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Kampf um den Feenwald
Auf Vancouver Island versuchen Aktivisten und Indigene, die Rodung eines Regenwaldes zu stoppen
Seit Wochen und Monaten findet im Fairy Creek der größte Akt zivilen Ungehorsams in der kanadischen Geschichte statt. Das jedenfalls sagen Beobachter*innen - angesichts von mehr als 1100 Verhaftungen im Konflikt um die Rodung eines der letzten Küstenregenwaldstücke von Britisch Columbia.
Diese Woche finden vor dem Obersten Gericht des kanadischen Bundesstaates Anhörungen statt, um zu entscheiden, ob der umstrittene Einsatz der kanadischen Bundespolizei RCMP gegen die Waldschützer*innen von Fairy Creek weitergeht.
Anfang Oktober hatte der Supreme Court von British Columbia nur eine vorläufige gerichtliche Anordnung für den Einsatz erteilt, unter anderem explizit mit Verweis auf das Fehlverhalten der kanadischen Bundespolizei. Deren Beamte hätten Namensschilder auf ihren Uniformen entfernt, Beschwerden wegen Fehlverhalten würden so unmöglich gemacht, so Richter Douglas W. Thompson. Laut den Waldschützer*innen geht die RCMP besonders brutal gegen Indigene und People of Color vor. Während an den Gerichten über die Verlängerung der Anordnung zum Polizeiansatz verhandelt wird, geht der Kampf in den Wäldern weiter. Vergangene Woche nahm die Bundespolizei sechs Protestierende fest, die sich an Blockadekonstruktionen gekettet hatten. Damit stieg die Zahl der Festnahmen laut Lokalmedien auf 1168.
Entzündet hatte sich der Konflikt bereits im August 2020, nachdem bekannt wurde, dass Kahlschläge in einem Tal mit dem Namen Fairy Creek geplant sind. Das Tal, das auch den indigenen Namen Ada'itsx trägt, ist eines der wenigen Täler im Süden Vancouver Islands, das bis dahin von Abholzung verschont geblieben war. Eine Gruppe mit dem Namen Rainforest Flying Squat begann, in Fairy Creek und der Umgebung Camps zu errichten, um die Holzarbeiten zu beobachten und zu blockieren. Die Waldgebiete befinden sich auf den traditionellen Territorien der Pacheedaht, Didtidaht und Huu-ay-aht First Nations. Mittlerweile sind viele der Camps, die teils von Indigenen, teils von nicht-indigenen Waldschützer*innen organisiert wurden, von der Polizei geräumt worden. Doch immer wieder werden neue Camps und Blockaden errichtet.
Die Wälder, um die es geht, bilden ein einzigartiges, bedrohtes Ökosystem. Es handelt sich um alten Küstenregenwald mit riesigen Bäumen im Alter von bis zu 2000 Jahren. Als potente Kohlenstoffspeicher und Biodiversitätshotspots sind sie auch im Kampf gegen die fortschreitende Klimakrise von großer Bedeutung. Die First Nations, die Indigenen Kanadas, nutzen die alten Wälder seit Jahrtausenden als Quelle für Nahrung, Medizin und Rohstoffe. Sie sind außerdem von großer kultureller und spiritueller Bedeutung.
Mit der Kolonisierung durch europäische Siedler*innen veränderten sich die Beziehungen zum Wald tiefgreifend. Indigene wurden ihrer ausgedehnten Territorien beraubt und auf Reservate verbannt. Die traditionellen Gesellschafts- und Regierungsstrukturen, die auf einer nachhaltigen und reziproken Beziehung zu Wasser, Land und Wäldern beruhen, wurden auszulöschen versucht. Trotz des Genozids bestehen indigene Lebensweisen samt ihrer tiefen Beziehung zum Land bis heute fort.
Die industrielle Holzwirtschaft der Siedler*innen ließ die alten Wälder in nur etwas mehr als einem Jahrhundert größtenteils verschwinden. In British Columbia wurden bereits 74 Prozent des Primärwaldes abgeholzt und durch wenig produktiven, nachgewachsenen Sekundärwald ersetzt. Nur noch drei Prozent der Waldflächen in der westlichen Provinz bilden Ökosysteme, in denen so große und alte Bäume wie in Fairy Creek wachsen können. Kurzsichtiges Management hat die Holzindustrie in eine Sackgasse geführt, dabei ist gerade diese für viele lokale Gemeinden die wichtigste wirtschaftliche Grundlage: Mehr und mehr Holz wurde für den internationalen Markt exportiert und heimische Sägewerke wurden geschlossen.
Damit Profite und Arbeitsplätze nicht weiter schwinden, muss auch weiter alter und produktiver Wald abgeholzt werden. Das führt zu zunehmenden gesellschaftlichen Konflikten zwischen denen, die von der Holzwirtschaft abhängig sind, und denen, die die letzten Reste alter Wälder bewahren wollen. Dieses Dilemma betrifft First Nations wie die Pacheedaht, die Didtidaht und die Huu-ay-aht besonders.
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Im Zuge des Kolonialismus wurden sie von der Holzindustrie abhängig. Gleichzeitig verstehen sie sich als die rechtmäßigen Besitzer*innen und Beschützer*innen ihres Territoriums und verlangen, als souveräne Nationen von den Regierungen Kanadas und der Welt anerkannt zu werden. Angesichts jüngster Pläne der Regierung British Columbias, Abholzungslizenzen für alte Wälder auszusetzen, macht Huu-ay-aht Chief Robert Dennis Sr. deutlich: »Wir wollen diejenigen sein, die entscheiden, in welchen alten Wäldern gerodet wird und in welchen nicht.«
Die Indigenen sind intern gespalten, Teile ihrer Führung sprechen sich für den Holzschlag aus. Doch allein das Gewinnbeteiligungsabkommen mit den Holzfirmen verbietet, dass sich die offiziellen Indigenenvertreter*innen gegen die genehmigte Abholzung aussprechen oder engagieren. Aktivist*innen kritisieren, schon lange bestehende Gesetze wie der Indian Act hätten traditionelle Familien- und Selbstregierungsinstitutionen der Indigenen unterminiert, Unternehmen und Regierung würden dies ausnutzen.
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