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Bürger greifen zur Selbsthilfe
Antrag für Pop-up-Radweg auf Allee der Kosmonauten eingereicht
Das Netzwerk fahrradfreundliches Marzahn-Hellersdorf versucht sein Glück nun auf direktem Weg. Die Aktivisten haben eine E-Mail an den Leiter der Abteilung Verkehrsmanagement in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz geschickt. Der Inhalt: Die Bitte an Christian Haegele, die Einrichtung eines Pop-up-Radwegs auf der Allee der Kosmonauten anzuordnen. «Die dafür nötigen Vorarbeiten haben wir in Amtshilfe geleistet», heißt es weiter in dem Schreiben. Angefügt haben sie einen auf Luftbildern basierenden Verkehrszeichenplan, die Basis, auf der solche Vorhaben amtlich genehmigt werden können. Gerne solle sich Haegele zurückmelden, falls weitere Vorarbeiten nötig seien.
«Wir hoffen damit unseren Beitrag leisten zu können, die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes in allen Teilen der Stadt erreichen zu können», schreiben die Aktivisten spitz. Denn eigentlich wäre das Straßen- und Grünflächenamt der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksstadträtin Nadja Zivkovic (CDU) zuständig. Doch die mauert seit Monaten. Bereits im Juni hatte der bezirkliche Fahrrat, ein Gremium, in dem Bürger, Verwaltung und Politik über Fahrradinfrastruktur sprechen, die Einrichtung von Pop-up-Radwegen auf der Allee der Kosmonauten, der Märkischen Allee und der Landsberger Allee auf Höhe des Marzahner Knotens gefordert. Doch passiert ist seitdem nichts.
Nach Redaktionsschluss der Druckausgabe antwortete die Stadträtin auf Fragen von «nd». «Verweigerung würde ich es nicht nennen, ich habe nur folgende Bedenken: die in den Innenbezirken angelegten Pop-up-Radwegen basieren auf Planungen die schon vorlagen und kurzfristig umgesetzt werden konnten», so Zivkovic. Diese lägen bei den genannten Straßen mit Ausnahme Allee der Kosmonauten nicht vor. Letzte Woche hätten dort die Oberflächenarbeiten für das Anlegen eines grünen Radweges begonnen. 600 Meter von der Rhinstraße kommend.
Der Marzahner Knoten sei eine der komplexesten Verkehrssituationen im Bezirk. Die Radplanungen des Neubaus der Brücken seien sehr umfangreich gewesen und hätten dafür gesorgt, dass die gesamten Planungen länger dauerten als gedacht. «Die Einrichtung eines sicheren Pop-Up-Radweges an der Stelle sehe ich als sehr schwierig an», so Zivkovic.
«Gleichzeitig habe ich ein personelles Problem, da alle Radverkehrsplanerstellen gerade in der Ausschreibung sind», erklärt die Stadträtin. Auch die finanzielle Situation der Unterhaltung sehe sie nicht als gesichert an. Die Senatsverkehrsverwaltung habe laut Protokoll der Stadträtesitzung dafür zwei Millionen Euro eingestellt für alle Bezirke «Wenn der Topf leer ist, müssen die Bezirke, wenn die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz keine weiteren Mittel findet, dies selber tragen.»
So argumentiert Zivkovic bereits seit längerer Zeit. Ihr Parteifreund, das direkt gewählte Abgeordnetenhausmitglied Mario Czaja, hat auf seiner Homepage das Schreckgespenst von mit Lastwagen zugeparkten Straßen im an die Märkische Allee angrenzenden Wohngebiet an die Wand gemalt. Nicht umsonst heißt es im neuen CDU-Verkehrskonzept: «Der Fahrradverkehr soll den Autoverkehr nicht unnötig ausbremsen.»
«Es wird immer ins Feld geführt, dass das Bezirksamt personalmäßig nicht so gut ausgestattet ist», sagt Pascal Grothe vom Netzwerk fahrradfreundliches Marzahn-Hellersdorf zu «nd». Aber das Tiefbauamt besteht ja nicht nur aus einem oder zwei Radplaner*innen«, erklärt er. So schwierig sei die Sache bei den temporären Radspuren nun wirklich nicht. Einen Nachmittag hätten die Aktivisten gebraucht, um die Pläne zu machen. »Wir hoffen, dass diese Unterstützung beim Bezirk auch gut ankommt. Bei positiver Rückmeldung kann man das auch ausbauen«, so Grothe. »Aber es wäre ja schade, wenn die Arbeit für den Papierkorb wäre.«
»Die Linke in Marzahn-Hellersdorf hat dem Bezirksamt vorgeschlagen, Amtshilfe zu beantragen, sollten mit eigenen Mitteln keine Pop-Up-Radwege umgesetzt werden können«, sagt deren Bezirkschef Kristian Ronneburg zu »nd«. Er ist auch verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Dass jetzt Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Belange des Radverkehrs einsetzen, aktive Amtshilfe leisten müssen, zeigt, dass die zuständige CDU-Bezirksstadträtin es bis heute nicht vermocht hat, beim Ausbau des Radverkehrs wirklich zu liefern«, so Ronneburg weiter. Er kritisiert auch die »Angstkampagnen« des CDU-Kreisvorsitzenden Mario Czaja gegen den Radverkehr.
Auch beim Bau regulärer Radverkehrsanlagen ist Marzahn-Hellersdorf das Schlusslicht unter den Bezirken. Von Anfang 2017 bis Mai 2020 sind ganze 2,1 Kilometer errichtet worden, wie die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des SPD-Abgeordnetenhausmitglieds Sven Kohlmeier ergibt. Mit 3,6 Kilometern neu gebauten Wegen unwesentlich besser ist allerdings Charlottenburg-Wilmersdorf - in der Zuständigkeit eines Stadtrats der Grünen.
»Gerne möchten wir dazu anregen, die Möglichkeiten der Amtshilfe stärker als bisher zu nutzen, um die Mobilitätswende auch in Marzahn-Hellersdorf sichtbar zu machen«, schreibt das bezirkliche Netzwerk in seinem Brief an die Senatsverkehrsverwaltung. Die reagiert verhalten positiv auf den Vorstoß. »Es steht jeder Bürgerin und jedem Bürger offen, straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen zu beantragen. Das wird auch sehr regelmäßig von Bürgerinnen und Bürgern gemacht«, erklärt Sprecherin Dorothee Winden auf nd-Anfrage. Die E-Mail der Initiative werde »als Anregung geprüft«, heißt es weiter. Sollte in der Folge eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung in Betracht kommen, würden dazu der Bezirk und die Polizei angehört, etwaige Hinweise bei der weiteren Abwägung berücksichtigt. »Die Anordnung einer Maßnahme erfolgt durch die Abteilung Verkehrsmanagement, dem Bezirk obliegt die Umsetzung«, so Winden. Und natürlich, so viel korrekte Bürokratie muss sein, natürlich könne »Amtshilfe« nur zwischen Behörden erfolgen.
»Wir hoffen, dass spätestens zu Beginn des neuen Schuljahres die temporäre Radspur auf der Allee der Kosmonauten abmarkiert ist«, sagt Aktivist Pascal Grothe, der auch Grünen-Mitglied ist. Es geht um den etwas über einen Kilometer langen Abschnitt zwischen Poelchaustraße und Helene-Weigel-Platz, den viele Schüler nutzen.
»Wie wir sehen, hängen Fortschritte bei der Verkehrswende maßgeblich von Einzelpersonen in der Verwaltung ab«, kritisiert Ragnhild Sørensen, Sprecherin des aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangenen Vereins Changing Cities. »Das dürfte aber eigentlich nicht der Fall sein, denn die Verwaltung hat eigentlich die Funktion, einfach entsprechend der Gesetzeslage zu handeln«, so Sørensen weiter. »Dieses Unterlassen von Maßnahmen hat aber auch damit zu tun, dass der Radverkehrsplan immer noch nicht vorliegt«, gibt sie zu bedenken. Spätestens ein Jahr nach der vor zwei Jahren erfolgten Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes hätte er vorliegen sollen.
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