Ditfurth über Elsässer: Ein arroganter Blender

Jutta Ditfurth kritisierte Jürgen Elsässer schon früh. Im Interview beschreibt sie ihn als prahlerischen, frauenfeindlichen Mann

  • Interview: Gaston Kirsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Jürgen Elsässer bei einer Buchvorstellung im Jahr 2000. Laut Ditfurth war er bereits in jüngeren Jahren selbstgefällig und ruhmsüchtig.
Jürgen Elsässer bei einer Buchvorstellung im Jahr 2000. Laut Ditfurth war er bereits in jüngeren Jahren selbstgefällig und ruhmsüchtig.

Heute ist Jürgen Elsässer vor allem als Gründer und Chefredakteur des rechtsextremen Magazins Compact bekannt. Wann und wie haben Sie ihn kennengelernt?

Seit den 70ern las ich gelegentlich den »Arbeiterkampf« (mittlerweile »Analyse & Kritik«, Anm. d. Red.), die Zeitung des Kommunistischen Bundes (KB). Manchmal schrieb darin ein »Jürgen/Stuttgart« eher bedeutungslose Texte; ein Berufsschullehrer aus Stuttgart, wie ich später erfuhr. Während der sogenannten Wiedervereinigung 1989 gründete ich die Radikale Linke mit. Bei den ersten Treffen waren wir nur etwa ein Dutzend, doch das Projekt wuchs rasend schnell. Irgendwann kam auch Elsässer dazu. Er war ein charakterlich unangenehmer Mann, oberflächlich, sexistisch, angeberisch. Nachträglich behauptet er gern seine Wichtigkeit, aber das sind Legenden.

Spielte er in der Anti-AKW-Bewegung in den 70er Jahren noch keine Rolle?

Ich habe diese frühe Anti-AKW-Bewegung ab 1975 mitaufgebaut. Elsässer habe ich weder in Wyhl, Brokdorf, Grohnde, Malville, Kalkar oder Wackersdorf je gesehen. Aber manche Demos waren groß, vielleicht lief er irgendwo mit.

Interview

Jutta Ditfurth setzt sich als Aktivistin, Politikerin und Autorin seit Jahrzehnten für ökologische, feministische und linke Positionen ein. Sie war Gründungsmitglied der Grünen, verließ die Partei aber bereits 1991.

Ist er Ihnen beim Konkret-Kongress 1993 aufgefallen? Hat er auf Ihre Kritik am Rassimus des Referenten Christoph Türcke reagiert?

Es waren nur vier Menschen, die sofort begriffen haben, dass Türckes Rede zutiefst rassistisch war. Manfred Zieran und ich brüllten empört dazwischen, wie zum Glück auch Bettina Hoeltje und Ingrid Strobl. Meine Güte, wurden wir beschimpft! Sogar politische Freunde verteidigten Türcke. Wir fühlten uns verdammt einsam. Die Kongress-Frage »What’s left?« war beantwortet: wenig Gemeinsames. Das waren die Baseballschlägerjahre, wir fuhren zu Soli-Demos nach Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Danach hielt ich jahrelang Abstand zu »Konkret«.

Hat Elsässer Sie überhaupt als politische Aktivistin ernst genommen? Und später, als er ab 1994 Redakteur bei der »Jungen Welt« war und Sie dort Autorin?

Keine Ahnung.

Okay, schwer zu sagen. Aber war Elsässer jemals selbstkritisch?

Ich habe ihn als einen prahlerischen, ehrgeizigen, frauenfeindlichen Mann erlebt. Bei einigen guten Texten, die er gegen Antisemitismus schrieb, habe ich später herausgefunden, dass er Wesentliches von Jean Améry, Moishe Postone oder Thomas Ebermann abgeschrieben, aber intellektuell nicht verdaut hatte.

Frauenfeindlich war Elsässer also obendrein?

Für Feministinnen war das leicht erkennbar. Da aber Jahre zuvor im KB eine heftige Auseinandersetzung über Sexismus geführt worden war – dort gab es viele tolle Frauen –, hatte er gelernt, vorsichtig zu sein.

In seinem 1998 erschienenen Buch über die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) wollte er die Naziwerdung männlicher Jugendlicher mit der Abwesenheit männlicher Vorbilder in den Familien erklären. Meiner Erinnerung nach wurde deine Kritik nicht nur von ihm ignoriert.

Der Umgang männlicher Linker mit der Arbeit linker Autorinnen ist bis heute nicht wirklich besser geworden. Es wird missachtet, aber geklaut. In diesem Fall kann ich mich nicht mal mehr an meine Kritik erinnern.

Was ist Ihnen an Elsässer besonders aufgefallen?

Das angeberische, witzlose, schwäbisch-geschwätzige und dahinter die große Leere. Einmal klagte er mir sein Leid, er habe zu wenig Geld – Seidenhemden aus Paris würden zu viel kosten. 1996 saßen wir gemeinsam auf einem Podium über Ökologie und die gesellschaftliche Linke in der Humboldt-Uni. Er kam mit einer Rotweinflasche und einem Porzellanteller mit Rinder-Carpaccio auf die Bühne und sagte herablassend, ich solle schon mal anfangen mit meinem Redebeitrag. Ich erwiderte, ich sei so höflich, ihn essen zu lassen. Da saßen wir dann und alle schauten ihm beim Essen zu.

Wann wurde Elsässer Ihrer Meinung nach zum Antisemiten?

Er war immer auf der Suche nach Ruhm und Geld, das trieb ihn an. 1999 agitierte er etwas plump gegen die deutsche Kriegsbeteiligung, es ging um den Krieg gegen Jugoslawien. Dann fand er Kontakt zu serbischen Nationalisten um den Präsidenten Slobodan Milošević, ließ sich einladen, entdeckte Massen, die ihn umjubelten. Das muss für einen wie ihn ein Rausch gewesen sein. Er wurde zum Völkischen und zum Anhänger des antisemitischen Soziologen Alexandr Dugin, der Putin beriet. Er organisierte auch eine sogenannte Volksinitiative gegen das Finanzkapital, die bei der NPD auf großen Beifall stieß. Hans-Peter Büttner hat 2009 auf kritiknetz.de einen sehr empfehlenswerten Text über diese Phase Elsässers geschrieben.

Sie äußerten Ihre Kritik diesbezüglich später.

Ich stolperte erst wieder über Elsässer, als ich im Februar 2014 ein Video sah, in dem er mit Daniele Ganser, dem antisemitischen Schweizer Verschwörungsideologen, und dem ehemaligen Chef der faschistischen Wehrsportgruppe Karl-Heinz Hoffmann darüber diskutierte, ob das Oktoberfestattentat von 1980 vielleicht von deutschen Geheimdiensten inszeniert worden sei. So stieß ich auf die Vorbereitung der antisemitischen »Montagsmahnwachen für den Frieden« unter anderem mit Elsässer und Ken Jebsen. Ich analysierte ihre Texte und Reden und fand ein ausgeprägtes Weltbild des Antisemitismus bei dieser ersten neuen Querfront. Im Lauf des Jahres kam auch Sahra Wagenknecht dazu. Viele Linke übersahen den Antisemitismus und schätzten diese Bewegung falsch ein, auch Bewegungsforscher wie Peter Ulrich.

Und das wollten Sie ändern?

Ja. Um eine öffentliche Diskussion anzuregen, nannte ich Elsässer einen »glühenden Antisemiten«. Er verklagte mich und indem ich mich verteidigte, entstand der Raum für die notwendige Aufklärung. Das Verrückte war dann, dass mir in der zweiten Instanz, dem Oberlandesgericht München, die Bezeichnung Elsässers als »Antisemit« erlaubt wurde, allein auf das »glühend« sollte ich verzichten. Danach wurden mir sämtliche Kosten auferlegt, rund 55 000 Euro, und ich durfte keine Berufung einlegen. Beim Prozess saß der Nazi Karl-Heinz Hoffmann übrigens in der ersten Reihe.

Was müsste über Elsässer und seiner Zeit unter Linken noch gesagt werden?

Er ging den Weg von Horst Mahler, Bernd Rabehl und am Ende ist er auch nur ein deutscher Nazi.

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