Grüne Frau gegen Demokraten und Republikaner
Jill Stein kandidiert bei den Präsidentschaftswahlen gegen Obama und Romney
Mit großer Geschlossenheit kürten die US-amerikanischen Grünen bei ihrem gestern zu Ende gegangenen Parteitag in Baltimore im Bundesstaat Maryland ihre Präsidentschaftskandidatin: Die Ärztin Jill Stein. Die 62-Jährige lebt im Bundesstaat Massachusetts und gilt als Gesundheitsexpertin.
In ihrer Parteitagsrede am Samstag kritisierte Stein den amtierenden Präsidenten Obama und seinen konservativen Herausforderer Romney für ihre Anhängigkeit von Konzernspenden für ihre Wahlkampffinanzierung. »Wir brauchen Staatsdiener, die den Menschen zuhören und nicht den Firmenlobbyisten, die Wahlkampfschecks ausstellen«, sagte Stein und erntete Applaus. Genau »dieses Problem« habe sie zur Green Party geführt, erklärte sie. »Die Green Party ist die einzige landesweit agierende Partei, die nicht mit Konzerngeldern gekauft und aufgekauft wurde«, so Stein.
Als ihre Stellvertreterin stellt sich Cheri Honkala zur Wahl. Die 48-Jährige ist eine bekannte Aktivistin aus Sozialprotesten. Knapp vier Monate vor den Präsidenschaftwahlen haben sich Stein und Honkala in 21 Bundesstaaten für die Wahlzettel qualifiziert. Ein weiteres Dutzend gilt als gesichert. Die Green Party hofft, Anfang November in mindestens 40 von 52 Bundesstaaten wählbar zu sein - was das Maß noch nicht voll macht, aber den Bekanntheitsgrad der Drittpartei sicher erhöhen wird.
Dass auf Posten im Weißen Haus nicht die geringste Chance besteht, ist den Kandidatinnen wie auch den Wählern der Partei klar. Trotzdem erhofft man sich im Präsidentschaftswahlkampf, für Themen wie Krieg und Frieden sowie für eine fortschrittliche Sozial- und Gesellschaftspolitik Gehör zu finden. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 erhielten die Kandidaten der Green Party 0,12 Prozent der Stimmen. 2004 waren es mit 0,09 Prozent noch weniger. Vier Jahre davor hatten der Parteikandidat Ralph Nader und seine Stellvertreterin Winona LaDuke im Rennen zwischen dem Republikaner George Bush und dem Demokraten Al Gore fast drei Millionen Stimmen bzw. 2,74 Prozent erhalten. Ihre Kandidatur wurde von vielen Demokraten damals als »objektive Schützenhilfe« für die Rechten bezeichnet.
Im linken Radioprogramm »Democracy Now« kamen am Freitag mehrere Vertreter der Grünen, darunter auch der deutsche Europaabgeordnete Joachim Denkinger, zu Wort. Denkinger begründete seinen Besuch mit dem »verstärkten Interesse an Grünem und grüner Politik in den USA«. Noch nie sei es »so interessant gewesen, grüner Politik in den USA zu folgen«. Die Grünen seien ein echter Faktor geworden, auf lokaler wie regionaler Ebene. Darüber hinaus gehe es darum, die »transatlantische Brücke zu verstärken«.
Die USA-Grünen haben wie alle anderen Parteien, die sich unabhängig von Demokraten und Republikanern organisieren und zur Wahl stellen wollen, mit dem Problem des Zweiparteiensystems zu kämpfen. Die Abwesenheit der proportionalen Repräsentation benachteiligt kleine Parteien wie kaum anderswo. Dazu kommt die 1987 eingerichtete »Kommission für Präsidentschaftsdebatten«, die die Duelle im Fernsehen kurz vor den Wahlen regelt. Daran darf nur teilnehmen, wer Aussichten auf mindestens 15 Prozent der Wählerstimmen hat.
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