Linke wollen Friedenskonferenz mit Gorbatschow
Antrag an Bundesparteitag in Bielefeld bekräftigt »Auflösung der NATO als zentrales Ziel« / Liebich: Sowjetischer Ex-Staatschef für innerparteiliche Debatte missbraucht / Gysi: Außenpolitik nicht das größte Hindernis für Rot-Rot-Grün
Berlin. Ein Antrag zum Bundesparteitag der Linken Anfang Juni in Bielefeld sorgt für Gesprächsstoff: Darin wird der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow aus Anlass des Ukraine-Konflikts gebeten, »eine Weltfriedenskonferenz zu initiieren«. Wie die »Mitteldeutsche Zeitung« schreibt, werden USA und NATO in dem Papier als Hauptverursacher des Konflikts dargestellt. Die Konferenz solle vor diesem Hintergrund dafür sorgen, »dass Schluss gemacht wird mit der Praxis der USA und der NATO, überall in der Welt, wo es das Kräfteverhältnis zulässt und es ihren imperialen Interessen entspricht, mittels Drohnen zu morden und Soldaten zu schicken«. Am Ende fordern die Antragsteller »die Auflösung der NATO als zentrales Ziel« und versprechen, die Linkspartei werde sich gegen »eine Kumpanei mit der US-Kriegspolitik zur Wehr setzen«.
Der Antrag ist von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und anderen Vertretern des linken Flügels wie den Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Wolfgang Gehrcke sowie dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Tobias Pflüger mitunterzeichnet. Die »Mitteldeutsche Zeitung« schreibt in einer Vorabmeldung, der Antrag ziele »offenbar darauf ab, eine Annäherung an SPD und Grüne und damit eine rot-rot-grüne Koalition zu hintertreiben«.
Auch der Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, sieht in dem Parteitagsantrag vor allem eine Wortmeldung in den innerparteilichen Diskussionen. Er sagte der »Mitteldeutschen Zeitung«, es sei absurd, »einen ehemaligen sowjetischen Parteichef, den viele der Unterzeichner lange Zeit nicht mit spitzen Fingern anfassen wollten, auf diese Weise für unsere innerparteilichen Debatten missbrauchen zu wollen«.
Die außenpolitischen Vorstellungen des linken Flügels der Linkspartei würden als Haupthindernis einer möglichen Koalition von SPD, Linkspartei und Grünen auf Bundesebene gelten, so das Blatt. Linksfraktionschef Gregor Gysi hatte zuletzt allerdings erneut darauf verwiesen, dass auf einem denkbaren Weg zu Rot-Rot-Grün andere Fragen komplizierter zu beantworten sein werden. »Am Ende wird nicht die Außenpolitik so schwierig sein, sondern die Umverteilungsfrage. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie wir SPD und Grüne zu mehr Steuergerechtigkeit und einer umfassenden, Altersarmut verhindernden Rentenreform bewegen sollen«, sagte Gysi der »Berliner Zeitung«.
Der Fraktionschef forderte seine Partei auf, kompromissfähig zu sein, »ohne ihre Identität zu verlieren. Die Mischung ist nicht so einfach«, sagte Gysi. Mit Blick auf die untrerschiedlichen Vorstellungen innerhalb der Linkspartei über die Frage, unter welchen Bedingungen eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen möglich sein könnte, meinte Gysi, »ich sage meinen Linken immer, ihr müsst auch mit rechten Sozialdemokraten reden. Und der SPD sage ich, es reicht nicht, mit Stefan Liebich zu reden. Ihr müsst auch mit Sahra Wagenknecht sprechen. Auf der Stufe sind wir noch nicht.«
Mit Blick auf die Frage einer Kooperation mit Sozialdemokraten und Grünen hatte es zuletzt aus der Linkspartei sehr skeptische Stimmen gegeben. »Mit der SPD kriegen Sie doch einen Regierungswechsel nicht hin«, war Fraktionsvize Sahra Wagenknecht zitiert worden. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, hatte betont, sie sehe keine Grundlage für eine solche Koalition auf Bundesebene, solange Vereinbarungen für eine Mindestrente von 1050 Euro sowie einen tief greifenden Politikwechsel bei Gesundheit und Sozialem inklusive der Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen nicht möglich sind.
Der Außenpolitiker Liebich war in der »Mitteldeutschen Zeitung« mit den Worten wiedergegeben worden: »Wir müssen über die üblichen Flügel hinaus, aber auch auf der Spitzenebene Vertrauensverhältnisse erarbeiten. Und wir müssen von dem vorsichtigen Umeinander-her-Tänzeln der Partei- und Fraktionsvorsitzenden wegkommen und mal vertrauensvolle Gespräche über die Lage führen. Sonst wird es nie einen Machtwechsel geben.«
Unter Sozialdemokraten ist die Neigung zu einer Kooperation mit der Linkspartei weiterhin ohnehin nicht besonders groß. »Meine Skepsis gegenüber Rot-Rot-Grün im Bund steigt angesichts der Debatten in der Linkspartei noch weiter«, hatte zu Wochenbeginn der stellvertretende SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel erklärt und einen alten Vorwurf erneuert: »Der Laden ist nicht regierungswillig und -fähig.« nd
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