»Ich brauche das Chaos, und ich liebe das Rohe«
Frank Castorf über die »Goldene Henne«, die ekelhafte Süße von Cola und Rambos Maschinenpistole
Das Theater von Frank Castorf: aufreizend pubertär, willentlich grob, augenzwinkernd frauenscharf, dämonisch langatmig – und dann plötzlich, inmitten des Chaos aus fortlaufenden sprachlichen und körperlichen Beschädigungen, erschütternd menschlich und wahrhaftig. Ein Interview mit dem ebenso streitbaren wie streitlustigen Künstler zur besinnlichen Weihnachtszeit.
Herr Castorf, bedeutet Ihnen das Wort »Sieg« etwas? Oder der Erfolg?
Erfolg hatte ich, und immer habe ich etwas anderes darunter verstanden als das Feuilleton. Sieg? Ich weiß, dass wir unsere Kriege verloren haben.
Welche Kriege?
Gegen die Gleichmütigkeit der Gesellschaft. Gegen einen Markt, der ja noch die langweiligste Inszenierung von mir beflissen verarbeitet. Und je nachdem, wie ihm zumute ist, jubelt er hoch oder zischt er nieder.
Wirkliche Gespräche über bewegende Themen finden nicht mehr statt?
Diskurs ist ein Abwürgmechanismus. Und Interesse wird kräftig geheuchelt. Ich weiß doch genau, dass Leute in meinen Aufführungen sitzen, die langweilen sich zu Tode, aber die halten das aus, weil sie mal am Unverständlichen, am schwer Konsumierbaren, am Verquasten, am unkultiviert Ostigen und geistig Verzwergten gerochen haben wollen.
Und? Was tun Sie dagegen?
Ich werde weiter mit Freude unverständlich, schwe...
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