Linke Leute von rechts
Jutta Ditfurth behauptet seit einigen Wochen, dass die neuen Montagsdemonstrationen für den Frieden von antisemitischen und rechten Parolen begleitet werden. Einige Initiatoren würden etwaige Slogans nicht nur dulden, sondern dort selbst in »antisemitischer Kodierung« sprechen. In einem Interview mit der »Kulturzeit« erklärte sie letzte Woche genauer, was hier heranwächst.
Dabei scheint mindestens eines klar: Wenn dieses »Protest-Marketing« kein Antisemitismus ist, dann doch wenigstens der inhaltlich nationalistische Versuch, die Auswüchse der Finanzwirtschaft den Vereinigten Staaten und der Federal Reserve alleine in die Schuhe zu schieben. Deutschland also wieder mal fremdbesetzt und schuldlos? Jedenfalls vernimmt man den altbekannten Ruf »Deutschland erwache!« häufiger aus den Reihen der Demonstranten.
Worauf ich hinaus will ist, dass dieser Veranstaltung etwas mehr als Widersprüchliches anhaftet. Mit Kritikern gehen diese Friedensbewegten relativ ruppig, ja kriegerisch um. Ditfurth berichtet von Beleidigungen und Versuchen, ihr Facebook-Profil zu kapern. Sieht so wehrhafter Pazifismus von heute aus?
Es droht sich ferner »linker Protestgeist« mit teils »rechten Parolen« zu vermischen. Etwas, was schon Joe Bageant in seinem Buch »Auf Rehwildjagd mit Jesus« als neue Taktik neurechter Bewegungen enttarnte. Das Tea Party Movement mache es nämlich ganz genauso.
Ich habe ein wenig den Gesprächen bei Facebook »gelauscht« und teils selbst in solche eingegriffen. Was ich besonders oft zu lesen bekam, waren Ansichten von kruder Querfront-Logik. Man sagte mir, dass die Zeiten von »Rechts- und Linksdenken« vorbei seien. Die Leute könnten nichts damit anfangen und deshalb müsse man aufhören, in politische Lager zu scheiden.
Einer meinte gar, es sei eine basisdemokratische Sache, die hier entstehe – und daher sei es legitim, dass auch »klassisch rechte Themen« in den Diskurs geworfen würden. Wie bitte? Montagsdemos, bei denen man nicht nur ganz ungeniert über die Überfremdung oder den »Sozialschmarotzer« sprechen kann, sondern diese Themen gleichberechtigt neben linken Themen wie »soziale Gerechtigkeit« und »multikulturelles Miteinander« stellt?
Diese Gleichsetzung von Links und Rechts halte ich persönlich für gefährlicher als all die offenen antisemitischen und nationalistischen Parolen zusammengenommen. Denn diese Auffassung schaltet das demokratische Element der »Alternative« aus. In Zeiten, in denen »alternativlos« als »Unwort des Jahres« taugt, irgendwie auch nicht verwunderlich. Aber wer die Alternative, die es zwischen rechter und linker Weltanschauung natürlich gibt, einfach mal aufhebt, kann doch nicht ernstlich glauben, dass er gegen eine vornehmlich rechte Ökonomie – und sei es nur als »Opposition auf der Straße« - bestehen kann.
Die Querfront-Taktik ist auf den ersten Blick natürlich praktisch. Sie holt viele verschiedene Positionen ins Boot. Aber wer viele auch gegensätzliche Positionen vertritt, vertritt letztlich gar keine. Wie lassen sich denn in einer Bewegung der »Schutz der Menschenrechte« und gleichzeitig »Diskussionen über den Sinn der Multikulturalität« unter einen Hut bringen? Wie »Aufklärung über das Wirtschaftssystem« und »substanzlose Verschwörungstheorie«? Wenn man Rechts und Links zusammenlegt, kommt nur zum Vorschein, dass es universelle Ideale nicht gibt – und schlimmer noch: Dass Ideale nach Mehrheitswillen verhandelbar sind. Da war ja selbst der Ratzinger-Papst weiter, der es für ausgeschlossen befand, dass in Fragen der »Würde des Menschen und der Menschheit« ein Mehrheitsprinzip gelten könne.
Der Publizist Kurt Hiller (1885 – 1972) taufte mal die Nationalisten der Weimarer Republik, die sich sozialistische Elemente aneigneten, um sich mit der Sowjetunion gegen den kapitalistischen Westen zu verbünden, »linke Leute von rechts«. Diese Bezeichnung trifft sicher nicht auf alle Montagsdemonstranten zu. Viele engagieren sich sicher seriös für den Frieden. Aber einige solcher »linken Leute von rechts« haben dort zu viel zu sagen.
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