Banksy oder Hölderlin? Windkraft statt Kohle!

Jan van Aken über Lafontaine und die linke Diskussion über erneuerbare Energien

  • Jan van Aken
  • Lesedauer: 4 Min.

In einem kürzlich in der FAZ veröffentlichten Artikel fordert Oskar Lafontaine ein Ende für die Windkraft. Vor allem, weil die Windräder seinen schönen Saargau zu verschandeln drohen. Das kann ich persönlich verstehen, politisch ist das aber Unsinn.

Über Ästhetik lässt sich bekanntlich streiten, und es sei Oskar Lafontaine unbenommen, dass Windräder ihn abstoßen. Er beklagt, dass man sich im »Schatten von dreizehn Windrädern« nicht »frei und leicht« fühlen könne. Auch das mag sein, aber man sollte dieses subjektive Empfinden nicht zu einer »Zerstörung der deutschen Kulturlandschaft« hochstilisieren und dann auch noch Hölderlin als Kronzeugen bemühen. Sind wir jetzt gegen den Ausbau des Schienennetzes, weil damit die Landschaften Hölderlins zerschnitten werden?

Kunst entsteht immer noch im Auge des Betrachters, und Kulturlandschaften verändern sich, das ist das Wesen von Kultur. Im 15. Jahrhundert gab es sicherlich viele Zeitgenossen, die die damals aufkommenden Windmühlen als grauenvolle Verstümmelung ihrer althergebrachten Kulturlandschaft empfanden. Kulturlandschaften verändern sich mit der Entwicklung von Gesellschaften und Menschen. Heute sind ebendiese Windmühlen die Sahnehäubchen romantisierender Kulturlandschaftler. Ich bin eher Industrieromantiker und kann mich auch unter einem Windrad außerordentlich frei und leicht fühlen. Aber das nur nebenbei, denn es hilft nicht bei der politischen Entscheidung über die Zukunft der Energieerzeugung.

Und da macht Lafontaine einen fatalen Fehler. Geblendet von der Schönheit des Saargaus hat er sich ein Argumente-Potpourri gegen die Windkraft zurecht gelegt, das in allen vier Punkten sachlich falsch ist:

1) Die Windkraftbranche sei korrupt. Tja, ich kann natürlich nicht ausschließen, dass es vielleicht auch in dieser Branche schwarze Schafe gibt. Fakt ist aber, dass über 50% der Windräder in Deutschland in Bürgerhand sind, dass über 600 Energiegenossenschaften in Deutschland auf Erneuerbare setzen. Das ist praktizierte Wirtschaftsdemokratie, genau wie Lafontaine sie seit Jahren so richtig und konsequent einfordert. Die zentrale Parole der Energiewende ist doch »eine Million statt vier«: weg von den vier großen Energieversorgern hin zu einer Energieerzeugung in Bürgerhand. Genau das macht die Windkraftbranche geradezu vorbildlich vor.

2) Mit jedem neuen Windrad würde mehr Kohle verfeuert. Das liegt nun aber nicht an den Windrädern, sondern an einer völlig verfehlten Politik, die schmutzige Kohlekraftwerke billiger macht als moderne Gaskraftwerke. Ein alter Kämpfer wie Lafontaine kann doch nicht ernsthaft vor der Macht des Faktischen einknicken, sein Credo müsste die einzig richtige politische Lösung sein: der CO2-Ausstoß muss teurer werden, dann werden alle deutschen Kohlekraftwerke in Windeseile vom Markt verschwinden.

3) Windkraft habe doch eh nur einen Anteil von 1,3% an der Energieversorgung. Da vergleicht Lafontaine Äpfel mit Birnen. Mit Windenergie kann ich halt nur Strom herstellen und nicht heizen oder Auto fahren, deshalb ist die einzige vernünftige Bezugsgröße hier der Anteil von Windkraft an der Stromerzeugung, nicht am gesamten Energieverbrauch. Und der liegt bei satten 8,4%, Tendenz stark steigend.

4) Wir brauchen »andere Technologien«, so Lafontaine. Schön, aber welche? Bei den Erneuerbaren gibt es keine anderen Technologien, die die Energieversorgung sicherstellen könnten. Fakt ist, dass Wind und Sonne mit Abstand die wichtigsten Stromquellen der Zukunft sein werden. Denn alle anderen Formen der Erneuerbaren sind in Deutschland entweder schon ziemlich ausgereizt oder noch ziemlich teuer. Mit »anderen Technologien« kann Lafontaine also nur fossile Kraftstoffe oder Atomkraft gemeint haben, und beides wäre falsch.

Wer eine Energiewende möchte, wer einen Ausbau der Erneuerbaren möchte, wer die Klimakatastrophe und die Stromzockerei der Konzerne wirklich stoppen möchte, der kommt an Windkraft nicht vorbei. Denn selbst oder in Genossenschaft produzierter und selbst verbrauchter Strom aus Erneuerbaren spart Netzausbau, hebelt die Strommonopole aus und macht den Strom billiger. Da wünsche ich mir doch eine Kleinwindanlage auf jedem Dach, auch wenn sie mir den Blick vom Balkon versaut. Die LINKE ist für einen Ausbau der Windenergie, auch und gerade an Land und in Bürgerhand. Selbstverständlich muss dies im Einklang mit dem Schutz der Gesundheit und der Natur geschehen. Aber wem die Kulturlandschaften am Herzen liegen, der sollte dabei immer das Bild der verödeten, vom Braunkohletagebau verschandelten Landschaften im Kopf haben. Energiepolitik nach dem St. Floriansprinzip kann nicht funktionieren.

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