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Politische Gesinnung bleibt Nebensache
Prozess gegen KSK-Soldaten: Milderung der Anklage wahrscheinlich / Amnestie für Munitionsrückgabe
Philipp S. wirkt gelöst im Gerichtssaal. Langsam schlendert er durch die Bänke auf der Verteidigungsseite, plaudert mit seiner Lebensgefährtin, bespricht sich mit seiner Verteidigung. Die gute Laune, so wird sich zum Ende dieses dritten Verhandlungstages herausstellen, ist durchaus begründet.
Der Angeklagte war Sprengmeister und Ausbilder der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), bis Ermittler im Mai 2020 bei einer Durchsuchung auf seinem Grundstück mehrere Tausend Schuss Munition, zwei Kilogramm Plastiksprengstoff, ein russisches Maschinengewehr samt Magazin, Schalldämpfer und NS-Devotionalien fanden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden klagte ihn daraufhin wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz an. Der dritte Verhandlungstag jedoch brachte eine Wende: Ein Waffengutachter, der am vorangegangenen Prozesstag gehört worden war, hatte die gefundene Kriegswaffe, ein AK47 aus dem Arsenal der polnischen Armee aus den späten 60er-Jahren, untersucht. Bei der Begutachtung stellte er fest, dass sich die Waffe nicht mehr abfeuern ließ, was äußerlich nicht ersichtlich war. Dass sich dieser Schaden erst im Zuge des Gutachtens ergeben haben könnte, konnte er nicht ausschließen. Dennoch kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass die Waffe aufgrund der funktionsunfähigen Vollautomatik nicht mehr als Kriegswaffe zu werten sei. Die eigentliche Leistung von 600 Schuss die Minute könne die AK47 auf keinen Fall mehr leisten.
Deshalb gab das Landgericht nun zu verstehen, lediglich die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu erkennen. Folgt die Generalstaatsanwaltschaft diesem Hinweis, wird diese Entscheidung sich mildernd auf das Strafmaß auswirken. Unklar ist aber weiterhin, wie die Waffe ihren Weg in die Hände von Philipp S. gefunden hat. In einer weiteren Erklärung, die der Angeklagte an diesem Tag abgab, behauptete er, dass er die Waffe zu Dekorationszwecken im »Herrenzimmer« habe nutzen wollen.
Doch geht es in dem Prozess nicht nur um das AK47. Bei S. wurden zwei weitere Waffen sichergestellt, für welche er allerdings einen Waffenschein besaß. Ein Großteil der gefundenen Munition entsprach eben jenem Kaliber und hätte somit auch mit diesen verschossen werden können. Aber ein Teil des Munitionsbestandes war auch sogenannte Kriegswaffenmunition und dafür geeignet, um auf einer Distanz von 200-400 Metern leicht gepanzerte Ziele zu durchschlagen.
Brisant auch: Im Laufe des Verfahrens hatte sich herausgestellt, dass das KSK auf die Vielzahl der rechtsextremen Vorfälle und die vermisste Munition, fehlende Waffen sowie insgesamt 62 Kilo abhandengekommener Plastiksprengstoff einen ganz eigenen Umgang gefunden hatte. Für Soldaten, die entwendete Munition zurückgaben, bot man eine Amnestie an. Rechtliche Konsequenzen für den Munitionsklau mussten diese also nicht mehr fürchten. Der Angeklagte erklärte jedoch, er habe dem Versprechen von Straffreiheit misstraut und daher keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht.
Nach wie vor spielt in dem Verfahren ein möglicher ideologischer Charakter der Tat trotz der gefundenen NS-Devotionalien und als rechts zu bewertende Handyfotos keine Rolle. Stattdessen befragte der Verteidiger einen als Zeugen geladenen LKA-Beamten der Sonderkommission Rechts, ob nicht Teile der gefundenen Bilder auch satirischer Natur sein könnten.
Etwas ernster scheint man den Fall mittlerweile jedoch beim Verteidigungsministerium zu nehmen. Nach Erkenntnissen des Rechercheverbundes von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« wurde ein ehemaliger KSK-Soldat, der sich 2019 erneut bei der geheim operierenden Bundeswehrtruppe um eine Stelle beworben haben soll, aufgrund seines Kontaktes zu Philipp S. nicht wieder eingestellt. Eine offizielle Stellungnahme zu dem Fall wird indes verweigert.
Es stellen sich noch viele Fragen in diesem Fall. Trotzdem plant das Leipziger Landgericht im Prozess gegen Philipp S. schon Mitte März einen Urteilsspruch.
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