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Umweltminister macht Wolfshatz zur Geheimsache
Fähe in Niedersachsen getötet, Grüne und Naturschützer kritisieren verantwortlichen Ressortchef. Rudel soll 500 Nutztiere gerissen haben
Erst, als die Wölfin irgendwo im Landkreis Emsland schon totgeschossen worden war, erfuhr die Öffentlichkeit vom Ende des Tieres. Zuvor hatte Niedersachsens Umweltministerium die Hatz auf das »Herzlaker Rudel«, dem die Fähe angehörte, verschwiegen. Details zu Wolfsgemeinschaften, für die im zweitgrößten Bundesland wegen vermutlicher Nutztierrisse amtliche Tötungslizenzen erteilt wurden, sind geheim. Aus dem Ministerium hieß es zur Begründung, die mit der »Entnahme«, also mit dem Abschuss, befassten Menschen müssten mit »umfangreichen Repressalien im persönlichen Bereich« rechnen. Erfahrungen aus bisherigen »Entnahmeverfahren« zeigten dies, erklärte das Ressort von Olaf Lies (SPD).
Ihm untersteht der Landesbetrieb für Naturschutz, der für das Erteilen von Ausnahmegenehmigungen für Wolfsabschüsse zuständig ist. So auch für die Wölfin des Rudels von Herzlake, benannt nach seinem Aktionsgebiet im Umfeld des Ortes im Nordwesten Niedersachsens, etwa 50 Kilometer von der Grenze zu den Niederlanden entfernt.
Die ministeriellen Wolfsverfolger begründen ihre Schussfreigabe damit, dass im Bewegungsbereich des Rudels seit Ende 2018 rund 500 Schafe von Wölfen gerissen worden seien. Mehrere der Raubtiere hätten dazu Zäune überwunden und sich auch von Herdenschutzhunden nicht aufhalten lassen. Die Tötung der Wölfin aus diesem Rudel sei rechtlich »vollumfänglich gedeckt« gewesen, sagt Minister Lies.
Zweifel daran hegt sein Amtsvorgänger Christian Meyer, inzwischen naturschutzpolitischer Sprecher der oppositionellen Grünen im Landtag. Er bemängelt, wegen der Geheimniskrämerei des Ministeriums habe nicht vorab gerichtlich geprüft werden können, ob die strengen Voraussetzungen für die Tötung eines sogenannten Problemwolfes in diesem Fall vorgelegen haben. Es bleibe daher unklar, ob die Person, die die Wölfin erlegte, legal gehandelt hatte, so Meyer. Immerhin habe das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bereits zwei von Lies erteilte Abschussgenehmigungen nachträglich für illegal erklärt, gibt er zu bedenken.
Nach Ansicht des Grünen-Politikers begibt sich Lies mit seinen gerichtlich nicht überprüften Abschussgenehmigungen auf »sehr dünnes Eis« und bringe auch die beauftragten Schützen in rechtliche Schwierigkeiten. Meyer fordert den Umweltminister auf, »anstelle geheimer Abschusslisten endlich eine auskömmliche Prämie für Weidetiere auf den Weg zu bringen, um damit Schutzmaßnahmen gegen Wolfsrisse zu finanzieren«.
Wie der Grünen-Politiker übten auch der World Wide Fund for Nature (WWF) und der Naturschutzbund Nabu harsche Kritik an »geheimen Abschusslisten der Landesregierung«. Durch das Verweigern von Auskünften würden die Anforderungen des Umwelt-Informationsgesetzes sowie des Artenschutzrechts nicht pflichtgemäß umgesetzt, rügen beide Organisationen. Der WWF will juristisch prüfen lassen, inwieweit das Land Niedersachsen »zu mehr Transparenz gezwungen« werden kann. Der Nabu hat bei der Europäischen Union bereits eine Beschwerde gegen Mängel in der Wolfsverordnung des Landes eingereicht.
All dies wird einen männlichen Wolf des Herzlaker Rudels mit der Kennziffer »GW 1111 n« wohl kaum vor einem tödlichen Schuss bewahren. Diesen hatte das Umweltministerium schon vor Monaten genehmigt. Das teilte die Behörde erst jetzt mit, als sie auch den Abschuss der Wölfin bekanntgab. Zumindest in diesem Fall ist die Forderung der Grünen im Landtag erfüllt worden, Abschussgenehmigungen wieder zu veröffentlichen. Sollte das jedoch zukünftig nicht geschehen, zieht die Fraktion eine Klage vor dem Staatsgerichtshof in Erwägung.
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