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Kita-Streik in Berlin: »Eine Flut von Falschinformationen«

Verdi kritisiert Agieren der Arbeitgeber

  • Interview: Christian Lelek
  • Lesedauer: 5 Min.
Beschäftigte der Kita-Eigenbetriebe am 6. Juni, dem ersten Streiktag, vor dem Abgeordnetenhaus
Beschäftigte der Kita-Eigenbetriebe am 6. Juni, dem ersten Streiktag, vor dem Abgeordnetenhaus

Für Donnerstag ruft Verdi die Beschäftigten der landeseigenen Kita-Betriebe erneut zum Warnstreik auf. Vorab haben die Kita-Eigenbetriebe Schreiben an Beschäftigte und Eltern verschickt. Verdi macht darin »Falschinformationen« aus, die verunsichern und »Stimmung gegen die Streiks und die streikenden Kolleg*innen« schüren. Worum geht es genau?

Es sind Schreiben im Umlauf, in denen die Geschäftsleitungen mehrtägige Streiks durch Verdi für diese Woche ankündigen. Geplant ist unsererseits allerdings nur der Warnstreiktag am Donnerstag, bei dem die Kitas dichtgemacht werden sollen. Durch diesen Rollentausch – eigentlich kündigt die Gewerkschaft die Arbeitskämpfe an – und die Falschinformation entstand der Eindruck, Verdi informiere nicht über das Ausmaß von möglichen Kita-Schließungen. Das hat viele Eltern verwirrt und besorgt. Es besteht der Eindruck, dass der Streik diskreditiert werden soll.

Darüber hinaus sind Streikinformationen vom Arbeitgeber an die Beschäftigten im Umlauf. Wie sind diese Schreiben zu bewerten?

Grundsätzlich ist es richtig, dass ein Träger seine Beschäftigten über ihre Rechte und Pflichten im Streik informiert und die entsprechenden Abläufe im Rahmen des Streikrechts organisiert. Wir sehen in den Schreiben zugleich eine derartige Flut von Falschinformationen, dass sich die Frage aufdrängt, ob hier willentlich das Streikrecht beeinflusst werden soll.

Interview

Tina Böhmer ist bei Verdi zuständige Sekretärin für die Kita-Eigenbetriebe von Berlin. Der »Tarifvertrag pädagogische Qualität und Entlastung« soll den Betreuungsschlüssel in den landeseigenen Kitas verbessern, was die Qualität der pädagogischen Arbeit sichern, den Beruf attraktiver machen und für eine höhere Personaldichte sorgen soll.

Um welche Falschinformationen geht es?

Ein Schreiben von Kindergärten City suggeriert, dass Beschäftigte ihre Streikbeteiligung vorab melden müssen. Das entspricht nicht dem Streikrecht. Weiterhin wird behauptet, dass in Fällen, in denen eine der Kitas geschlossen wird, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall möglich ist. Das erweckt den Eindruck, als wären die Kolleg*innen im Streikfall nicht krankenversichert. Das ist falsch. Und der dritte Punkt betrifft die Schließung der Einrichtung und die Art, wie sie erfolgt. Anders als in einigen Schreiben behauptet, muss die Leitung der Geschäftsführung zwar vorab mitteilen, wenn sie die Einrichtung schließt, sie ist aber nicht verpflichtet, die Notbetreuung zu organisieren. Das Ganze ist kompliziert, denn selbst wenn eine Leitung davon ausgeht, dass am Streikmorgen fünf Erzieher*innen mit ihr vor Ort sind, kann es sein, dass sie alleine dasteht. Denn Beschäftigte können sich noch am Morgen des Streiktags spontan zum Streik entschließen. Daher empfiehlt Verdi, die Kita gleicht dichtzumachen.

Wie ordnen Sie dieses Vorgehen der Arbeitgeber ein?

Es verunsichert und hat damit natürlich Auswirkungen auf den Arbeitskampf, wenn sich die Beschäftigten nicht mehr sicher sind, ob sie wirklich streiken dürfen und welche Verantwortung sie haben und welche der Träger hat. Es wird ein Klima der Angst geschürt, das der Sache nicht zuträglich ist. Die Kolleg*innen, die sich am Arbeitskampf beteiligen, brennen für ihren Job und wollen die Bedingungen verbessern, eben im Sinne der Kinder. Wir würden uns wünschen, dass die Geschäftsleitungen das anerkennen und ihre Beschäftigten unterstützen.

Was raten Sie Beschäftigten, die in der Folge an einer Streikteilnahme zweifeln?

Solche Maßnahmen zielen auf die Einzelnen und deren Angst. Gegen diesen Druck hilft das Zusammenstehen als Gemeinschaft, in der Gewerkschaft. Abgesehen davon ist das Recht auf der Seite der Streikenden. Es ist wichtig, dass die Kolleg*innen miteinander in ihren Einrichtungen im Gespräch sind, dass der Tarifvertrag ihre Arbeitsbedingungen verbessern wird und den Kindern zugutekommt, und sich dafür einzusetzen genau das ist, was ihnen auf lange Frist ermöglicht, den Job gemäß ihrem professionellen Anspruch weiterzuführen.

In einem Schreiben weist Kindergärten City Mitarbeitende an, »jegliche gewerkschaftlichen Aktivitäten von kitaexternen Personen in unseren Kitas« zu untersagen. Sind Ihnen im Rahmen der Vorbereitungen des Arbeitskampfes derlei Vorkommnisse aufgefallen?

Grundsätzlich ist Gewerkschaftsarbeit durch das Grundgesetz geschützt, entsprechend haben wir Zugang zu Betrieben, in denen Verdi als Gewerkschaft vertreten ist – das ist in allen landeseigenen Kitas der Fall –, solange wir den Betriebsablauf nicht stören. Die Arbeitsbedingungen sind ein heißes Thema, über das sich die Kolleg*innen engagiert austauschen. In der Regel freuen sich die Kolleg*innen, wenn wir sie vor Ort informieren und aufklären. Wir passen uns immer der jeweils aktuellen Lage in der Einrichtung an. Wenn es nicht passt, passt es nicht. Bislang haben wir von keinen Besuchen mitbekommen, bei denen mit Verweis auf das Hausrecht der Zutritt verwehrt wurde. Es ist aber stark davon auszugehen, dass durch die Message »Schmeißt im Zweifelsfall die Verdi raus« Kita-Leiter*innen in die Richtung gedrängt werden, Gespräche einzuschränken.

Bisher sperrt sich der Senat gegen Verhandlungen. Hat sich daran seit dem ersten Streiktag etwas geändert?

Im Ergebnis des Arbeitskampfes gab es ein Gespräch mit der Bildungssenatorin und eine Gesprächsvereinbarung mit dem Bürgermeister für Ende August. Das ist ein kleiner Schritt, ersetzt aber in keinem Fall handfeste Verhandlungen. Eine Bereitschaft zu solchen ist bislang nicht zu erkennen.

Vom entscheidenden Mann, Finanzsenator Stefan Evers (CDU), gibt es nichts Neues?

Nein.

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