Judenhass sitzt nach wie vor in den Köpfen

Lichtenberg bekommt als erster Berliner Bezirk einen eigenen Antisemitismusbeauftragten

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Schändung der Gedenktafel für die ehemalige Synagoge an der Konrad-Wolf-Straße im Lichtenberger Ortsteil Alt-Hohenschönhausen am vergangenen Wochenende hat viele erschüttert. Vor allem aber hat es eines noch einmal deutlich gemacht: Neonazis und andere Antisemiten mögen das Bild von Lichtenberg nicht mehr in der Form prägen, wie es Anfang der 1990er Jahre der Fall war - verschwunden sind sie deshalb noch lange nicht. »Antisemitismus ist nach wie vor in den Köpfen«, sagt Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke).

Um das Problem auch institutionell anzugehen, hat Lichtenberg nun als erster Berliner Bezirk die Stelle eines eigenen Antisemitismusbeauftragten eingerichtet. André Wartmann, der zuvor unter anderem für das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus und die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück tätig war, soll ab 1. Juni vor allem Ansprechpartner für Opfer von Antisemitismus sein sowie Kontaktperson für die jüdische Gemeinde und jüdische Organisationen im Bezirk. Wichtig sei ihm zudem, in enger Zusammenarbeit mit dem Antisemitismusbeauftragten des Landes »Aufklärungsarbeit zu leisten« und die Lichtenbergerinnen und Lichtenberger für die verschiedensten Ausprägungen von Antisemitismus zu sensibilisieren, sagt Wartmann am Donnerstag bei der Vorstellung durch Bürgermeister Grunst.

Wie Linke-Politiker Grunst bei der Gelegenheit betont, stehe die Einrichtung der Stelle schon länger auf der Agenda des Bezirksamts. »Trotz geschichtlicher Aufarbeitung und vielfältiger Maßnahmen steigt die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland und auch in Lichtenberg. Das bestätigt uns die Notwendigkeit einer solchen Position«, erklärt der Bürgermeister.

Zwar hat das Lichtenberger Register, die Meldestelle für rassistische Vorfälle im Bezirk, im vergangenen Jahr »nur« vier genuin antisemitische Übergriffe erfasst. Dabei, sagt Wartmann, müsse man aber von »einer hohen Dunkelziffer« nicht gemeldeter Vorfälle ausgehen. Hinzu kommt, dass das Gewaltpotenzial mit dem vermutlich von Neonazis im Sommer 2020 begangenen Brandanschlag auf die Lichtenberger Kiezkneipe »Morgen wird besser« und den vorangegangenen Angriffen auf den jüdischen Besitzer eine neue, eigentlich aber alte Dimension erreicht hatte, die Erinnerungen an die sogenannten Baseballschlägerjahre nach 1989 wach werden ließ.

»Gerade Anfang der 1990er Jahre war der Bezirk dafür bekannt, dass sich sehr viele Neonazis hier niedergelassen hatten«, sagt Wartmann. Diese Zeit sei, so die Vermutung des 34-jährigen Antisemitismusforschers, auch ein Grund dafür, dass jüdisches Leben in Lichtenberg »leider nicht so sichtbar ist« wie in anderen Bezirken, obwohl es hier mit den Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion eine durchaus große Gruppe von Jüdinnen und Juden gibt. Ziel seiner Tätigkeit sei es bei alldem, »das immer wieder beschworene ›Nie wieder!‹ auch umzusetzen«.

Kein Platz für antisemitisches Gedankengut in Lichtenberg: Unter dieser Prämisse stand am Donnerstag dann auch der gemeinsame Termin des Bezirksamts unmittelbar im Anschluss an die Vorstellung Wartmanns - die Übergabe der auf Initiative von Landesbischof Christian Stäblein und der Kantorin Esther Hirsch von der Synagogengemeinde Sukkat Schaloman vor wenigen Tagen beschmierten und nun wiederhergestellten Gedenktafel an der Konrad-Wolf-Straße. »Wir werden die Erinnerung an durch Faschisten ermordete Lichtenberger Jüdinnen und Juden durch diese Schändung nicht beschmutzen lassen«, so Bürgermeister Grunst.

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