- Kultur
- Münchner Filmfest
Diana Iljine: »Stellt euch niemals nur mit dem Vornamen vor!«
Das 40. Münchner Filmfest ist für Direktorin Diana Iljine das letzte. Ein Blick zurück nach vorn
Seit 40 Jahren gibt es das Filmfest München. Sie waren schon recht früh dabei. Wie früh eigentlich genau?
Diana Iljine wurde 1964 in Frankfurt am Main geboren und studierte später Kommunikationswissenschaft in München. Schon während des Studiums arbeitete sie im Kino und als Aufnahmeleiterin und Produktionsassistentin. Seit 2011 leitet sie das Münchner Filmfest, eines der größten deutschen Filmfestivals neben der Berlinale. Das 40. Münchner Filmfest läuft vom 23. Juni bis 1. Juli.
Seit 1984. Ich habe im Sommer gerne beim Filmfest München als Studentin gejobbt. Im ersten Jahr war ich eine Woche lang Kartenabreißerin, später war ich für die Gäste verantwortlich. Ich hatte auch das große Glück, Audrey Hepburn zu betreuen. Das Filmfest widmete dem großen Hollywood-Regisseur Stanley Donen eine Hommage und Audrey Hepburn hatte in drei seiner Filme mitgespielt. Sie war eine unglaublich engagierte, freundliche und elegante Frau.
2011 wurden Sie als Geschäftsführerin zum Filmfest München berufen. Mit Ihnen kam Hollywood: Sophia Coppola, Ralph Fiennes, Melanie Griffith. Aber als Leonardo DiCaprio »In den Straßen von New York« vorstellte, interessierte sich keiner für ihn. Warum das denn?
Weil ihn keiner kannte! Jude Law besuchte uns auch am Anfang seiner Karriere (»Shopping«) und Quentin Tarantino war mit »Pulp Fiction« beim Filmfest, bevor er ganz berühmt wurde. Wir sind ein Entdeckerfestival. Mads Mikkelsen kommt genau deswegen immer wieder, weil wir ihn zu einer Zeit eingeladen hatten, wo ihn noch keiner auf dem Schirm hatte. Für »Das Zimmermädchen Lynn« bekam Vicky Krieps 2014 beim Filmfest den Förderpreis Neues Deutsches Kino als beste Schauspielerin. Inzwischen ist sie ein Weltstar.
Was ist denn Ihr unterhaltsamstes Erlebnis mit Stars auf dem Teppich?
Es ist immer sehr lustig mit den Italienern (u. a. Paolo Sorrentino, Matteo Garrone) auf dem roten Teppich, weil sie so gerne flirten. Quasi wenn angefangen wird zu fotografieren, fragt der Erste schon, was man später macht. Ich sag dann immer: »Entschuldigung bitte: Ich bin die Festivaldirektorin!« Ich hatte aber auch eine sehr berührende Begegnung mit dem »Gomorrha«-Autor Roberto Saviano. Seit er den Roman über die süditalienische Mafia geschrieben hat, hat er schon mehrfach Morddrohungen bekommen und steht unter Polizeischutz. Als ich ihn gefragt habe, ob er noch mal so ein Buch schreiben würde, hat er einfach mit »Nein« geantwortet. Das war ein sehr trauriger, persönlicher Moment.
Der CineMerit Award ehrt jedes Jahr herausragende Persönlichkeiten, dieses Jahr Barbara Sukowa. Welche CineMerit-Preisverleihung war bisher für Sie am denkwürdigsten?
Als Emma Thompson 2018 mit dem Award geehrt wurde, haben wir ihr zu Ehren den »Lambeth Walk« aus dem Musical »Me and My Girl« mit Akkordeon, Tube, Bratsche und Gesang gespielt. Emma Thompson saß neben mir. Ich spürte in dem Moment, als die Musik anfing, wie sie auf ihrem Stuhl herumwippte. Plötzlich hat sie ihre High Heels ausgezogen, ist barfuß auf die Bühne gesprungen und hat ihren früheren Gesangspart lauthals mitgesungen. Ein unvergessliches Erlebnis. Als sie das Filmfest besuchte, fragte sie außerdem nach einer Stunde mit mir, damit wir über die Frauenquote sprechen. Sie wollte wissen, was ich im Team dafür tue, damit Frauen gut repräsentiert sind. Das fand ich irre gut, dass wir uns darüber unterhalten haben.
Sie hatten sich sicher viel zu erzählen. Ihre Vorgänger in der Geschäftsleitung waren allesamt Männer …
Ich hatte beim Filmfest das Glück, dass ich sehr gut von meinen Kollegen unterstützt wurde, aber das ist sehr selten. Frauen mit Kind und Kegel müssen oft gucken, wo sie in der noch immer von Männern dominierten Arbeitswelt bleiben. Da geht es nicht nur um Zeitpläne, die man als Mutter nur schwer bewältigen kann, sondern auch um ganz andere Erwartungen. Während meine Kollegen für offizielle Termine nur einen dunklen Anzug brauchen und vielleicht noch einen roten Schal, geht das als Frau nicht. Man kann nicht jeden Tag dasselbe Kleid tragen. Eigentlich müsste man da so etwas wie Kleidergeld einführen.
Ihr Tipp, wie man seine Frau steht?
Frauen dürfen ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen und müssen auf ganzer Linie selbstsicher sein. Und ich kann allen Frauen nur ans Herz legen: Stellt euch niemals nur mit dem Vornamen vor! Das ist unprofessionell. Mir ist schon ganz oft auf der Bühne aufgefallen, dass nur die Männer mit vollem Namen vorgestellt werden. Das geht einfach nicht.
Es gibt auch ein Panel über die Frau ab 40 in Film und Fernsehen. Wie kann man die Situation von Frauen ab einem gewissen Alter verbessern?
Maria und Elisabeth Furtwängler haben schon 2016 die MaLisa-Stiftung gegründet, welche sich für eine freie, gleichberechtigte Gesellschaft einsetzt. Das ist ein guter Schritt. Damit sich in den Köpfen etwas ändert, müssen wir viel mehr über das Thema reden. Ich erinnere mich noch gut an die allerersten Panels beim Filmfest, bei denen Verantwortliche von Fernsehsendern auf der Bühne sagten, dass sie keine Frauen finden, die »Tatorte« schreiben. Die Autorin Dorothea Schön ist damals einfach aufgestanden und hat die Herren darauf hingewiesen, dass sie bereits zwei »Tatorte« in der Schublade habe und zudem noch fünf weitere schreibende Kolleginnen kenne. Bei Schauspielerinnen ab 40 ist das jetzt eine ähnliche Situation. Sie werden zu wenig unterstützt und haben es daher schwerer. Der Wandel muss von innen kommen, deswegen sind solche Veranstaltungen auch so wichtig. Wir sprechen aus den gleichen Gründen auch über Antidiskriminierung, Queerness und Inklusion in anderen Panels. All das sind Themen, für die wir uns seit Jahren einsetzen.
In den Rahmenveranstaltungen haben Sie einen klaren Fokus auf Künstliche Intelligenz. Wo geht die Entwicklung im Filmbusiness hin?
Gerade bei visuellen Prozessen und in der Postproduktion spielt die KI schon lange eine große Rolle. Bei der Weiterführung der »Pumuckl«-Serie zum Beispiel hat Maxi Schafroth die Stimme von Pumuckl eingesprochen, digital bearbeitet klingt sie wie Hans Clarin. In den Panels geht es uns darum, wie sich KI auf die Kreativität auswirkt und welche neuen Möglichkeiten es gibt, um Produktionsprozesse zu optimieren.
Das Filmfest München macht sich für »Neues Deutsches Kino« stark. Wo steht der deutsche Film momentan und was sehen wir beim Filmfest München?
Das deutsche Kino hat mittlerweile eine sehr große Bandbreite. Jährlich werden weit über 200 TV-Filme und über 200 Kinofilme produziert. Da eine Auswahl zu treffen ist schwer. Mein Geheimtipp: Moritz Springers »Das Kombinat«. Für die Doku über solidarische Landwirtschaft hat er zwölf Jahre lang das Kartoffelkombinat mit der Kamera begleitet. Das ist schon eine Preziose.
Sie eröffnen das Filmfest mit der Culture-Clash-Komödie »The Persian Version«. Ist das schon ein Ausblick auf das Festival?
Auf jeden Fall! Der Eröffnungsfilm trifft den grundsätzlichen Ton und die Stimmung des Festivals ganz gut. Er ist lustig und er bringt verschiedene Kulturen zusammen. Regie hat eine iranische Frau geführt und es werden 30 Leute vom Team anreisen. Auch wir reisen viel und besuchen Festivals in der ganzen Welt, um unser Best-of-Programm zusammenzustellen. Viele Zuschauer, Journalistinnen und Journalisten schätzen es sehr, dass sie bei uns Cannes, oft auch den Gewinner der Goldenen Palme in Cannes, nachschauen können. Zuletzt war das Bong Joon-ho, der später mit »Parasite« dann auch noch einen Oscar gewonnen hat.
Sie klingen sehr begeistert und dennoch verlassen Sie das Filmfest München …
Man sollte einfach gehen, wenn es am schönsten ist. Für mich waren die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens im letzten Oktober und jetzt der vierzigjährige Geburtstag des Festivals ein krönender Abschluss meiner Karriere beim Filmfest München. Nach dem Filmfest werde ich eine Weile verreisen und dann werden wir uns sicher irgendwo in der Branche wiedersehen. Aber in der Hand von Christoph Gröner wird es das Filmfest gut haben.
Was wünschen Sie ihm und dem Festival?
Ich wünsche dem Filmfest weiterhin eine hohe Sichtbarkeit und Christoph Gröner viel Erfolg mit dem Team und ein gutes Gelingen, mit den Budgets umzugehen. Das ist viel Arbeit und es gehört sehr viel Fingerspitzengefühl dazu.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.