Leben mit den Fluten - Lernen aus der Flut!
Was Vorboten der Klimakatastrophe sind, wird immer noch als Klimawandel verharmlost
Offensichtlich haben weder »die Politik« noch »das Volk« verstanden, was uns »die Flut« 2013 zum mutigen Umdenken und entschlossenen Umsteuern aufgibt: von der »Jahrhundertflut« - gewissermaßen als einer eher unwahrscheinlichen Ausnahme - redet niemand mehr. Ende Juni schon wieder Starkregen mit bedenklich steigenden Pegelstän᠆den … Auch ich Altmärker habe die Flut von 2002 noch immer in den Knochen. Zwischendurch gab es 2006 und 2011 noch zwei Beinahe-Flut-Katastrophen.
Also haben wir uns daran gewöhnt - oder zu gewöhnen? Was Vorboten der Klimakatastrophe sind, wird immer noch als Klimawandel verharmlost. Wandel ist schließlich etwas zum Lebendigen des Lebens Gehöriges. Höhere und verstärkte Dämme lösen das Problem nicht; sie verschärfen das Problem, je weiter flussabwärts das Wasser »schießt«.
Acht Milliarden Euro wollen Bund und Länder bereitstellen. So wichtig, gut, hilfreich, Sorgen und Mutlosigkeit mindernd das sein mag, so wenig kann Geld bereitzustellen und zu Hilfsbereitschaft aufzurufen die epochale Herausforderung adäquat beantworten. Was der Fiskus kann, das tut er allerdings nur, um den Status quo halbwegs wiederherzustellen. Da fehlt einfach der Mut - aus Angst, nicht (wieder) gewählt zu werden.
Wissend um die Zwänge, möchte ich doch nicht darum herumreden: Es herrscht eine längerfristig verantwortungslose Feigheit vor. Das muss gesagt werden: Wer in Überschwemmungsgebieten gesiedelt hat, wem nun mit Recht geholfen wird, dem muss gegebenenfalls verdeutlicht werden, dass sein oft so schön gelegenes oder lang ererbtes Anwesen nicht aufwändig wiederhergestellt werden kann, sondern er muss sein Heim woanders neu errichten und dabei alle Unterstützung erfahren.
Unsere Flüsse brauchen Polder und Rückhaltebecken, die für den Notfall zur Verfügung stehen, ohne dass Ansiedlungen von Menschen mit Tieren evakuiert werden müssen. Die Natur holt sich erbarmungslos ihr Recht. Wir sollten nicht weiter gegen sie ankämpfen, sondern unsere technische Zivilisation ihr anpassen. Menschliche Kultur muss sich in die Natur einpassen und sie zugleich vor ihr schützen. So gut das geht. Aber das geht heute nicht mehr ohne schmerzliche Entscheidungen, nicht ohne Konflikte ab. Das muss von diversen Experten in einer konzertierten Aktion sorgsam und in längerfristigen Perspektiven untersucht werden, um der Politik sachgerechte Entscheidungshilfen an die Hand geben zu können. Eine öffentliche Debatte muss organisiert werden und von Fachleuten gut beratene Politiker haben geduldig und einfühlsam plausibel zu machen, welche Härten Einzelne hinnehmen müssen. Nicht panisch werden, aber auch nicht »Augen zu und durch«. Jede Übertreibung ist Angstmache. Jede Beschwichtigung ist Volksbetrug.
Eines ist jedenfalls klar und müsste allen klar werden: Eine bloße technische Anpassung an die Herausforderungen reicht nicht. Es sind schmerzliche Grundentscheidungen nötig. Die nächste Flut kommt bestimmt. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erst in hundert Jahren.
Der Dichter Günter Kunert schrieb vor fünfzig Jahren in ein Gedicht, das er »Bericht über ihn« nannte: »Voller Schwächen, hat er eine Stärke, die/ Ihn unüberwindbar macht: er passt sich an./ Wenn Regen fällt, spannt er seinen Schirm auf;/ Fallen Bomben, stülpt er einen Hut aus Metall/ Über den Kopf und begibt sich in den Keller. Jeder/ Situation ist er gewachsen .../ Er kennt alles Elend der Welt, aber/ Er hat sich an alles gewöhnt, sofern/ Es den Nachbarn betrifft.«
Erst wenn alle, die nicht in einem Flussflutgebiet leben, existenziell begreifen: Die Flut ist überall und es geht um unser ganzes Land, dann beginnen wir zu verstehen, was uns die Flut zu denken und zu handeln aufgibt. Mit Mut und mit Einfühlung. Ehrfurcht vor dem Leben heißt: staunen über Natur. Sich einfügen in die Natur. Nutzbarmachung der Natur braucht nicht zuletzt Respekt vor der Natur. Also »Seine Majestät« das Wasser, das Feuer, den Sturm, das Blühen und Verdorren, Tod und Leben anerkennen. Demütig dem Übermut abschwören.
Einen generellen Flutopferfonds auf Bundesebene anzulegen und ihn gut und regelmäßig so auszustatten, dass er im Notfall schnell und effektiv helfen kann, kann nur begrüßt werden. Das Prinzip ist einfach: Nicht-Betroffene helfen Betroffenen, weil sie sich einfühlen in die, die betroffen sind. Keiner möge in künftigen Poldern oder Rücklaufarealen wohnen. Unser Land hat noch genug Fläche, um Gefährdete aus solchen Gefahrenzonen auszusiedeln. Wer sehen will, was geschieht, wenn nichts geschieht, der fahre nach Fischbeck.
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