Brüsseler Fleischberge

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Europäische Union taugt nicht zum Vorbild, zumindest wenn es um die Besucherkantinen des Parlamentes in Brüssel geht. Ein vollwertiges fleischloses Mittagessen sucht man als Gast vergeblich. Vielleicht würde das Aufstellen von Warnhinweisen die Lösung bringen.

Es wäre nicht so, als hätte die Europäische Union keine Macht über meinen Teller. Immerhin lässt es sich die Staatengemeinschaft jährlich 60 Milliarden Euro an Agrarsubventionen kosten, um die europäischen Ackerbauern und Landbesitzer zu päppeln und damit die Grundlage dafür zu säen, was irgendwann auf meinem Speiseplan landet.

Weitestgehend verfährt die EU nach dem Prinzip: Je mehr Fläche, umso mehr Subventionen. Es kommt nicht darauf an, was der Bauer anbaut, sondern wie viel. Masse anstatt Qualität und das bedeutet in aller Regel den Anbau von Futtermitteln für die Tierindustrie. In letzter Konsequenz bedeutet dies Fleisch (so wurden 2012 mehr als 60 Prozent der Getreideproduktion als Tiernahrung angebaut.) und mag es in den vertilgten Mengen noch so ungesund für die Bevölkerung sein. Wäre ich deutscher Durchschnitt, müsste ich jährlich etwa 60 Kilogramm an Schwein, Rind und Huhn essen. Zur Begutachtung einer fehlgesteuerten europäischen Landwirtschafts- und somit auch Ernährungspolitik muss man allerdings nicht erst komplizierte Studien lesen. Ein Besuch in einer Kantine des Europaparlamentes in Brüssel genügt vollkommen! Vegetariern würde ich allerdings von einem Selbstversuch abraten.

Während ich mich während eines Besuchs eben jenes Parlamentes in die wartende Schlange vor der Futtermittelausgabe einreihte, beschlich mich eine böse Vorahnung. Vielleicht fehlte auch ein großer roter Warnhinweis mit der Aufschrift: ACHTUNG! Sie befinden sich hier in einer vegetarierfreien Zone! Derartige Schilder gab es natürlich nicht. Warum auch? Schließlich müssen die durch Brüssel subventionierten Fleischberge irgendwo abgebaut werden. Nichts wäre somit naheliegender als dafür die eigenen Besucherkantinen zu nutzen. Mir reichte ein kurzer Blick auf die Mittagskarte und es war klar: Brüssel will dich zum Fleischesser umerziehen! Hier wirst du als Freund der vegetarischen Kost wenig Freude finden.

Ganz anderen Problemen mussten sich die mit mir in der Schlange wartenden Fleisch verzehrenden Kollegen stellen. Deren Herausforderung bestand in der kniffligen Entscheidung zwischen einem toten Stück Schwein, Huhn oder Fisch. Gemüseburger? Falafel? Tofubratling? Meine Würde? FEHLANZEIGE! Ein klarer Eingriff in mein Selbstbestimmungsrecht. Vielleicht hat sich der Kantinenbetreiber vertan, vielleicht gibt es eine Art vegetarischen Notfallplan, falls doch jemand etwas gegen Schnitzel und Steak einzuwenden gedachte.

Die Antwort fiel ernüchternd aus: Auf den Hinweis „no meat“, erntete ich erst ungläubige Blicke des Kantinenpersonals, um dann eine Komposition aus Reis, Kroketten und Bohnen auf den Teller geklatscht zu bekommen. Brüssel hat mich ganz offiziell zum Beilagenverzehrer degradiert. Ähnliches kennen Vegetarier höchstens von Feiern bei Fleisch liebenden Freunden, wo die Salatschüssel schnell zu deinem besten Freund oder Feind mutiert. Je nachdem, ob der Gastgeber meint, dass sich die Paprika gut mit einem Stück Wurst oder Hühnchen verträgt.

Doch ich war hier nicht bei einem Freund oder Kollegen zu Gast, sondern im Europäischen Parlament. Jene Institution, die sich sonst bei jeder Gelegenheit damit rühmt, die verschiedensten Lebensgewohnheiten zu begrüßen. Um die Vormacht auf dem Teller scheint es dagegen einen Kulturkampf zu geben und das offizielle Europa scheint auf der Seite der Fleischesser zu stehen. Wer es nicht schafft, in seiner Kantine fleischlose Kost anzubieten, dem darf unterstellt werden, er habe kein ernsthaftes Interesse an der Reduzierung des Fleischkonsums.

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