Grundsicherung wird »gezielt kleingerechnet«

Der Bundestag streitet über den Entwurf zur Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze

»Vor allem, und das ist mir wichtig zu betonen, sind diese neuen Regelsätze für die Kinder hilfreich«, lobte Kerstin Griese (SPD), Staatssekretärin für Arbeit und Soziales, den Gesetzesentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen am späten Mittwochnachmittag im Bundestag. Demnach sollen Kinder zwischen 6 und 13 Jahren aber nur einen Euro mehr bekommen. In der Bundestagsberatung ging es um die Anpassung der Regelsätze zum 1. Januar 2021.

Alle fünf Jahre legt das Statistische Bundesamt neue Daten über die Einkommens- und Verbraucherstichprobe vor, die als Grundlage für die Festsetzung der Hartz-IV-Regelsätze herangezogen werden. Sowohl die Berechnungsmethode wie auch die Regelsätze an sich werden seit jeher von unterschiedlichen Seiten als fehlerhaft und unzureichend kritisiert. Auch das Bundesverfassungsgericht segnete im Jahr 2014 den Hartz-IV-Regelsatz nur als »noch« verfassungsgemäß ab. Nachbesserungsbedarf sahen die Richter damals etwa bei den Kosten für Kühlschränke und Waschmaschinen, aber auch bei Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen.

In der Bundestagsberatung lobte SPD-Politikerin Griese weiter, dass erstmals auch die mobile Kommunikation in den Hartz-IV-Regelsätzen berücksichtigt werde. Bisher waren lediglich Kosten für einen Internet- bzw. Festnetzanschluss darin enthalten. Das entspreche laut Griese nicht mehr dem Standard. Offenbar war es 2017 bei der letzten Anpassung der Hartz-IV-Sätze noch nicht Alltag fast aller Menschen, ein Handy zu nutzen.

Bei der Rede von Tobias Zech von der Fraktion CDU/CSU zeigte sich dann, dass die Regelsätze gar nicht ausreichen sollen. »Die Gerechtigkeit ist eben nicht, die Grundsicherungsleistung so auszugestalten, dass ich möglichst lange in der Grundsicherung bleibe«, so Zech. Zuvor hatte er festgestellt, in der Debatte werde wohl wieder um die »Kugel Eis oder die Christbaumkugel« gestritten werden.

Grüne und Linke kritisierten den Entwurf am Dienstag. »Alle bisherigen Bundesregierungen haben gezielt kleingerechnet, was der Mensch zum Leben braucht«, sagte Katja Kipping, Co-Parteivorsitzende der Linken. Wenn die Regierung Bedarfe in der Sozialhilfe und in Harz IV kleinrechne, verdonnere sie damit auch Rentner*innen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten arbeiten, und Alleinerziehende, die aufstocken müssen, zu einem Leben in Armut und materieller Entbehrung. »Aktuell sind sieben Millionen Menschen direkt von der Höhe der Regelbedarfe betroffen«, so Kipping. Da in den Regelsätzen zahlreiche Dinge wie etwa ein Cafébesuch, ein Geburtstagsgeschenk oder das Futter für ein Haustier nicht vorgesehen sind, würden Hartz-IV-Betroffene in Vereinsamung und Isolation getrieben werden. Der Gesetzesentwurf sieht für eine alleinstehende Person eine Anhebung von derzeit 432 Euro auf 446 Euro im Jahr 2021 vor. Die Linke fordert hingegen 658 Euro plus die Übernahme der Stromkosten. Am Mittwoch wurde ein Bericht der Bundesnetzagentur bekannt, nachdem im vergangenen Jahr 289 000 Haushalten wegen unbezahlter Rechnungen der Strom abgestellt wurde.

Auch Sozialverbände kritisieren die geplante Hartz-IV-Anhebung als unzureichend. »Alle Expert*innen sind sich einig: unter 600 Euro reicht es auf keinen Fall«, sagte etwa Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, am Mittwoch. Die Bundesregierung müsse endlich ihre umstrittenen Methoden der Regelbedarfsermittlung korrigieren. »Es fehlt nicht an belastbaren Zahlen und Modellen. Was es braucht, ist der politische Wille, Armut in diesem reichen Land wirklich zu verhindern«, so Schneider.

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