Ängste im Hintertaunus
Wir waren anderer Meinung. In den Dörfern trafen sich LehrerInnen, Pfarrer, Ärzte, Intellektuelle, Hausfrauen, Schüler und Künstler. Zur Einstimmung wurde in meinem Dorf Grävenwiesbach über mehrere Tage gemeinsam gefastet. Dabei wurden Informationen, Einsichten und Ängste ausgetauscht sowie Rollenspiele eingeübt. Wir beschlossen schließlich eine eigene Demonstration. Revoluzzer aus Frankfurt oder Marburg mit anti-imperialistischen Sprüchen würden die Menschen hier auf dem Lande nicht erreichen können.
Unser Aufruf erhielt erstaunlich viele Unterschriften. Das war nicht selbstverständlich, denn natürlich kannte hier jeder jeden. So wurde eine Gegengruppierung gegen die üblichen Stammtische geschaffen, die Honoratioren - Pastoren, Ärzte, Lehrer usw. - hatten wir fast alle auf unserer Seite. Das wird manchen ermutigt haben, sich zu beteiligen.
Es gab jedoch auch unerwarteten Widerstand. Die beiden Pfarrer aus Grävenwiesbach luden das Friedensnetz Hintertaunus in den Gemeindesaal ein. Der Kirchenvorstand jedoch verbot es ihnen. Auch gab es die dörfliche soziale Kontrolle. Ich fragte, wie denn die Leute unsere Demonstrationen fänden. Die erstaunliche Antwort lautete: »Die finden das ganz gut. Doch glauben Sie ja nicht, dass sich einer beteiligen wird.« Ein aufgeschlossener Lehrer kam zu mir, um seine Beteiligung am Marsch kundzutun. Dieser sollte durch sein Dorf führen. Seiner Ankündigung fügte er hinzu: »Andreas, du verstehst doch, dass ich mich erst hinter meinem Ort dem Zug anschließe.«
Trotz solcher Ängste war das Friedensnetz Hintertaunus ein großer Erfolg. Es arbeitete viele Jahre. Örtliche Gruppen konnten in ihren Dörfern durchsetzen, dass diese zu atomwaffenfreien Gebieten erklärt wurden.
Die Militärstrategen kamen auf die Idee, dass im Falle eines großen Panzerangriffes aus dem Osten der ganze Taunus diesem Zugriff versperrt werden müsse. Sie ließen auf allen Zugangsstraßen Schächte für atomare Minen einbauen, die im Fall des Falles gezündet werden sollten. Das Friedensnetz Hintertaunus gab daraufhin einen Atlas der Taunus-Verminung heraus. Das alarmierte, zumal bei diesem Plan die Versorgung der Bevölkerung nicht vorgesehen war.
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