In der Verwaltung ...
Traumjob öffentlicher Dienst? Das ist lange passé
Helge Röhe kennt sich als Rechnungsprüfer mit Zahlen, Bilanzen und Finanzen aus. Als Personalrat und Mitglied der »komba«-Gewerkschaft (Kommunalgewerkschaft für Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes) macht er deutlich, dass die Erzählung vom sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst lange schon ins Reich der Arbeitgeber-Märchen gehört.
Die in Schleswig ansässige Kreisverwaltung schafft es schon Jahre nicht mehr, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Ein hoher Kostenfaktor ist unbestritten das Personal. Deshalb greift man zum bekannten Instrumentarium der verzögerten Stellenbesetzung. Der 43-jährige Röhe beobachtet seit geraumer Zeit ein stetes Anwachsen der Aufgaben, in der Regel übertragen von der Bund- und Landesebene. Das bedeutet für alle Beschäftigten Arbeitsverdichtung. »Als eine Folge bleibt ein höherer Krankenstand nicht aus«, sagt der Familienvater.
Wer die geforderten 6,5 Prozent oder monatlich mindestens 200 Euro am dringlichsten benötigt, dass sind laut Röhe die Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich. Dazu gehören Pförtner und Reinigungskräfte, oft nur mit einem Teilzeitvertrag ausgestattet. Unter ihnen finden sich auch einige »Aufstocker«, bei denen der Lohn nicht einmal zur Existenzsicherung reicht. Doch auch der ein oder andere Kollege von Röhe weiß als Pendler angesichts der derzeit in die Höhe schnellenden Benzinpreise, warum die Inflation trotz ansprechender konjunktureller Lage jede kleinere Gehaltserhöhung auffrisst. »Die Stimmung bei uns in der Verwaltung ist da eindeutig: Die Zeit von Nullrunden ist vorbei!« Das Motto der Tarifrunde »Wir sind es wert« hat in Röhes Augen seine absolute Berechtigung. Sein Argument lautet: »Gut bezahlte Beschäftigte sind motivierter und bei der Aufgabenerfüllung effizienter.«
»Der öffentliche Dienst muss zukunftsfähig bleiben«, sagt Röhe auch gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Dafür muss dieser seiner Ansicht nach bei jungen Leuten als attraktiver Arbeitsplatz wahrgenommen werden. Es gibt nach seinen Worten bereits Bereiche, in denen die Bewerberzahlen rückläufig sind. Den Auszubildenden gilt es, eine Perspektive aufzuzeigen. Daher liegt ihm die Forderung an die Arbeitgeber nach unbefristeter Übernahme der Azubis ganz besonders am Herzen.
Röhe war vor zwei Tagen einer von über 10 000 Beschäftigten bei der Warnstreikkundgebung in Kiel. Von den 750 in der Kreisverwaltung Beschäftigten beteiligte sich ein knappes Drittel - längst nicht alle sind in einer Gewerkschaft. »Aber wenn es erforderlich sein sollte, haben wir noch Reserven, die auch auf die Straße gehen werden«, weiß Röhe.
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