schmerzt extrem. Es fühlte sich wie ein Feuerball in mir an, als ich das erfahren habe. Vielleicht weiß Podemos, was passiert ist. Ich weiß es nicht. Ich weiß nach 33 Jahren nicht, warum mein Vater ermordet wurde. Podemos hat stets von der Wiederherstellung der historischen Erinnerung gesprochen, gefordert, Folterern die Auszeichnungen zu entziehen. Jetzt wollte die Partei plötzlich keine Untersuchung. Bei González und der GAL darf der Dreck unter dem Teppich bleiben? Mich hat das total verstört.
Und das Verhalten der Sozialdemokraten von der PSOE?
Das schmerzt auch, doch das verwundert mich weniger. Aber auch dort hätte ich mir heute etwas anderes erwartet. Es sieht so aus, dass sie weiter stolz darauf ist, sonst würde sie sich anders verhalten. Selbst wenn wir alles wüssten, fehlt immer noch, dass González die Verantwortung für die Verbrechen übernimmt, die Schuld anerkennt. Mir ist klar, dass er dafür keine Strafe verbüßen wird. Die PSOE hatte eine einmalige Möglichkeit aufzuräumen, doch die wurde verspielt und sie haben dabei noch Podemos mit nach unten gezogen.
Was ist über den Anschlag gegen Ihren Vater aufgeklärt, ein Antimilitarist, der vor dem Kriegsdienst über die Grenze geflohen ist?
Nichts. Es laufen seit Jahren Ermittlungen, aber es fehlt der reale Wille, die Vorgänge zu klären. Der Nationale Gerichtshof hat ein Rechtshilfeersuchen an Frankreich gestellt, um einen Fotografen eines Fotostudios in Hendaye zu vernehmen. Seit 2016 passiert nichts. Auch in Frankreich hat man kein Interesse, die GAL-Geschichte aufzuklären.
Wie erklärt sich ihre Familie den Anschlag auf ihren Vater?
Eine wirkliche Erklärung gibt es nicht, wie zum Beispiel bei der Entführung des Unternehmers Segundo Marey, für die ein PSOE-Innenminister und ein Staatssekretär bestraft wurden. Es ist paradox, dass mein Vater, der keine Waffe in die Hand nehmen wollte, umgebracht wurde. Vielleicht war er einfach ein leichtes Opfer, da er sich anders als andere Flüchtlinge in Hendaye frei und offen bewegte. Einmal, das hat mir meine Mutter erzählt, kamen sogar Leute aus dem ETA-Umfeld zu uns, um auch etwas über meinen Vater zu erfahren, weil sie ihn für einen möglichen Spitzel hielten. Er saß zwischen allen Stühlen.
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