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Bidens große Pläne
Der US-Präsident will die Infrastruktur modernisieren – Parteilinke wollen noch mehr
Mehr als 2250 Milliarden US-Dollar will US-Präsident Joe Biden in den nächsten Jahren in die Infrastruktur des Landes investieren lassen. Am Mittwoch reiste er in die »Rustbelt«-Stadt Pittsburgh, also ins alte industrielle Zentrum der USA, wo der Name Rostgürtel angesichts der Deindustrialisierung der vergangenen 50 Jahre Programm ist. Hier präsentierte Biden sein Infrastrukturpaket. Nach der Verabschiedung des Hilfspakets gegen die Coronakrise soll es das zweite legislative Projekt von Biden werden, der damit an seiner bisherigen Taktik festhält, moderat progressive Sozialpolitik zu »Küchentischthemen« zu machen und sich nicht auf die von rechts fokussierten Kulturkrieg-Diskussion um eine vermeintlich überbordende »Cancel Culture« einzulassen.
620 Milliarden Dollar sollen in die Reparatur von Straßen und Brücken investiert werden. Die Infrastruktur im Land soll zudem fit für die Klimakrise gemacht werden. Außerdem sollen im Land bis 2030 rund 500 000 Ladestationen für Elektroautos installiert werden, 50 000 Dieselbusse des öffentlichen Nahverkehrs sollen durch elektrische ersetzt werden und die Fahrzeugflotte der US-Regierung auf E-Autos umgestellt werden.
Mehr als 300 Milliarden Dollar sollen für den Austausch alter Wasserleitungen, den Ausbau von Breitbandinternet sowie für die Anpassung des Stromnetzes des Landes an die Anforderungen von mehr extremen Wetterereignissen verwendet werden. Mit mehr als 300 Milliarden Dollar sollen alte und neue »bezahlbare Wohnungen« und Sozialbauten renoviert und besser isoliert werden. Dass »Infrastruktur« von Biden sehr weit definiert wird, zeigt die Tatsache, dass im aktuellen Vorschlag auch über 400 Milliarden Dollar für die Verbesserung der Altenpflege enthalten ist.
Weil all das laut Weißem Haus Millionen von Arbeitsplätzen schaffen könne, heißt das Paket »American Jobs Plan«. Das Infrastrukturpaket enthält auch 580 Milliarden Dollar, um die Industrieproduktion im Land zu fördern und Forschung etwa für die Entwicklung von Batterien und Computerchips zu finanzieren sowie Job-Trainingprogramme für Beschäftigte. Um die Details des Pakets wird in den nächsten Wochen hart verhandelt werden – und vielleicht müssen die Demokraten auch auf Verfahrenstricks mittels Haushaltsregeln zurückgreifen, um eine Blockade durch die Republikaner zu umgehen.
Für die Republikaner im US-Kongress ist das Paket eine »liberale Wunschliste« und ein »trojanisches Pferd für höhere Steuern«. Denn: Biden will einen Großteil der Ausgaben nicht durch Schulden, sondern durch moderate Steuererhöhungen für Unternehmen finanzieren. So soll die durch Donald Trump 2017 von 35 auf 21 Prozent gesenkte Unternehmenssteuer auf 28 Prozent angehoben werden. Außerdem will sich das Weiße Haus auf globaler Ebene für eine Mindeststeuer von 21 Prozent für Großunternehmen einsetzen, um den Wettbewerb nach unten zwischen Staaten bei Unternehmenssteuern möglichst zu unterbinden. Wohlhabende US-Amerikaner mit einem Jahreseinkommen über 400 000 Dollar sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Das lehnen die Republikaner und die mächtige US-Handelskammer ab. Wirtschaftslobbyisten setzen schon jetzt Demokratenabgeordnete unter Druck, gegen Steuererhöhungen zu stimmen.
Doch Biden und moderate Demokraten-Abgeordnete stehen gleichzeitig unter Druck des progressiven Flügels der Partei und von linken Nichtregierungsorganisationen, die landesweit über 100 Veranstaltungen und Anzeigen im Internet organisiert haben. Die Forderung: »Go big on Recovery« – Biden solle mehr Geld ausgeben für den Umbau der Infrastruktur.
Das Infrastrukturpaket sei »nicht annähernd genug«, erklärte die Parteilinke Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter. »Der wichtige Kontext ist, dass die Summe von 2250 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren gestreckt ist«, so Ocasio-Cortez. Jahrzehntelange Unterfinanzierung müsse nun mit mehr Geld ausgeglichen werden. Andererseits sei eine schnellere und umfassendere Anpassung an die Klimakrise nötig, um auf die Größe des Problems adäquat zu antworten.
Progressive Demokraten haben deswegen mit der »Thrive-Agenda« einen Gegenvorschlag für ein Infrastrukturpaket vorgestellt, mittels dem innerhalb eines Jahrzehnts rund 1000 Milliarden Dollar ausgegeben werden sollen – aber das jedes Jahr. Dabei sollen sowohl gut bezahlte und gewerkschaftlich organisierte Jobs in der grünen Energiewirtschaft und bei der Anpassung von Gebäuden an strengere Emissionsstandards geschaffen, als auch in besonders von der Klimakrise betroffene Gegenden, in denen überwiegend People of Color leben, investiert werden.
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