Prozess gegen Höcke: Rache statt Reue

Der AfD-Rechtsaußen stand erneut wegen Verwendens der verbotenen Nazi-Parole »Alles für Deutschland« vor Gericht

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Björn Höcke, Vorsitzender der Thüringer AfD, am Mittwoch im Landgericht Halle/Saale.
Björn Höcke, Vorsitzender der Thüringer AfD, am Mittwoch im Landgericht Halle/Saale.

Der Staatsanwalt fühlte sich an »Säuberungen der Justiz« erinnert, wie einst im Nationalsozialismus oder in der DDR. »Statt Einsicht und Reue zu zeigen, kündigt der Angeklagte einen persönlichen Rachefeldzug gegen am Verfahren beteiligte Justizangehörige an«, sagte Benedikt Bernzen am Mittwoch im Landgericht von Halle an der Saale. Angeklagt ist AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Und das Verfahren ist der zweite Prozess, in dem sich der thüringische Partei- und Fraktionsvorsitzende wegen Verwendens der Parole »Alles für Deutschland« der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) stellen muss.

Erst im Mai war der 52-Jährige zu einer Geldstrafe von 13 000 Euro (100 Tagesätze à 130 Euro) verurteilt worden, weil er einen Auftritt in Merseburg in den Ausruf hatte gipfeln lassen: »Alles für unsere Heimat! Alles für Sachsen-Anhalt! Alles für Deutschland!«. Jetzt dreht es sich um eine AfD-Veranstaltung in Gera im Dezember 2023, bei der Höcke die rund 300 Besucher*innen gestisch aufgefordert haben soll, die von ihm nur begonnene Losung der paramilitärischen NS-Schlägertruppe zu komplettieren. Was etliche dann auch taten.

»Statt Einsicht und Reue zu zeigen, kündigt Höcke einen Rachefeldzug gegen Justizangehörige an«

Benedikt Bernzen Staatsanwalt

Im ersten Prozess hatte Höcke noch beteuert, dass er die Worte »Alles für Deutschland« selbstverständlich nicht benutzt hätte, wenn er ihren Hintergrund als Wahlspruch der SA gekannt hätte. Die Strategie scheiterte, weil die Strafkammer ihm diese Ahnungslosigkeit nicht abnehmen wollte. Diesmal schaltete der Spitzenmann des völkischen AfD-Flügels deshalb von Anfang an auf Angriff. Der Prozess sei eine »Farce«, er sei »völlig unschuldig«, wisse aber, dass er trotzdem verurteilt werde. Weil er nämlich an seiner Arbeit »als Oppositionspolitiker« gehindert werden solle.

Was den Staatsanwalt zu seiner scharfen Reaktion veranlasste, war indes ein Video, das Höcke nach dem ersten Verhandlungstag in den sozialen Medien veröffentlicht hatte. Darin schimpfte er über »Maulkorbparagrafen«, die ihm und der AfD »den Einsatz für dieses Land unmöglich machen« sollen. Zur Klarheit: Es geht um das Verbot, nationalsozialistische Symbole zu verwenden. Und dann drohte er noch: »Wenn die AfD an der Regierung ist, dann werden diese politischen Schauprozesse aufgearbeitet. Dann wird es wieder eine neutrale Justiz geben.« Auch wenn Höcke die Deutung als »infam« zurückwies: Es liegt nicht allzu fern, hier an Säuberungen zu denken.

Den Anklagevorwurf nennt er im Video »trivial«, die verbotene Losung einen »Alltagsspruch«. Dennoch bestritt er vor Gericht, das Publikum in Gera zum Rufen der Parole animiert zu haben: »Ich habe nicht damit gerechnet, dass einige aus dem Auditorium das vollenden.«

Keinerlei Aufforderung also? Im Video der AfD-Veranstaltung wirkt das anders. Nach einer Rede, in der Höcke zur Begeisterung seines Publikums die millionenfache »Remigration« auch von Menschen mit deutschem Pass fordert, klagt er über den anstehenden ersten Prozess in Halle. Er wiederholt, was er in Merseburg gesagt hat, bricht aber nach dem letzten »Alles für« ab, macht eine ausholende Bewegung mit dem linken Arm. Als der Saal »Deutschland« brüllt, lächelt er – und wiederholt die Geste noch zweimal.

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Höckes Verteidiger argumentieren nun, dass »Alles für Deutschland« gar keine zentrale Parole der SA gewesen sei. Zum Beweis legten sie eine Stellungnahme des geschichtsrevisionistischen Historikers Franz Seidler vor und beantragten Gutachten, für die sie als mögliche Sachverständige drei Geschichtsprofessoren vorschlugen, die sämtlich als mindestens rechtskonservativ gelten. Einer war sogar mal AfD-Mitglied. Die angeblich politisch gelenkte Staatsanwaltschaft zeigte sich hinsichtlich einer möglichen Voreingenommenheit da deutlich sensibler: Ein vom Gericht bereits geladener Experte für die Geschichte der SA wurde kurzfristig wieder abbestellt – nachdem die Anklagebehörde darauf hingewiesen hatte, dass er sich in der Öffentlichkeit kritisch über Höcke und die AfD geäußert hatte.

Den Antrag der Staatsanwaltschaft, das Höcke-Video in Augenschein zu nehmen, lehnte das Gericht am Mittwoch als unerheblich ab. Ob ein historisches Gutachten eingeholt werden soll, will die Strafkammer bis Montag entscheiden. Dann wird weiter verhandelt.

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