Diese Pappel ist besetzt
Aktionskletterer protestieren in Neukölln gegen den Ausbau der A 100
In den frühen Morgenstunden des gestrigen Montag nahmen Aktionskletterer der Umweltschutzgruppe Robin Wood auf unbestimmte Zeit einen Baum an der Neuköllner Grenzallee in Beschlag. Von einer in den Baumwipfel gezogenen hölzernen Plattform aus entrollten die Besetzer ein Transparent mit der Aufschrift »Gutes Klima – Soziale Stadt – Stopp A 100«.
Am Boden wollen Unterstützer und Sympathisanten eine dauerhafte Mahnwache abhalten, auch um einen offenen Diskussionsraum für Interessierte und Anwohner anzubieten. Mit der Aktion wollen die Aktivisten die Pappel vor der drohenden Rodung schützen und gegen die geplante Verlängerung der Autobahn 100 um drei Kilometer sechsspurige Fahrbahn von Neukölln nach Treptow protestieren. Sie fordern auf den Autobahnausbau zu verzichten und ein generelles Umdenken in der Berliner Verkehrs- und Sozialpolitik.
»Der A 100-Ausbau ist ein rückwärtsgewandtes Bauvorhaben. Zusätzlich zum Millionengrab BER wollen Bund und Berliner Senat für unnütze drei Kilometer Autobahn weitere Millionen Euro versenken. Das ist lediglich ein Geschenk an die Bau- und Verkehrswirtschaft«, kritisiert Peter Schwarz, ein an der Protestaktion beteiligter stadtpolitischer Aktivist.
Die Bauarbeiten zum Ausbau der Trasse beginnen planungsgemäß im Frühjahr 2013. Der symbolische Spatenstich durch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Berlins regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) soll spätestens im Februar erfolgen. Während die Räumung zweier Mietshäuser in der Treptower Beermannstraße noch aussteht, sind bereits mehrere Kleingartenkolonien abgerissen sowie Grünflächen gerodet worden. Auch das könne in unmittelbarer Nähe zum Aktionsort besichtigt werden, hieß es seitens der Aktivisten.
Im Oktober 2012 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Klagen von Anwohnern zurückgewiesen und grünes Licht für die Verlängerung der Autobahn gegeben. Allerdings wurde der Abriss von zwei weiteren Häusern untersagt sowie Auflagen zur Nachbesserung in Sachen Schallschutz erteilt.
Finanziert wird das Projekt aus Bundesmitteln und Geldern des Landes Berlin. Schätzungen zu Folge soll das Bauvorhaben insgesamt 475 Millionen Euro kosten, Berlin beteiligt sich mit etwa 40 Millionen Euro an den Planungskosten. Die A 100 ist damit das teuerste Autobahnprojekt Deutschlands.
Die Aktivisten kritisieren zusätzlich zu den horrenden Kosten die klimaschädlichen Folgen der Autobahn. Dass aus den 1990er Jahren stammende Bauprojekt sei Ausdruck einer noch immer auf den individuellen Autoverkehr fixierten städtischen Verkehrspolitik. »Der öffentliche Nahverkehr ist zu teuer und geht mangels Investition und Pflege vor die Hunde. Regelmäßig bricht der Zugverkehr in der Hauptstadt zusammen, die S- und U-Bahngäste lässt man frierend im Regen stehen«, erklärt Alexander Gerschner von Robin Wood. »Nachdem es dennoch in den vergangenen Jahren endlich Zuwächse bei den Beförderungszahlen gab, wollen Politiker von CDU und SPD die Uhr zurückdrehen und uns wieder ins Auto zwingen. Da machen wir nicht mit.« Das in die A 100 investierte Geld sollte lieber zur soliden Ausfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs sowie zum Ausbau des Radwegnetzes verwendet werden, so Gerschner. Die Proteste sollen auch nach einer möglichen Räumung der besetzten Pappel fortgesetzt werden.
Fakten zur A 100
- Der 16. Bauabschnitt der Stadtautobahn vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park ist 3,2 Kilometer lang.
- Die Baukosten werden vom Bundesrechnungshof mit 475 Millionen Euro veranschlagt.
- Die sechsspurige Trasse verläuft größtenteils in einem Tunnel oder einem Geländeeinschnitt.
- Die Fertigstellung des A 100-Abschnitts ist für 2020 geplant.
- Der Senat setzt sich beim Bund für den Weiterbau der A 100 bis zum Frankfurter Tor ein. Dieser Abschnitt würde in einem Doppelstocktunnel das Ostkreuz unterqueren. nd
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