Schwimmbäder in Kabul
Die Welthungerhilfe will trotz verschlechterter Sicherheitslage ihre Arbeit in Afghanistan fortsetzen
Hauptanliegen von Klaus Lohmann, Koordinator der Arbeit der Welthungerhilfe in Afghanistan, war es, das alte Klischee von »Bomben und Burka« zu korrigieren. Es sei in den vergangenen Jahren viel Positives erreicht worden, sagte er am Donnerstag in Berlin. So gebe es in Kabul inzwischen Schwimmbäder und die Fußball-Liga sei weiterhin in Betrieb. In dem anlässlich des Pressegesprächs verteilten Papier »Die Arbeit der Welthungerhilfe in Afghanistan« liest sich das so: »Insbesondere in Städten wie Kabul, Herat oder Masar-i-Sharif wächst inzwischen eine gut ausgebildete, smarte, motivierte Jugend heran.« In den letzten fünf Jahren habe es einen Boom an den Universitäten gegeben, deren Absolventen jetzt in das Berufsleben drängten.
Hintergrund des Pressegesprächs war der Ende dieses Jahres endende Einsatz der internationalen Kampftruppen in Afghanistan. Für die dort tätigen Hilfsorganisationen stellt sich damit die Frage: Wie sollen sie mit der neuen Situation umgehen? Die Welthungerhilfe setzt auf eine Strategieänderung. Die besteht darin, stärker mit der Zivilgesellschaft und mit nationalem Personal zusammenzuarbeiten, erläuterte Vorstandsmitglied Mathias Mogge. Seine Organisation sei bereits seit 20 Jahren am Hindukusch aktiv. Seit 2001, dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA und ihre Verbündeten, habe die Welthungerhilfe ihm zufolge 125 Projekte in einem Umfang von 96 Millionen Euro durchgeführt. 100 000 Menschen seien dadurch erreicht worden.
Haupttätigkeiten der Entwicklungsorganisation bestünden in der akuten Nothilfe, der ländlichen Entwicklung, zum Beispiel der Verbesserung der Trinkwasserversorgung, und im Aufbau einer afghanischen Zivilgesellschaft. Zurzeit habe die Welthungerhilfe in dem Land am Hindukusch rund 250 einheimische Mitarbeiter in den Projekten beschäftigt. Dennoch sei die Strategie, stärker auf nationale Kräfte zu bauen, zu spät in Angriff genommen worden, räumte Mogge ein.
Überraschenderweise unterschied sich die Bewertung der Sicherheitslage durch Lohmann von jener in dem Papier. Während der Koordinator in Afghanistan weder von Bedrohungen seiner Mitarbeiter noch von denen anderer Organisationen Kenntnis hatte, ist in der Pressemitteilung von einer »sich verschlechternden Sicherheitslage« die Rede. In dieses Bild passt die Aussage von Mark Bowden, dem Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe in Afghanistan. Danach sind bis November letzten Jahres so viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen Opfer von Gewalt geworden wie seit 1997 nicht mehr. Doch auch Mogge meinte, immer wieder werde bestätigt, dass Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen (NRO) nicht gezielt angegriffen würden.
Dem Teilabzug des internationalen Militärs sieht die Welthungerhilfe daher gelassen entgegen: »Wir rechnen nicht damit, dass unser Einsatz in Afghanistan dann erschwert wird«, sagte Matthias Mogge. Zum Verhältnis von NRO und Militär stellte er klar, dass es keine direkte Kooperation zwischen beiden gebe, da man nicht als Teil des Militärs wahrgenommen werden wolle. Hintergrund sind Bestrebungen der Bundesregierung und der Bundeswehr, eine sogenannte vernetzte Sicherheit bzw. eine zivil-militärische Zusammenarbeit zu etablieren. 2009 hatte der Generalsekretär der Welthungerhilfe dies als »Sündenfall« kritisiert, weil die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen dadurch zum Anschlagsziel würden. Doch Mogge zufolge ist der Druck des Militärs in dieser Frage inzwischen nicht mehr so hoch. Vom neu besetzten Entwicklungshilfeministerium erhofft er sich, dass das »Gespenst der vernetzten Sicherheit« nun deutlich besser eingeschätzt werde.
Wie auch immer die Sicherheitslage korrekt beschrieben ist: Die beiden Vertreter der Welthungerhilfe kündigten an, die Arbeit ihrer Organisation in Afghanistan fortzuführen. Sie planen, sofern es die Bedingungen im Land zuließen, mit einer »Perspektive weit über 2014 hinaus«. Von der Bundesregierung forderten sie daher eine Zusage über finanzielle Mittel für die nächsten zehn Jahre. Denn zu tun sei in Afghanistan noch eine Menge: Die Kindersterblichkeit sei hoch und der Drogenanbau habe zugenommen. Sorgen bereite daher die Entscheidung der USA, ihre Entwicklungshilfe um die Hälfte zu kürzen.
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