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Kulturpolitik in Berlin: Pankower Theater unter Dach und Fach

Das Kulturareal am Berliner Thälmannpark kann dank sechs Millionen Euro Zuschuss vom Bund endlich saniert werden

Braucht eine Sanierung, bekommt eine Sanierung: Das letzte verbliebene kommunale Theater eines Berliner Bezirks samt Galerie im Parterre und Konzerthalle im Gebäude dahinter
Braucht eine Sanierung, bekommt eine Sanierung: Das letzte verbliebene kommunale Theater eines Berliner Bezirks samt Galerie im Parterre und Konzerthalle im Gebäude dahinter

Neun Jahre lang organisierte Regisseur Thorsten Schlenger in Berlin das Kunstfestival »48 Stunden Neukölln«. 2021 wechselte er an das Theater unterm Dach im Bezirk Pankow. Die Kollegen fürchteten, der neue Leiter werde sicher seine eigenen Leute mitbringen, wie es in der Szene üblich ist. Doch Schlenger machte ihnen glaubhaft, dass dies nicht sein Stil sei und dass er sie keineswegs loswerden wolle. Allerdings müssen bald alle zusammen raus, aber nur vorübergehend.

Das Theater unterm Dach und die Galerie Parterre sind in einem historischen Gebäude untergebracht, das 1986 vom alten Gaswerk im damals neu eröffneten Ernst-Thälmann-Park übrig geblieben ist. Jetzt muss dieses Backsteingebäude dringend saniert werden, genauso wie die 1986 eröffnete kleine Konzerthalle »Wabe« direkt dahinter. Auch das dritte Gebäude des Kulturareals, in dem sich Kunstwerkstätten befinden, benötigt eine Auffrischung. Aber dafür fehlen momentan noch die Mittel.

Es ist schon ein Erfolg, dass nun immerhin die Finanzierung für Baumaßnahmen am Domizil von Theater und Galerie sowie an der »Wabe« gesichert ist. Rund 20 Millionen Euro wird es kosten. 13,5 Millionen Euro bringt der Bezirk Pankow auf. Sechs Millionen Euro bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestags im März aus dem Programm »Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur«.

Das Kulturareal hatte Glück, mit der maximal möglichen Fördersumme von sechs Millionen Euro bedacht zu werden. 200 Millionen Euro werden insgesamt ausgereicht. 68 Projekte bundesweit bekommen von dieser Summe etwas ab. Aus Berlin erhielt neben dem Kulturareal nur noch der Ersatzneubau eines Mädchenzentrums im Ortsteil Wedding einen Zuschuss. 5,3 Millionen Euro lässt der Bund dafür springen. Der Bedarf ist riesig und kann aus dem Bundesprogramm nicht ansatzweise gedeckt werden. Es lagen Anträge im Gesamtumfang von 2,55 Milliarden Euro vor.

Die 200 Millionen Euro sind für die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (Linke) »ein Tropfen auf den heißen Stein«. Sie vergleicht und bedauert: »Die Bundeswehr hat für 1,5 Milliarden Euro Funkgeräte gekauft, die nicht eingebaut werden können, weil sie nicht in die Fahrzeuge passen.« Derweil verfalle die soziale Infrastruktur. Lötzsch lässt sich in Pankow zeigen und erklären, wie das Kulturareal nun umgestaltet werden soll. Privat hat sie schon einige Konzerte in der »Wabe« erlebt. Wenn sie sich jetzt umsieht, fällt ihr der Sanierungsbedarf sofort ins Auge.

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Einen noch ganz guten Eindruck macht die Galerie im ehemaligen Kontorsaal des Gaswerks. »Hier wurde Koks verkauft«, erläutert Michael Stein, Sanierungsprojektleiter bei der gemeinnützigen Gesellschaft für Stadtentwicklung. Beim Umbau zum Klubhaus sind in der DDR Deckenelemente und Säulen aus Gipskarton eingezogen worden. Das stört heute bei der Präsentation der Werke aus den Kunstsammlungen Pankow. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss extra deswegen, die Denkmalschutzbehörde möge eine Ausnahme machen und die Entfernung des Gipskartons erlauben.

Nur 2,95 Meter hoch ist die Decke im Saal des Theaters unterm Dach. »Das ist für ein Theater eine Herausforderung, besonders für die Beleuchtung«, weiß Regisseur Schlenger. Bei den anstehenden Bauarbeiten sollen 1,50 Meter dazugewonnen werden, und es soll ein zusätzlicher Probenraum entstehen. Außerdem vorgesehen: Eine Schalldämmung zwischen den Geschossen, damit sich das Theater oben, die Jugendtheateretage direkt darunter und die Galerie im Paterre nicht mehr wegen der Aufführungen abstimmen müssen. Die Scheinwerfer gehören noch zur Erstausstattung und auch die Tontechnik stammt aus DDR-Produktion. In einem großen Theater wären fast 40 Jahre alte Geräte ein Ding der Unmöglichkeit, bestätigt Projektleiter Stein. Hier gehe es nur noch gerade so, weil sich das Personal damit auskenne und Reparaturen selbst erledige. Stein hofft, dass die Senatskulturverwaltung 1,5 bis 2 Millionen Euro für neue Technik spendiert. »Dann hätten wir die Finanzierung für die Sanierung rund.« Moderne Scheinwerfer würden weniger Strom verbrauchen und den Saal nicht mehr so aufheizen.

Loslegen sollen die Bauarbeiter im Jahr 2025 hinten bei der »Wabe«. Sie wird über der Konzerthalle, wo jetzt nur Büros sind, ein Lager für die Kunstsammlungen erhalten. Danach kommt das historische Haus vorn am Eingang dran. 2028 soll alles fertig sein. Die einzelnen Nutzer müssen nicht die ganze Zeit raus, sondern nur für die Phase, in der ihre Räumlichkeiten dran sind. Regisseur Schlenger führt schon Gespräche über Ausweichspielstätten. »Ich mache dann Theater unter einem anderen Dach«, kündigt er an. Die vorübergehende Unbequemlichkeit nimmt er gern in Kauf. »Dank Sanierung werden wir hier wirklich viel bessere Bedingungen haben.« 75 Zuschauer fasst der Theatersaal. Es sei das letzte kommunale Theater in Berlin, das sich ein Bezirk noch leistet, sagt Schlenger. Bei zehn bis zwölf Premieren im Jahr kann er Schauspieltruppen je sieben bis 14 Vorstellungen ermöglichen. Da lohnen sich die Produktionen schon eher als bei den drei bis vier Vorstellungen, die in der freien Szene üblich sind. »Es gibt sonst höchstens noch mal eine Anschlussförderung für drei bis vier weitere Vorstellungen, aber dann ist finito«, beschreibt Schlenger die vorherrschenden Zustände.

20 000 bis 25 000 Gäste im Jahr zählt das Kulturareal, das zusammen mit den Wohnhochhäusern, der Parkanlage und dem Ernst-Thälmann-Denkmal des sowjetischen Künstlers Lew Kerbel als eine Ikone des sozialistischen Städtebaus anzusehen ist. Allein 180 Veranstaltungen im Jahr entfallen auf die »Wabe«, in der vor allem Konzerte gegeben werden. Bis zu 400 Leute passen in den sechseckigen Saal. »Von Jazz bis Rock ist alles dabei«, beschreibt Leiter Marc Lippuner das Programm. »Vor allem nehmen wir die Musik mit herein, die auf kommerziellen Bühnen nicht so die Chance hat.«

Lippuner wirbt für die einzelnen Termine mit je 1000 Flyern, die etwa in den Bürgerämtern und in der Volkshochschule ausgelegt werden. »Guerilla-Marketing machen wir nicht«, sagt Lippuner. Er muss schmunzeln. Wenn er als im öffentlichen Dienst Beschäftigter mit einem Eimer Leim erwischt werden würde, wie er Plakate an Stromkästen klebt, »das käme nicht so gut an«. Drei fest Angestellte hat die »Wabe«. Wenn Lippuner auf einen zusätzlichen Tontechniker zurückgreifen könnte, würde er noch mehr Veranstaltungen hinbekommen und den Lohn für diesen Fachmann damit einspielen.

»Wir haben das durchgerechnet«, bestätigt die Pankower Kultur-Fachbereichsleiterin Tina Balla. Überlegt haben sich die Verantwortlichen auch, dass es für einen lebendigen Begegnungsort einen Anbau für die Gastronomie brauche. Der soll im Zuge der Sanierung an die »Wabe« drangesetzt werden. Testweise stehen diese Saison für Gäste schon mal Tische und Bänke an der betreffenden Stelle. Balla bezeichnet das Kulturareal als »großen Schatz«, der bewahrt werden müsse.

Pankows Linksfraktionschef Maximilian Schirmer hat die »Wabe« schon als Jugendlicher kennengelernt. Den Ort zu erhalten sei wichtig, vor allem seit der Knaack-Klub und der Magnet-Klub 2010 aufgegeben haben. Beim Knaack-Klub hatten sich neue Nachbarn über laute Musik beschwert. Aber der leiser gedrehte Ton gefiel den Stammgästen gar nicht.

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