Trotz Dorn und dicker Schale

Mit ihrem säuerlich-herben Geschmack empfehlen sich Stachelbeeren für sommerliche Desserts

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 5 Min.
Die gelben und rötlichen voll gereiften Stachelbeeren sind im Handel eher selten zu finden.
Die gelben und rötlichen voll gereiften Stachelbeeren sind im Handel eher selten zu finden.

An jedem ersten Sonntag im Juli begehen die Menschen in Galmpton und anderen kleinen Orten in Großbritannien ein Fest anlässlich der Stachelbeeren-Ernte. Tatsächlich gehören die Engländer zu den leidenschaftlichsten Stachelbeeressern. Ihnen folgen Skandinavier, Normannen und die Titelheldin aus Hans Webers in DDR und BRD vielfach aufgelegtem Jugendroman »Meine Schwester Tilli«. Für den Heißhunger auf Stachelbeeren gibt es einen Grund, der einleuchtet. Voll ausgereift schmecken sie fast so süß wie die südlich beheimateten Weinbeeren. Dennoch bleiben sie in ihrem Zuckergehalt bei mäßigen sieben Gramm auf hundert Gramm.

Daher sind Stachelbeeren wie die eng verwandten Johannisbeeren auch für Menschen mit Zuckerkrankheit gut geeignet, wohingegen von Weintrauben mit ihrem hohen Zuckergehalt von vierzehn Prozent bereits bei Mengen von mehr als 50 Gramm abgeraten werden muss.

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Die Stachelbeere, botanisch Ribes grossularia, wächst an meist buschigen Sträuchern. Die Bezeichnung Stachel ist nicht ganz korrekt, aus botanischer Sicht handelt es sich um Dornen, die aus den Stängeln herauswachsen. Je nach Sorte reifen die behaarten, oft derbschaligen runden bis eiförmigen Beeren zwischen Juni und August heran. Ursprünglich stammen sie aus dem Gebiet des Himalayas und waren in Eurasien und Nordafrika auch in Mittelgebirgslagen bis zu einer Höhe von 1500 Metern verbreitet. Im 15. Jahrhundert – hauptsächlich in Klostergärten kultiviert – wurden sie auch Klosterbeeren genannt. Weitere Trivialnamen sind Heckenbeere oder Krausbeere.

Heute erfolgt der Anbau in Ländern der gemäßigten Klimazone wie Polen, Ungarn, den Niederlanden, Russland, Finnland und mit besonderer Liebe in England, wo die Früchte »Gooseberry« (Gänsebeeren) heißen. Der Name für die Sorte »Early Green Haire«, eine »Frühe, Grüne, Behaarte« zeugt von dieser Begeisterung.

Frisch gepflückt liefern Stachelbeeren reichlich Vitamin C und B6, die rötlichen und gelben Sorten darüber hinaus wichtige Nährstoffe für die Augen wie Carotin und Lutein. Außerdem enthalten die Beeren das Element Silizium, welches Haut und Bindegewebe kräftigt, sowie die Mineralstoffe Magnesium, Kalium, Zink und Mangan. Je nach Reifegrad variiert der Gehalt an Pektin, das die Darmgesundheit fördert.

Unreif geerntete Stachelbeeren haben mehr Pektin als reifere, was für die Verarbeitung zu Konfitüre geschätzt wird. Außerdem sind Stachelbeeren kurz vor ihrer Vollreife bei Temperaturen von zwei Grad Celsius länger lagerfähig, weshalb meist nur diese leicht säuerlichen Beeren in den Handel kommen. Geschmack, Aroma und Vitamingehalt der grün geernteten Stachelbeeren sind verglichen mit denen im eigenen Garten voll gereiften nur halb so gut, aber für die Stadtbevölkerung dennoch wertvoller als beispielsweise aus Neuseeland oder Südamerika importierte, stets unreif geerntete Äpfel für den Zeitraum Juli, wo in Mitteleuropa Beerenzeit ist. Daher haben die ab Mitte Juni verkauften Stachelbeeren als regionale Frucht durchaus ihre Bedeutung, auch wenn sie nach dem Pflücken kaum nachreifen.

Ein Problem für den Anbau von Stachelbeersträuchern besteht darin, dass sie sehr anfällig für die eingeschleppte Pilzerkrankung »Amerikanischer Stachelbeermehltau« sind. Bereits in den 1970er Jahren bemühten sich Obstgärtner in verschiedenen Ländern, mehltauresistente Sorten zu züchten. Feuchtwarme Witterung, das typische Treibhausklima, bedingt durch die Erwärmung der Erdatmosphäre und damit einhergehender Verdunstung, machen die Stachelbeersträucher anfälliger für Mehltau, der die Blätter mit einem weißlichen Belag überzieht.

Als besonders erfolgversprechend gegenüber der Pflanzenkrankheit erwies sich eine Kreuzung aus Stachelbeere und Schwarzer Johannisbeere. Dazu gab es in den 1970er Jahren erste Versuche in Ungarn, Westdeutschland und in der DDR. So entstanden Sorten mit sprechenden Namen wie etwa Josta, Jochelbeere oder Jocheline. Eine entsprechende ungarische Sorte erhielt den Namen Rikö. Diese entstand aus den Elternsorten »Lady Delamere« und »Silvergieters Schwarze«. Die Beeren vereinen das Beste aus beiden Arten. Sie sind etwas größer und süßer als Schwarze Johannisbeeren und enthalten dennoch mehr Vitamin C, verglichen mit der ursprünglichen Stachelbeere. Auch der besonders wertvolle blau-schwarze Farbstoff sowie Rutin für die Beinvenen sind in den Jochelbeeren vorhanden.

Zu guter Letzt sind auch die schönen, handförmigen, drei- bis fünflappigen Blätter des Stachelbeerstrauchs sowie seiner verschiedenen Verwandten für die Gesundheit zu verwenden. Wenn die Ernte der Beeren abgeschlossen ist, können die Blätter im Rahmen des herbstlichen Strauchschnitts abgeschnitten und getrocknet werden. Als Tee gebrüht, helfen sie den Nieren und der Blase dabei, Harnsäure besser auszuscheiden. Damit beugen sie der Bildung von Harnsäuresteinen sowie Rheuma- und gichtartigen Gelenkbeschwerden vor. Zwei bis drei Tassen einer Teemischung aus Stachelbeerblättern und Brennnessel können zur Vorbeugung und Linderung bei solchen Leiden jeden Tag getrunken werden. Die Rinde der Stachelbeerzweige kann circa 20 Minuten ausgekocht und gegen Entzündungen im Mund eingesetzt werden.

Die Stachelbeeren selbst eignen sich für Kuchen, Obstsalate, Desserts, Eiscreme, als Saft, Limonade und vieles mehr. Zum Stachelbeerkompott wird gerne Schlagsahne oder eine vegane Vanillecreme serviert. Auch Likör und Wein aus den Josta-Beeren sind beliebt. In Großbritannien werden Stachelbeeren gerne mit Pfefferminze kombiniert. Eine Stachelbeer-Minz-Soße wird dort traditionell zu Fisch wie Makrele oder gebratenem Fleisch gereicht. Modern interpretiert könnte die englische Gooseberry-Mint-Sauce bestimmt auch zu knusprig gebratenem Räuchertofu oder vegetarischen Frikadellen gereicht werden.

So verwundert es nicht, dass der Stachelbeerstrauch auf der Onlinedatenbank »Plants For A Future« als erhaltenswert gelistet wird. Die gleichnamige britische Non-Profit-Organisation fördert Gartenbau-Forschung und pflanzt auch bestimmte Stachelbeersorten versuchsweise in Südwest-England an.

Rezept: Stachelbeer-Eiscreme

300 Gramm Stachelbeeren von den stachligen Enden befreien, halbieren, mit einem Päckchen Vanillezucker und einem Esslöffel Zucker Saft ziehen lassen, mit 200 Gramm Joghurt vorsichtig und kurz pürieren, abschmecken, 100 Gramm geschlagene Sahne unterheben, in eine Gefrierbox geben und circa zwei Stunden gefrieren lassen, beim Gefrierprozess halbstündlich umrühren.  anu

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