Verfassungsschutz-Beobachtung: Linke droht mit Klagewelle
Kipping, Riexinger und Gysi fordern in Brief an Merkel und Friedrich sofortigen Stopp der Überwachung - auch der Strömungen
Berlin. Die Linkspartei will notfalls auch eine Klagewelle lostreten, falls die Beobachtung ihrer Abgeordneten durch den Verfassungsschutz nicht eingestellt wird. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fordern Partei- und Fraktionsführung unter Berufung auf ein im Oktober veröffentlichtes Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen sofortigen Stopp der Überwachung.
Die Karlsruher Richter hatten in dem Beschluss erklärt, dass nur noch Parlamentarier beobachtet werden dürfen, wenn dieser »sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft«, wie es in einer Erklärung des Gerichts hieß. »Aus dieser Entscheidung gilt es nach unserer Auffassung grundsätzliche Schlussfolgerungen zu ziehen«, heißt es in dem Brief, der von den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionschef Gregor Gysi unterzeichnet ist. »Es gibt keine Abgeordnete und keinen Abgeordneten unserer Fraktion, die ihr Mandat zu einem solchen Kampf missbrauchen.«
Die Linkenpolitiker verweisen in dem Schreiben darauf, dass »weiterhin Abgeordnete unserer Fraktion durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und damit in gewisser Weise auch überwacht« würden. Dies schränke ihre Grundrechte als Abgeordnete ein, die Beobachtung sei »ein grundgesetzwidriger Zustand«. Kipping, Riexinger und Gysi geben in dem Brief außerdem zu bedenken, »dass eine solche Beobachtung und Überwachung unzulässiger Weise Bürgerinnen und Bürger daran hindern kann, uns zu wählen. Sie führt auch dazu, dass unsere Partei über weniger Mitglieder verfügt, weil es wegen der Beobachtung und Überwachung Ängste gibt, unserer Partei beizutreten«.
Aus all diesen Gründen, so die Linkenpolitiker, müsse »die Beobachtung der Abgeordneten unserer Fraktion unverzüglich eingestellt werden«. Dies gelte auch für jene Strömungen der Partei, denen der Verfassungsschutz unterstellt, es würden »tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung« vorliegen, und die weiterhin beobachtet werden. »Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass es dafür keine Berechtigung gibt«, beklagen Kipping, Riexinger und Gysi. »Die hohen Anforderungen, die gestellt werden, erfüllt keine einzige Gruppierung« der Linkspartei.
Falls die Beobachtung nicht eingestellt werde, würden sie jedem Abgeordneten zu einer Verwaltungsgerichtsklage raten. Auch gegen die Überwachung einzelner Strömungen der Partei sei eine Klage geplant. Kipping, Riexinger und Gysi gaben Merkel und Friedrich bis Ende November Zeit zu antworten. »Anschließend werden wir unsere Entscheidungen treffen.« dpa/nd
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