Guter Protest, böser Protest

Wie in den Medien die Blockupy-Proteste kommentiert werden. Ein Überblick

  • Lesedauer: 5 Min.

Nach dem Aktionstag des Blockupy-Bündnisses gegen EZB-Politik und Krisenkurs der Bundesregierung stehen die Auseinandersetzungen mit der Polizei vom Mittwochmorgen im Zentrum der politischen Diskussion. Widerhall fanden die Ereignisse vom Mittwochmorgen auch in der Presse:

Die grüne »Tageszeitung« kommentierte, »Gewalt ist nicht das richtige Mittel, um politische Auseinandersetzungen zu führen. Auch nicht, wenn sie sich gegen Dinge wie Autos richtet. Erst recht nicht, wenn Menschen – wie Polizeibeamte – angegriffen werden.« Letztlich sei es »die Auseinandersetzung mit den Inhalten von Blockupy, die als Erstes den Flammen zum Opfer fällt. Und das ist in doppelter Hinsicht fatal. Weil die Kritik an der europäischen Sparpolitik, wie sie vor allem von Berlin betrieben wird, richtig ist.«

Die linksliberale »Frankfurter Rundschau« schreibt, »einen derartigen Ausbruch von Gewalt hat Frankfurt noch nie erlebt. Hier hat sich eine 'große Wut' gegen die europäische Finanzpolitik entladen, wie ein Blockupy-Aktivist feststellte. Doch so berechtigt diese Wut auch sein mag - jeder Demonstrant, der sie in Gewalt münden ließ, hat sein politisches Anliegen gezielt verraten. Hat die Argumente der vielen geschwächt, die gewaltfrei protestierten. Und nicht zuletzt Hardliner gestärkt, die mit Begriffen wie 'linke Chaoten' und 'gewaltbereiter Mob' gegen die Demonstrationsfreiheit agitieren.«

»Ja, radikale Kritik an den Verhältnissen braucht radikale Bilder. Nur: Nicht alles, was nach Krawall aussieht, ist radikal«, heißt es bei uns in »neues deutschland«. »Aus dem Hinweis auf die Gewalt der Polizei, auf die strukturelle Gewalt des Systems überhaupt, die oft unterschlagen wird, kann linke Kritik keine Rechtfertigung ziehen: Wer aus guten Gründen eine bessere Welt will, muss an sich selbst andere Maßstäbe anlegen. Auch im Protest. Wenn Bilder mitentscheiden, wie erfolgreich Bewegungen sind, werden diese freilich auch zum Mittel, um Widerstand zu diskreditieren. Blockupy war weit mehr als ein paar brennende Autos und geworfene Steine. Viele Tausend sind gegen eine verheerende Krisenpolitik auf die Straße gegangen. Bunt, friedlich, radikal. Und das bleibt richtig.«

Die konservative »Frankfurter Allgemeine« kritisierte einen »Antikapitalismus und ein Demokratieverständnis, das der parlamentarischen Demokratie feindselig gegenübersteht«. Direkt wurden Linken und Gewerkschaftern eine »Mischung aus gespielter Naivität und kalter Berechnung« vorgeworfen. »Sie wussten genau, was sie taten. Sie nahmen Tote in Kauf. Erst brennen die Streifenwagen, dann die Menschen.«

»Der Blockupy-Protest richtet sich - ganz naiv ausgedrückt - gegen den Kapitalismus«, heißt es beim Nachrichtensender ntv. »Doch etwas näher betrachtet richtet er sich gegen eine Politik und eine Wirtschaft, die sich immer mehr von den Menschen entfernt, die dem Finanzsystem mehr Platz einräumt, als den Nöten von Millionen. Es ist ein Protest von Menschen, die längst aufgehört haben zu glauben, dass sie von den Parlamenten, den Unternehmen und den Banken gehört werden. Auch wenn es nicht die EZB war, die das so gemacht hat. Und es ist ein guter Protest.«

Für die »Rhein-Neckar-Zeitung« steht fest: »Mit der Eskalation haben die Autonomen vor allem das Recht auf Meinungsfreiheit in Geiselhaft genommen - und beschädigt. Und damit all jenen unfreiwillig in die Hände gespielt, die selbst wohlüberlegte Kritik am Kapitalismus schlicht als krude Ideen 'linker Spinner' abtun.«

»Es steht außer Frage, dass die Gewaltausbrüche in Frankfurt am Main durch nichts zu rechtfertigen sind. Freilich: Nicht alle Demonstranten waren auf Krawall gebürstet, doch der gestrige Tag hat wieder einmal daran erinnert, dass es auch auf der linken Seite des politischen Spektrums ein gewaltbereites Potenzial gibt. Da ist es mehr als befremdlich, dass sich eine Bundestagsabgeordnete der Linken hinstellt und die Blockupy-Proteste mit denen für mehr Demokratie vor einem Jahr auf dem Kiewer Maidan vergleicht«, schreibt die »Thüringische Landeszeitung«.

Die Südwest-Presse schreibt: »Noch empörender als die vermummten Randalierer und Chaoten, die gestern die Frankfurter Innenstadt rund um die EZB-Türme zum Schlachtfeld machten, sind die ewig gleichen Versuche, die gewalttätigen Ausschreitungen der linken Szene zu relativieren. (...) Es war vielmehr eine hoch intelligent arrangierte Inszenierung, die nur ein Ziel hatte: Bilder zu produzieren, die beweisen, dass eine angeblich übermächtige Staatsmacht einen vermeintlich gerechtfertigten Protest niederknüppelt. Ob dabei Polizei oder friedliche Demonstranten zu Opfern wurden, war den Randalierern vollkommen egal. Leider erwiesen sie denen, die ein wirkliches Anliegen haben, einen Bärendienst: Alle Argumente gegen Bankenmacht und Globalisierung sind gestern in den Flammen der brennenden Barrikaden aufgegangen. Blockupy hat sich selbst erledigt.«

»Die Gewalttäter bilden zwar nur eine kleine Minderheit bei den Protestierern von Blockupy. Aber sie bestimmen die Schlagzeilen. Mit ihren sinnlosen Attacken auf Polizisten, öffentliches und privates Eigentum diskreditieren sie die Anliegen der Protestbewegung, die durchaus berechtigte Fragen stellt. Wem nützt die Rettungspolitik der Euro-Gruppe und der Europäischen Zentralbank? Warum flutet die Notenbank die europäische Wirtschaft mit Billionen, wenn zugleich kein Geld für die Obdachlosen in Griechenland da ist? Warum zahlen die Reichen in Südeuropa so wenig Steuern? Wer trägt die Last der Anpassungsprogramme in Griechenland, Spanien, Portugal oder Irland? Alles richtige Fragen. Doch die Debatte darüber geht unter, wenn Gewalttäter aus ganz Europa die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt zum Anlass nehmen, wieder einmal richtig Randale zu machen«, heißt es in der »Rheinischen Post«. nd

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