Antifa im 
Gespräch

Kongresse in Berlin und Athen diskutierten über die Herausforderungen für die 
antifaschistische Bewegung in Europa

  • Maike Zimmermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Welchen Einfluss hat die ökonomische Krise auf den Rechtsruck in vielen Staaten Europas? Und steckt die Antifa in Deutschland in der Krise? Aktivisten aus elf Ländern suchten in Berlin nach Antworten.

»Hello Athen, this is Berlin calling. Can you hear us?« Die Antwort aus Griechenland lässt nicht lange auf sich warten: »Yeah!« Auf einem kleinen Monitor im großen Hörsaal der Technischen Universität (TU) Berlin sind mehrere hundert Menschen zu erkennen, die sich am Wochenende zu einem europäischen Treffen antifaschistischer Gruppen in Athen eingefunden haben. »Wir senden euch unsere Grüße und unsere Solidarität«, sendet Berlin zurück. Auch hier wird an diesem Freitagabend und an den darauffolgenden Tagen über Strategien gegen einen europäischen Rechtsruck diskutiert.

»Antifa in der Krise?!« heißt der Kongress, rund 400 Menschen folgen bei der Eröffnungsveranstaltung den Berichten aus Griechenland, Schweden, Frankreich und Ungarn. Es geht um die Frage, inwieweit sich die europäische Rechte die Debatte um die ökonomische Krise zu nutzen macht. Unlängst konnte Marine Le Pen und der Front National (FN) große Erfolge bei den Kommunalwahlen in Frankreich feiern. Le Pen stehe für einen modernisierten FN, sagte Tina Louis von La Horde. Der Schwerpunkt liege bei den Themen Wirtschaft und Krise.

In Schweden hingegen habe die Wirtschaftskrise kaum Auswirkungen gehabt, erklärte Cordelia Hess aus Stockholm. Bei der mit fünf Prozent im Parlament vertretenen rechtspopulistischen Sverigedemokraterna geht es vor allem um die Kritik an der Europäischen Union und den Euro. Anders in Griechenland: Apostolos Kapsalis aus Athen zeigte, wie die Goldene Morgenröte von der Krise profitiert hat. Laut Umfragen ist die faschistische Partei derzeit drittstärkste Kraft im Land. In Ungarn konnte Jobbik bei den Wahlen Anfang April über 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Einen Zusammenhang mit der Krise sieht Annamaria Artner aus Budapest jedoch nicht. Vielmehr handele es sich um eine Entwicklung, die ihren Anfang in dem Umbruch nach 1989 nahm.

Eines wird deutlich an diesem Abend: Die Situation in den EU-Mitgliedsstaaten lässt sich ebenso wenig über einen Kamm scheren, wie mögliche Strategien gegen die jeweilige extreme Rechte. Darüber wurde in den darauffolgenden Tagen in verschiedenen Workshops weiter diskutiert. Gäste aus elf Ländern sind zu dem Kongress der Interventionistischen Linken gekommen.

In einem zweiten Themenstrang geht es um die Frage, ob sich die antifaschistische Bewegung selbst in der Krise befindet. »Es gibt viel zu tun«, so der Tenor der Podiumsdiskussion am Samstag. Im Laufe der Konferenz schälen sich Kernthemen heraus. Wie konnte es sein, dass ein »Nationalsozialistischer Untergrund« 13 Jahre lang mordend durch das Land ziehen konnte? Dabei war und ist das Wissen um neonazistische Strukturen bei vielen AntifaschistInnen enorm. Warum fällt es der antifaschistischen Bewegung dann so schwer, Konsequenzen zu ziehen, was den Umgang mit der Rolle des Staates, den Geheimdiensten, mit neonazistischen Strukturen, institutionellem und gesellschaftlichem Rassismus angeht?

Seit Herbst letzten Jahres nehmen überdies rassistische Mobilisierungen gegen die Unterbringung von Geflüchteten zu. Mögliche Strategien gegen »Bürgermob« und Neonazis wurden vor allem am Beispiel der Ereignisse in Berlin-Hellersdorf diskutiert. Mit einer Erkenntnis, die schon in den 1990er Jahren nicht neu war: Antifaschistische Feuerwehrpolitik vermag es kaum, Situationen wie diese nachhaltig zu verändern.

Und was macht die Antifa, wenn in dem Spiel keine Nazis vorkommen? Die Alternative für Deutschland (AfD) versucht, den gesellschaftlichen Diskurs weiter nach rechts zu verschieben – ohne Nazis zu sein. Hier helfen klassische Antifa-Konzepte kaum weiter. »Wir müssen den Nationalismus und Chauvinismus, der hinter der AfD steht, analysieren und kritisieren«, fordert Jan Schlemmermeyer vom Bündnis »... ums Ganze!« auf dem Abschlusspanel. NSU, Rassismus, AfD bieten mehr als genug Gründe für Kritik.

Vor diesem Hintergrund platzt es aus Paul Richter von der IL heraus: »Warum rennen die Leute der Antifa nicht die Bude ein?« »Weil es anstrengend ist«, so die Antwort von Moderator Fritz Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Doch das dürfte sicherlich nicht der einzige Grund sein. An den aufgeworfenen Fragen und Themen dranzubleiben, das sollte sich die antifaschistische Bewegung ins Hausaufgabenheft schreiben. Die Konferenz war immerhin ein guter Ort, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

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