»Marsch der Würde« auf Madrid
Tausende Spanier protestieren mit Demonstrationszügen gegen die antisoziale Politik der Rechtsregierung
In Madrid wird am Sonnabend ein Verkehrschaos erwartet. 29 Demonstrationszüge aus den verschiedenen Stadtteilen werden sich mit sechs Marschkolonnen, die seit Wochen auf dem Weg in die Hauptstadt sind, vereinigen. Die Teilnehmer dieser »Märsche der Würde« protestieren so gegen eine Politik der Regierung, die die Auflagen der Troika aus EU-Kommission, Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäische Zentralbank (EZB) umsetzt. In einem Manifest heißt es: »Wir leiden unter der Politik der regierenden Volkspartei (PP) und dem Diktat der Troika. Wir müssen den Diebstahl erkämpfter Rechte und die Verarmung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung stoppen.« Man wolle sich nicht mit der »unersättlichen Gier skrupelloser Banker und Spekulanten« abfinden. Für deren Rettung habe sich der Staat massiv verschuldet, wofür die Bevölkerung nun zur Kasse gebeten werde.
In der Marschkolonne aus dem südspanischen Andalusien findet sich Mari García. Für die Aktivistin der kämpferischen Landarbeitergewerkschaft SAT ist Würde ein zentraler Pfeiler des Widerstands. »Der Kampf um unsere Würde hat uns Frauen und Männer in diesen Märschen vereint«, erklärt sie. Einige seien schon seit dem 1. März auf dem Weg. »Sie wollen uns weismachen, dass es keine Alternativen zur Troika-Politik gibt und wir am Ende des Tunnels angelangt sind.« Doch Realität sei, dass Spanien nicht aus der Krise komme; vielmehr »werden wir aus Fabriken, Wohnungen, Krankenhäusern, ja sogar aus dem Land geworfen«.
Mit rund sechs Millionen Menschen hätten fast 26 Prozent keine Arbeit mehr; die Löhne seien gekürzt, Arbeitsbedingungen verschlechtert worden. 400 000 Familien seien aus ihren Wohnungen vertrieben worden, weil sie Miete oder Hypothek nicht mehr bezahlen konnten. Im Gesundheits- und Bildungssektor sei massiv gekürzt worden, und die Jugend verlasse in Scharen das Land, weil sie wegen einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent keine Zukunft sieht.
Die Demonstranten erfahren viel Solidarität. »In allen Dörfern sind wir wunderbar empfangen worden, egal wer dort regiert«, erzählt Manuel Rodríguez. Er marschiert in der Kolonne aus der Extremadura. Bürgermeister hätten Sporthallen geöffnet, damit die 200 Teilnehmer seiner Gruppe übernachten konnten, und die Bevölkerung habe die Aktivisten versorgt. Als sich in Navalmoral der PP-Bürgermeister verweigerte, seien die Bürger des Ortes zum Rathaus gezogen, worauf er eingelenkt habe.
Ähnliche Märsche hatte schon die Empörten-Bewegung vor drei Jahren organisiert, um eine »wahre Demokratie« zu fordern. Sie ist inzwischen in den »Widerstandsfluten« aufgegangen, die sich seither gebildet haben. Diese sollen nun in Madrid zusammenfließen, um vor den Europawahlen im Mai geballt den Unmut über die Kürzungspolitik, Zwangsräumungen und den Bildungsnotstand zu demonstrieren. Zuletzt hat sich die »lila Flut« gebildet, in der sich vor allem Frauen dagegen wehren, dass Abtreibung wie in der Diktatur wieder strafbar werden soll.
Unklar ist, was über den Widerstandstag hinaus geschieht. Irene Montero, eine der Sprecherinnen aus Madrid, hebt hervor, dass »Tausende Menschen aus dem gesamten Land« zusammenströmen, um deutlich zu machen, dass Schulden für Bankenrettungen nicht bezahlt werden sollen. Man müsse klarmachen, »dass wir zu allem bereit sind« im Kampf für menschenwürdige Beschäftigung, soziale Rechte und demokratische Freiheiten, gegen Kürzungen, Repression und Korruption. »Wir werden am 22. in Madrid ankommen, aber noch steht nicht fest, wann wir wieder gehen«, betont Álvaro Rodríguez. Er stellt damit in den Raum, dass erneut Protestlager auf zentralen Plätzen entstehen könnten, mit denen die »Empörten« vor drei Jahren weltweit bekannt wurden.
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