»Wir sind nicht fertig mit den Untersuchungen«

Ausschussmitglied Petra Pau (LINKE) über Erfolge, Probleme und mögliche Perspektiven des Gremiums

  • Lesedauer: 3 Min.
Petra Pau ist Bundestagsvizepräsidentin und saß als Obfrau für die Linksfraktion im NSU- Untersuchungsausschuss. Mit der Parlamentarierin sprach nd-Redakteur Fabian Lambeck.

nd: Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses liegt nun vor. Inwiefern trägt er auch die Handschrift der LINKEN?
Pau: Es ist dem Ausschuss gelungen, einen ausführlichen gemeinsamen Bericht zu erstellen, ohne die üblichen parteitaktischen Auseinandersetzungen. Das gilt für die Feststellungen und Bewertungen, die Schlussfolgerungen für die Änderung der Sicherheitsarchitektur wie für die noch wichtigere Präventionsarchitektur.

Insofern trägt dieser gemeinsame Bericht auch die Handschrift der LINKEN. Dazu kommen fünf ergänzende Voten der Fraktionen, wo weitergehende Positionen dargestellt werden.

Was sich ändern muss

Ausschuss erarbeitete 47 Empfehlungen

Der Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund hat 47 Empfehlungen für Sicherheitsbehörden und Politik vorgelegt. Hier sind die wichtigsten Punkte:

Polizei
»Es muss eine ›Fehlerkultur‹ in den Dienststellen entwickelt werden.«

»Interkulturelle Kompetenz muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein (...).«

»Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise Hinterbliebenen, deren nächsten Angehörigen und ihnen nahestehenden Personen ist eine (...) wichtige Aufgabe, die von dafür speziell geschulten Beamten wahrgenommen werden soll.«

Justiz
»Die Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und die Aus- und Fortbildung für
Staatsanwälte und Justizvollzugsbedienstete müssen die Grundlage dafür legen, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden.«

Verfassungsschutz
»In den Verfassungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentalitätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Offenheit gebraucht - und keine ›Schlapphut-Haltung‹ der Abschottung.«

V-Leute bei den Sicherheitsbehörden
»Der Ausschuss fordert klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten (u. a. bezüglich Vorstrafen), für deren Anwerbung und die Beendigung der Zusammenarbeit.«

nd/dpa

 

Wo lagen Ihre Schwerpunkte?
Für mich war ausgesprochen wichtig, dass wir uns der Frage zuwenden, warum so lange und so gründlich die Gefahr, die vom Rechtsextremismus für die Gesellschaft ausgeht, unterschätzt wurde. Im Bericht finden Sie auch unsere Beurteilung, dass er immer noch unterschätzt wird. Sowohl bei den Sicherheitsbehörden als auch bei den politisch Verantwortlichen.

Der Untersuchungsausschuss hat 47 Empfehlungen ausgesprochen. Welche halten Sie für besonders wichtig?
Wir waren ja mit der Tatsache konfrontiert, dass nahezu im gesamten Ermittlungszeitraum ein rassistisches oder rechtsextremes Motiv ausgeschlossen wurde. So ist mein Fazit, dass die Ermittlungen rassistische Züge getragen haben oder - wie es im Bericht formuliert ist - »vorurteilsbehaftet« waren. Ich halte es für wichtig, dass in Zukunft bei schweren Straftaten zum Nachteil von Bürgern mit ausländischen Wurzeln von Amts wegen auch nach einem rassistischen Motiv geschaut werden muss. Dieser Punkt findet sich in den Empfehlungen wieder.

Der Bericht umfasst 1357 Seiten. Das legt den Eindruck nahe, hier seien alle Fragen beantwortet worden.
Wir sind aus meiner Sicht nicht fertig mit den Untersuchungen. Nicht, weil wir zu faul waren, sondern weil zum Teil die Aktenlieferungen schleppend liefen und manche Akten erst eintrafen, nachdem wir schon die Zeugen gehört hatten. So konnten wir die sich aus dem Aktenstudium ergebenden Fragen nicht mehr stellen. Was mir ganz besonders wichtig ist: Wir konnten die Vorgänge am 4. November 2011 in Eisenach wie auch in Zwickau, wo zwei NSU-Mitglieder den Tod fanden, nicht umfänglich untersuchen. Auch die Auslandskontakte des Trios konnten wir nicht vollständig aufklären. Das bleibt zum Teil den noch existierenden Untersuchungsausschüssen in den Ländern vorbehalten.

Das heißt, in der kommenden Legislatur wird es keine Neuauflage des Gremiums geben?
Es ist ja bekannt, dass zur Zeit nur die FDP-Fraktion das fordert. Aber der 18. Deutsche Bundestag ist frei zu entscheiden, wie er mit neuen Erkenntnissen umgeht. Außerdem sind die Empfehlungen ein Arbeitsprogramm für das gesamte Parlament und eine zukünftige Bundesregierung.

Und wie steht die LINKE dazu?
Die LINKE will den Weg offenhalten. Wir haben uns darauf verständigt, dass der 18. Deutsche Bundestag natürlich vor der Aufgabe steht, die Empfehlungen umzusetzen. Bislang ist davon so gut wie nichts angegangen worden. Sollte es neue Gesichtspunkte geben, etwa durch das Verfahren in München oder die Untersuchungen der Landesparlamente, dann muss der Bundestag gegebenenfalls einen neuen Untersuchungsauftrag beschließen.

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