Höfinghoff verlässt die Piraten
Ehemaliger Berliner Fraktionschef will nicht mehr bei »unpolitischen Karnickelzüchtern« mitmachen
Am Ende waren die Beleidigungen und Schmähungen aus den eigenen Reihen offenbar nicht mehr auszuhalten. »Die Reaktionen auf Christopher Lauers Austritt haben das Fass zum Überlaufen gebracht«, sagt Oliver Höfinghoff. Vor allem der Bundesvorstand um den umstrittenen Vorsitzenden Stefan Körner habe »im Umgang mit dem innerparteilichen Gegner alle Register« gezogen, kritisiert der ehemalige Fraktionschef der Berliner Piraten, die vor fast genau drei Jahren mit 8,9 Prozent und 15 Abgeordneten einst so erfolgreich das Berliner Landesparlament enterten.
Höfinghoff selbst verschmäht derlei nautische Vergleiche inzwischen. Bereits am Donnerstag hat der 37-Jährige aufgrund der andauernden innerparteilichen Querelen seine Parteimitgliedschaft aufgekündigt. Mit der Aufhebung seiner Immunität durch den Rechtsausschuss vor kurzem, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen einer Auseinandersetzung mit Neonazis ermittelt, hat der Austritt allerdings nichts zu tun, betont Höfinghoff. In der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus will der Abgeordnete seine Arbeit nun als Parteiloser fortsetzen. »Ich werde mich weiter für Mietenpolitik und im Bereich Inneres engagieren«, sagt Höfinghoff dem »neuen deutschland«. Damit habe die Fraktion kein Problem. Auch Christopher Lauer hatte erklärt, als Parteiloser weiter in der Piratenfraktion Politik machen zu wollen. Im wichtigen Innenausschuss würden somit zwei parteilose Mitglieder der Piratenfraktion sitzen. In eine andere Fraktion will Höfinghoff nach Eigenangabe erst einmal nicht wechseln. Auch wenn er findet, dass eine »linke-undogmatische« Partei im Berliner Parteienspektrum durchaus einen Platz haben könnte. In der überparteilichen Strömung »Progressivre Plattform« will Höfinghoff ebenfalls weiter mitmischen.
Als Hauptursache für seinen Austritt gibt der ehemalige Piratenpolitiker die Entwicklung der Piratenpartei in den vergangenen Monaten an. Selbstverständlich sei es gewesen, dass es in einer so jungen Partei turbulent zugehe. Doch mit der Durchsetzung des sogenannten sozialliberalen Flügels seit der letzten Bundesmitgliederversammlung habe sich der Zustand der Partei weiter rapide verschlechtert. »Das ist für mich untragbar.« Dabei sei nicht mal klar, was das Label »sozialliberal« überhaupt politisch bedeuten solle, sagt Höfinghoff, der sich aufgrund der permanenten Querelen zuletzt nicht mehr auf seine Arbeit im Abgeordnetenhaus konzentrieren konnte. Nun ist Höfinghoff in der politischen Auseinandersetzung sicher kein Kind von Traurigkeit. Seine innerparteilichen Gegner bezeichnet er als »relativ unpolitische Karnickelzüchter«, die lediglich »leere Worthülsen« produzieren. Höfinghoff selbst hofft, mit dem Parteiaustritt den ständigen Nerv der innerparteilichen Querelen hinter sich zu lassen. Wahrscheinlicher ist, dass der Shitstorm nach der Austrittserklärung erst richtig losgeht.
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