Blockupy ist den Kinderschuhen entwachsen

Am Donnerstag beginnen Aktionstage des kapitalismuskritischen Bündnisses / Auseinandersetzung über »das, was zu tun ist«

  • János Erkens, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir warten nicht auf die Termine der Herrschenden und setzen unsere eigene Agenda!« Auch wenn das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB) nun doch nicht, wie es lange geplant war, dieser Tage bezogen wird, das Blockupy-Bündnis gibt sich entschlossen. Die Strukturprogramme der Herrschenden seien mittlerweile zwar »softer verpackt«, heißt es in einer der jüngsten Mitteilungen des Bündnisses. Doch dagegen, dass die Krisenpolitik der Troika aus EZB, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds schleichend zum Normalbetrieb wird, wollen sich die AktivistInnen auch im dritten Jahr des Blockupy-Bestehens wehren.

Von Donnerstag bis Sonntag lädt Blockupy deshalb zum Aktionswochenende - auch »Festival« genannt - unter dem Motto »talk, dance, act« in Frankfurt am Main. Auf dem Programm stehen Arbeitsgruppen, Workshops, Podiumsdiskussionen, ein Kulturprogramm und eine Demonstration. Letztere hätte eigentlich zeitlich mit dem Bezug des Neubaus der EZB zusammen fallen sollen. Doch die Eröffnung des opulenten Glas- und Stahlkomplexes wird nun erst im nächsten Jahr sein, wie es bei der EZB heißt.

Die AktivistInnen wollen während der vier Tage die inhaltliche Auseinandersetzung über »das, was zu tun ist«, fortsetzen, wie es im Programmheft heißt. Denn Blockupy ist mittlerweile den Kinderschuhen sozialer Bewegungen entwachsen und sieht sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert als noch vor zwei Jahren. Nachdem der Zusammenschluss aus der interventionistischen Linken, Attac, Occupy Frankfurt, Gewerkschaften, Jugend- und Studierendenverbänden, der Linkspartei und anderen politischen Gruppen als spontane Protestreaktion auf das Krisenregime der Troika in seiner Anfangszeit enormes Mobilisierungspotenzial hatte, blieben die Hoffnungen bisher aus, ein breites, von weiten Teilen der Gesellschaft getragenes Bündnis zu werden. »Zu den ersten Demonstrationen gegen die Krisenpolitik sind damals bis zu 10 000 Menschen gekommen«, erinnert sich Thomas Sablowski, Politikwissenschaftler an der Universität Frankfurt, Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung und wissenschaftlicher Beirat des Arbeitskreises Eurokrise bei Attac. »Und das war nicht nur typisches linkes Publikum.«

Auch Christian Linden, dessen Gruppe »...umsganze!« zum Blockupy-Bündnis gehört, erinnert sich an eine kurze Phase, in der die Kritiker-Innen der Austeritätspolitik sich als Teil einer Massenbewegung fühlten: »Damals waren sogar in bürgerlichen Medien Ansätze von Kapitalismuskritik zu lesen. Das ist heute nicht mehr so.« In dem Maße, wie die salonfähige Kritik an den herrschenden Verhältnissen verebbt ist, seien auch die Teilnehmerzahlen an Blocklupy-Aktionen rückläufig, so Sablowski: »Aber das gilt für ganz Europa.«

»Bei diesem Festival geht es stärker um Inhalte«, kündigt Linden daher an. Nach den eventorientierten Aktionen, die Blockupy bisher charakterisiert hätten, stünden nun Auseinandersetzungen an, die offenbar auch zum Erwachsenwerden linker Bewegungen gehören. Etwa die um das eigene Selbstverständnis: »Blockupy ist immer schon ein breites Bündnis aus antikapitalistischen Gruppen gewesen«, sagt Sablowski. »In der Anfangszeit hat sich das Bündnis auch noch recht stark von sämtlichen politischen Institutionen abgegrenzt.« Mittlerweile haben Teile von Blockupy Anschlüsse zu Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Parteien gesucht. »Es ist natürlich eine große Chance, die linke Machtfrage auch auf parlamentarischer Ebene stellen zu können«, findet er. Und auch Linden, der sich selbst innerhalb des Blockupy-Spektrums als radikal antikapitalistisch und antinational verortet, hält die Professionalisierung des Bündnisses »erst einmal für einen sinnvollen Prozess«. Dieser werfe allerdings die »Mutter aller linken Fragen« auf, wie es in der Ankündigung des Festivalauftaktes heißt: »Was tun mit der Macht, wie denken in Staat und Regierung?« Die einzelnen Teile des Spektrums zu verbinden, ist laut Sablowski eine der größten Herausforderungen, vor der Blockupy aktuell steht.

Linden sieht die Aufgabe des gereiften Blockupy-Bündnisses maßgeblich darin, die Zusammenhänge zwischen Finanzkrise und kapitalistischer Produktionsweise deutlich zu machen. Dazu wollen die AktivistInnen in den Arbeitsgruppen weitere Konsequenzen der europäischen Finanzpolitik thematisieren, etwa die gewaltsame Abschottung gegenüber Flüchtlingen. »Es ist die unangenehme Rolle von Blockupy, die Krise nach Deutschland zu holen«, erklärt Linden. Wenn dadurch deutlich wird, was die Interventionistische Linke vor geraumer Zeit auf Plakaten behauptete, braucht es vielleicht kein prominentes Ereignis wie die EZB-Einweihungsfeier, um für zukünftige Blockupy-Demonstrationen zu mobilisieren: »Die Krise heißt Kapitalismus!«

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