Polizisten bestätigen anonym: »Der Kessel war geplant«

Politiker von Linke, SPD und Grüne verlangen politische Aufklärung des Angriffs auf die Blockupy-Demonstration

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin (nd). Während Politiker von Linken, Grünen und SPD politische Aufklärung über den massiven Polizeieinsatz gegen die Blockupy-Demonstration am Samstag verlangen, mehren sich die Hinweise, dass die stundenlange Einkesselung von Hunderten Aktivisten geplant gewesen war. Dies hatten das Protestbündnis und Politiker bereits am Samstagabend vermutet.

Nun berichtet die „Bild“-Zeitung, mehrere Polizisten hätten ihr gegenüber anonym bestätigt: „Der Kessel war geplant“. Danach habe die Polizei den Teil des Zuges abgeschnitten und die Menschen festgehalten, um Personalien von angeblich Vermummten aufzunehmen, „um sie mit den M31-Randalierern vom März 2012 abzugleichen“, wie „Bild“ es formuliert.

Damals hatten rund 6000 Menschen bei einem „europäischem Aktionstag gegen Kapitalismus“ in Frankfurt gegen die neoliberale und autoritäre Krisenpolitik der EU demonstriert. Auch damals war es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, Demonstranten wurden stundenlang eingekesselt und die Demonstration aufgelöst.

Schon kurz nach dem massiven Polizeivorgehen gegen die Blockupy-Demonstration an diesem Samstag hatte Bündnis-Sprecherin Ani Dießelmann vermutet, alles deute „darauf hin, dass diese Eskalation von der Polizeiführung in Wiesbaden von langer Hand vorbereitet worden und der Kessel an dieser Stelle von vornherein geplant worden ist“. Die „Bild“-Zeitung zitiert nun einen anonymen Polizisten mit den Worten, „diese Strategie war ein Fehler“.

In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" heißt es, die Polizeiführung weise den Vorwurf, den Kessel von langer Hand geplant zu haben, als „völlig aus der Luft gegriffen“ ebenso zurück wie die Behauptung, das Vorgehen der Polizei habe etwas mit der M31-Demonstration von 2012 zu tun.

Die innenpolitische Sprecherin der hessischen SPD-Landtagsfraktion, Nancy Faeser, verlangte eine parlamentarische Aufklärung der Ereignisse. „Es muss geklärt werden, ob der unter der Verantwortung des Innenministeriums durchgeführte Polizeieinsatz verhältnismäßig war. Menschen einzukesseln und über Stunden ihrer Freiheit zu berauben darf nur in Ausnahmefällen erfolgen. Augenzeugen stellen dies in Zweifel“, so die Sozialdemokratin. „Schon um die Polizei vor ungerechtfertigten Anschuldigungen zu schützen, müssen die Ereignisse schnellstmöglich aufgeklärt werden.“ Faeser zeigte sich besonders interessiert daran, „welche Weisungen aus dem Innenministerium kamen“.

„Uns stellen sich Fragen zum Vorgehen der Polizei und zur Strategie vor Ort“, erklärten auch die hessischen Grünen. CDU-Innenminister Boris Rhein solle am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags zu den Ereignissen Stellung nehmen, forderte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Jürgen Frömmrich. „Es stehen verschiedene Vorwürfe gegen die Strategie der Polizei im Raum. Diese Vorwürfe sollten aufgeklärt werden und der Minister soll im Ausschuss die Strategie der Polizei erläutern.“

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte, die Einkesselung sei „ein gezielter und von langer Hand geplanter Angriff auf eine bis dahin friedliche Demonstration“ gewesen. Es liege „auf der Hand, dass die Gewalt in Frankfurt von der Polizei ausging. Hier sollte offenbar ein Exempel statuiert werden, um Menschen vom demokratischen Protest gegen die Macht der Banken abzuhalten“. Kipping künfigte „ein politisches Nachspiel“ an. Der hessische Innenminister sei „hier in der Bringpflicht, aber auch der Bundesinnenminister als Dienstherr der Bundespolizei“. Letzteren wolle die Linksfraktion im Bundestag zur Rede stellen.

Angaben des Ermittlungsausschusss Frankfurt zufolge sind bei der Demonstration am Samstag mehr als 200 Demonstranten durch Polizeigewalt verletzt worden, die meisten durch Pfefferspray. Über 1000 Menschen wurden bis zu neun Stunden in dem Kessel ohne Versorgung mit Getränken festgehalten. Auch die Anwälte wurden nicht aus dem Kessel gelassen und so an der Ausübung ihrer Mandate gehindert.

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