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Organisations-Weltmeister: Deutschland verliert Titel bei der EM

Mit ihrem Mobilitätspaket wollten die EM-Organisatoren punkten. Bislang gelingt das nicht

Stundenlanges Warten: Fans in Gelsenkirchen regten sich über volle Züge und Bahnsteige auf.
Stundenlanges Warten: Fans in Gelsenkirchen regten sich über volle Züge und Bahnsteige auf.

Wenn 24 Nationen an einem Ort zusammenkommen, treffen auch jede Menge Klischees aufeinander. Pünktlich und gründlich sollen die Deutschen sein, heißt es. Und so bekamen sie schon vor dieser Fußball-EM einen Titel verliehen. »Ihr seid Organisations-Weltmeister«, lobte Martin Kallen. Der Geschäftsführer Uefa Events erwähnte bei der Gelegenheit auch ausdrücklich das Mobilitätspaket. Ahnen Sie es schon? Ja, es kommt auch in diesem Fall anders, als man denkt.

Fragen kostet nichts. In Düsseldorf bekommt man dafür von fast jedem Volunteer sogar noch ein Lächeln geschenkt. Und ein Schulterzucken. Von einer alternativen Abreise vom Stadion zum Hauptbahnhof weiß hier niemand. Also zurück zur Haltestelle der Stadtbahn? Auf keinen Fall. Die Zugänge über Brücken von beiden Seiten sind schon dermaßen voll, dass einige Menschen aus der Masse tatsächlich nach Hilfe von den unten stehenden Polizisten rufen. Diesmal gibt es ein uniformiertes Schulterzucken als Antwort. Die Angst im Gedränge wird nicht kleiner, von hinten drücken die Nachkommenden.

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Wer kommt nur auf die Idee, fast 50 000 Menschen von einer viel zu kleinen Haltestelle in nur zweiwagigen Bahnen in der Größe einer Berliner Straßenbahn zu befördern? Jemand muss sich das ausgedacht haben, denn Düsseldorf ist kein Einzelfall. In Gelsenkirchen geschah genau das Gleiche. Und weil neben dem Nahverkehr auch die Deutsche Bahn zum Mobilitätspaket gehört, steckten Tausende englische Fans noch Stunden nach dem Abpfiff am Hauptbahnhof fest.

Hunderte Österreicher hatten mit dem Mobilitätspaket erst zur zweiten Halbzeit das Düsseldorfer Stadion erreicht. Jetzt kommen sie nicht weg. Ein Blick auf die Uhr: immer noch eine gute Stunde Zeit, bis der Zug zurück nach Berlin fährt. Ein Blick aufs Handy: Er fährt pünktlich. Das schaffen in der Regel nur zwei Drittel der DB-Züge. Warum dieser? Noch ein Blick aufs Handy: anderthalb Stunden Fußweg. Ich laufe trotzdem los. Nicht ganz allein, aber fast – es soll ja hier nichts geben. Eine Viertelstunde später steige ich ein – in einen leeren Bus, der zumindest in die richtige Richtung fährt. Dahinter stehen noch einige andere leere Busse, weil niemand von ihnen weiß.

Noch ein guter Tipp vom Busfahrer, und ich stehe pünktlich am Bahnsteig. Ahnen Sie es schon? Ich komme auch pünktlich in Berlin an, wirklich! »Lächerlich!« »Absolutes Chaos!« So etwas sagen jetzt die Engländer über den Organisations-Weltmeister. Aber gründlich, das sind wir Deutschen noch immer: Um auch wirklich sicherzugehen und nichts außer Acht zu lassen, wurde extra die Einführung des für 2030 geplanten Deutschlandtaktes der Bahn verschoben – um 40 Jahre!

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