Keine Experimente mit den roten Affen
Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht vergreift sich im Wahlkampf im Ton
Das waren noch Zeiten! Im Bundestagswahlkampf 1957 trat die bundesdeutsche Sozialdemokratie an mit Forderungen nach NATO-Austritt der Bundesrepublik und dem Austritt der DDR aus dem Warschauer Pakt mit dem Ziel der Wiedervereinigung. Der Kalte Krieg hatte in den Jahren einen seiner Höhepunkte erreicht. Adenauer kündigte die Stationierung von Atomwaffen erstmals öffentlich an, die Sowjetunion war im Vorjahr in Ungarn einmarschiert, und US-Präsident Eisenhower verkündete seine Pläne zum Eindämmen des Kommunismus. »Keine Experimente« konterte die CDU mit Spitzenkandidat Konrad Adenauer die Forderungen der SPD. Das unter ihm als Kanzler Erreichte zu erhalten sei wichtig. Das Ergebnis war die erste und einzige absolute Mehrheit in einer Bundestagswahl - für die CDU.
Beim Wahlkampfauftakt zur Thüringer Landtagswahl in Jena ging es ein paar Nummern kleiner zu. Doch anscheinend hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnert, als sie am Wochenende sagte, es dürfe »keine Experimente« geben. »Das, was erfolgreich war«, müsse fortgesetzt werden. Damit meinte sie freilich die Ministerpräsidentinnenschaft ihrer Parteifreundin Christine Lieberknecht, deren Amtsfortführung nach den Wahlen am 14. September alles andere als ausgemacht ist. Dementsprechend keilen die Christdemokratinnen aus. Auch die SPD bekommt ihr Fett weg. Gebe diese der Linkspartei nach der Wahl das Recht, den Regierungschef zu stellen, verabschiede sie sich vom Status einer Volkspartei, wurde Merkel in der »Thüringer Landeszeitung« zitiert.
Als »Kommunisten« und »Ewiggestrige« bezeichnete in Jena Christine Lieberknecht die LINKE, die »wie die Affen« in die Bäume geklettert sei, um den Neubau der Autobahnen zu verhindern. Sie bezog sich damit auf den lange andauernden Streit im Land um den Neubau der A71 von Erfurt Richtung Bayern. Besonders die Querung des Thüringer Waldes hatte für Ärger gesorgt.
»Niveau ist eben keine Hautcreme«, kommentiert die Thüringer Linkspartei-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow die Lieberknecht-Ausfälle gegenüber »nd«. Die »Noch-Ministerpräsidentin« habe offenbar »ganz schön Muffensausen vor ihrer Zukunft auf der harten Oppositionsbank«. Nach Umfragen vom 5. Juli liegt die CDU derzeit bei 33 Prozent und könnte wieder stärkste Fraktion werden, doch ob das für die Regierung reicht, ist fraglich. Die Linkspartei liegt bei 25 Prozent, die SPD bei 18 und die Grünen bei sechs Prozent. Die FDP wäre mit drei Prozent danach nicht im nächsten Erfurter Landtag vertreten. Die Zeichen stehen also auf Rot-Rot-Grün.
Die SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Heike Taubert hatte überdies im Vorfeld der Wahl gesagt, sie würden auch einen Ministerpräsidenten der Linkspartei stützen, konkret handelt es sich im Fall des Wahlsieges um den aktuellen Linksfraktionschef Bodo Ramelow. Doch auch Taubert verschärfte den Ton am Wochenende deutlich. Lieberknecht habe gezeigt, dass sie es nicht kann, sagte die Sozialministerin über den Noch-Koalitionspartner gegenüber der »Thüringer Allgemeinen«. Diese Gefahr sehe sie auch bei Ramelow. Der führe überdies seine Fraktion »diktatorisch«, sei »aufbrausend und selbstverliebt«. Das basiere auf persönlichen Erfahrungen aus den Sondierungsgesprächen vor fünf Jahren, als die SPD ihr Herz der CDU schenkte. Damals waren die Gespräche unter SPD-Chef Christoph Matschie und Ramelow an der Frage gescheitert, wer den Ministerpräsidenten stellen darf.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.