Feminismus vice versa Antifa

Sammelband reflektiert »feministische Perspektiven antifaschistischer Politik«

  • Markus Mohr
  • Lesedauer: 4 Min.
Markus Mohr wird oft als Alt-Autonomer bezeichnet, versteht sich selbst aber als junger Kommunist. Er lebt seit dem 1. Januar 2005 von Leistungen der Arbeitsagentur, die umgangssprachlich nach einem Straftäter benannt sind.
Markus Mohr wird oft als Alt-Autonomer bezeichnet, versteht sich selbst aber als junger Kommunist. Er lebt seit dem 1. Januar 2005 von Leistungen der Arbeitsagentur, die umgangssprachlich nach einem Straftäter benannt sind.

Die Beziehungen des Feminismus zum Antifaschismus und umgekehrt sind in der Bundesrepublik – es kann auch gar nicht anders sein – beziehungs- und spannungsreich. So fiel zum Beispiel im März des Jahres 1990 den Redaktionsmännern des autonomen Infoblattes »Auf-Ruhr« aus Bochum zu dem ihnen von den Frauen erteilten Verdikt, dass sie sowieso von »vornherein potentielle Vergewaltiger« sind, kein Widerspruch ein. Gleichwohl wussten die mutmaßlichen autonomen Sexualtstraftäter ihren noch vorhandenen intellektuellen Spielraum dafür zu nutzen, nur wenige Seiten später in einem Fachgutachten zum »Sexismus in der Antifa-Szene« letzterer ins Stammbuch zu schreiben, dass eben diese »im Gewaltverhältnis gegen Frauen mit den Faschisten an einem Strang« ziehe.

Unvergessen auch die markante Aussage von nicht anwesenden Frauen aus Hamburg in einem auf dem Autonomie-Kongress Ostern 1995 in Berlin in einem großen Plenum verlesenen Brief. Darin riefen sie allen Männern, darunter auch einigen ihrer auch danach bevorzugten Bettgenossen kurzerhand zu: »Nicht mal mehr Genossen auf der Straße, Faschisten im Bett!«

In einen größeren Zusammenhang gestellt, werden sich solche gravierenden Bemerkungen sicher noch einmal als ein Leckerbissen für die Extremismusforschung erweisen. Anderseits wurden eben auch so von Frauen, unterstützt von Männern, die ihnen vorbehaltlos nach dem Mund redeten, unter dem Banner des Feminismus punktuell immer mal wieder wirkungsvolle Machttickets im Szene-Biotop ausgespielt. Beiseite gedrängt wird dabei die Einsicht, dass doch selbst der dümmste aufgeblasene antifaschistische Tölpel im Quantensprung weniger menschenfeindlich ist als der charmanteste nationalsozialistische Bonvivant.

Ein jüngst publizierter Sammelband eines anonymen Herausgeber_innenkollektivs unter dem Titel »Fantifa«, der beansprucht »feministische Perspektiven antifaschistischer Politik« zu reflektieren, macht deutlich, dass das komplexe Thema auch heute nichts von seiner latent aktuellen Bedeutung verloren hat.

Dabei stellt das Publikationskollektiv im Vorwort klar heraus, dass man »zwischen antifaschistischen und rechten Männlichkeitsbildern« definitiv keine Parallelen ziehen wolle. Argumentationen à la »Alles Macker!« teile man nicht, schließlich wird »antifaschistischen Zusammenhängen« trotz ihrer Männerdominanz eine »Bereitschaft, eigene sexistische Denk- und Handlungsweisen zu hinterfragen« zu Gute gehalten.

Das Buch eröffnet einer Vielzahl vergangenen wie noch existierenden weiblicher Fantifagruppen in Form von Stichwortinterviews die Möglichkeit zur Selbstrepräsentation. Auch eine Männer-Antifa aus Hamburg kommt zu Wort, muss aber im Unterschied zu den interviewten Frauen über ihr »Scheitern« Auskunft geben. Die von einigen Fantifagruppen aus den 90er Jahren genannten Gründe für ihre Auflösung – »Frust, mangelnde Perspektiven, Umzüge, beruflicher Orientierungszwang« – dürfen nur dann als wahr unterstellt werden, wenn eben die von diesen Gruppen verfolgte Politik so belanglos war, wie die Gründe für ihr Ende.

Als intellektuelle Schwergewichte erweisen sich in dem Buch dabei die GenossInnen vom antifaschistischen Frauenblock Leipzig (AFBL). Seit 1997 aktiv, dient ihnen ihre eigenständige Organisierung dazu, »klassische Rollenzuweisungen« in gemischtgeschlechtlichen Gruppierungen aufzubrechen. Das Stellen der ersten Reihe bei Demonstrationen dient ihnen nicht nur als feministischer Fanfarenstoß, sondern geschieht zuweilen schlicht und einfach so aus »Lust«. Der AFBL agiert dabei nach eigener Wahrnehmung nicht nur als »eine der letzten Frauengruppen in der Antifa, sondern auch in antideutschen Kontexten.« Vor allem hier sucht sie sich einem interessierten kulturellen Turn hin zu einer propagandistischen Orientierung an den unterdrückten muslimischen Frauen entgegen zu stellen.

Richtig hier die Einsicht: Feminismus ist universell und nicht abhängig von einer »vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer Kultur.« Auch wenn die Adressierung von Anti-Sexismus in Antideutschen Bezügen als mutmaßlicher Ausdruck einer »gestörten Sexualität« von den Leipziger Genossinnen zu Recht als dreiste Provokation zurückgewiesen werden muss: Falsch erscheint mir aber die daraus abgeleitete Verteidigung eben des Anti-Sexismus. Bei ihm handelt es sich um ein klar binär codiertes Macht- und Unterordnungsprogramm in den Geschlechterkonflikten, das jeder Form von Autonomie und Dissidenz als Vorgriff auf Glück und Befreiung in die Fresse schlägt. Aber darüber kann ganz vortrefflich mit den AFBL-Aktivstinnen gestritten werden, denn sie erklären selbst, dass ihre Gesellschaftskritik nicht in der Szene »beginnt und endet«, und ihre Veranstaltungen »generell offen für alle sind«. Das macht große Hoffnung, dass auch in der notwendigen Ambivalenz zwischen Feminismus und Antifa in der Zukunft etwas Besseres möglich ist.

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