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Krise, welche Krise?
Die »Krise der Antifa« ist höchstens die Krise der Biografien von Antifa-Aktivist*innen.
Die Auflösung und Umbenennung einiger sehr bekannter städtischer Antifa-Gruppen in der BRD verursachte in dem dazugehörigen Teilbereich eine mittlere Erschütterung. Diese Entwicklung, unter der »Krise der Antifa« verschlagwortet, ist demgegenüber – so werden wir argumentieren – vielmehr die Auflösung eines sich zum Teil von allgemeiner Gesellschaftskritik verselbstständigten Teilbereiches. Es macht nämlich einen großen Unterschied aus, ob Aktivist*innen in einer allgemeinpolitischen Gruppe sozialisiert sind, die auch Antifa macht, oder in einer Antifa-Gruppe, die sich auch an allgemeinpolitischer Betätigung versucht. Daraus resultieren letztlich unterschiedliche Praxen.
Die Veränderung dieses Teilbereiches fühlt sich für Aktivist*innen vielleicht wie eine biografische Krise an, ist politisch aber keine. Was im Moment passiert, ist nämlich lediglich eine überfällige Rückorientierung hin zu allgemeinpolitischen Gruppen, die Antifa als ein Feld unter vielen behandeln. Auch wenn es in dieser Entwicklung weiterhin verschiedene Schwerpunkte zwischen städtischen und ländlichen Regionen geben wird.
Im Vergleich zur Entstehung der Antifa Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre und den daraus resultierenden Debatten, verlangen die aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen auch eine veränderte Herangehensweise. Dabei spielt sowohl die Offensive der RechtspopulistInnen, als auch der islamistischen Fundamentalist*innen eine Rolle, deren Entwicklung in den letzten zehn Jahren zumindest in dieser Form noch nicht abzusehen, sondern eher als Dystopie vorauszuahnen war.
Als Gruppe setzten wir uns im Zuge der Mobilisierung gegen den sogenannten Anti-Islamisierungskongress von »Pro Köln« bereits im Jahre 2008 mit solchen religiösen Bewegungen und ihren Versuchen, diese von rechts zu kritisieren, im Rahmen des bundesweiten »...ums Ganze!«-Bündnis auseinander. Die Aktualität dieser Auseinandersetzung lässt aufscheinen, in welchem Zusammenhang u.a. die Krise und rechte Bewegungszyklen stehen.
Wer ist diese Antifa?
Die Antifa ist ein Teilbereich der antiautoritären radikalen Linken. Seit jeher wurde darunter eine Einheit von Selbstveränderung und gesellschaftlicher Veränderung verstanden. Denn eine neue Gesellschaft braucht ja auch diejenigen, die diese auch zum Funktionieren bringen. Und wenn mit Revolution die Überwindung jeglicher Herrschaftsverhältnisse gemeint ist, dann bestimmt das Ziel auch den Weg und die Organisierungsformen. Dazu gehört es, Kultur- und Umgangsformen im Hier und Jetzt zu lernen und zu erproben, damit der Weg auch auf diese Entwicklung einer herrschaftsfreien Welt ausgerichtet ist.
Mit Beginn des sogenannten »Antifa-Sommers« im Jahr 2000, eingeleitet von der rot-grünen Bundesregierung, gerieten viele Selbstverständlichkeiten der bisherigen Antifa aus den Fugen. Es entbrannte spätestens seit der Auflösung der »Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation« (AA/BO) Mitte 2001 eine Debatte um die Ausrichtung und ihrem Verhältnis zu allgemeiner Gesellschaftskritik. Diese Debatte war auch eine darum, inwiefern Antifa eine Art Abwehrkampf gegen jegliche Formen reaktionärer Ideologien darstellte, eine potenzielle Offensivstrategie jedoch auch die »sozialen Kämpfe« beinhalten müsste. Ein Problem dieser Debatte war und ist: Wer in einem speziellen Teilbereich sozialisiert ist, kennt meistens vor allem die Debatten aus genau diesem Teilbereich. Nicht mehr und nicht weniger.
Unser Eindruck ist, dass die notwendige Fokusverschiebung auf allgemeine Gesellschaftskritik längst nicht in allen Teilen der Antifa angekommen ist. Ein Beispiel: Ein Bündnis aus Antifa-Gruppen mobilisierte bundesweit zum Nazi-Aufmarsch nach Magdeburg im Februar dieses Jahres, obwohl die Nazis selbst den Aufmarsch gar nicht mehr durchführen wollten. In einer Art automatischem Reflex wurde dennoch weiterhin wegen des vermeintlichen Drohpotenzials mobilisiert. Dies verdeutlicht eines der Probleme, wenn der Hauptschwerpunkt auf der Verfolgung von Nazis und ihren Aufmärschen liegt. Vergessen wir nicht: Kommunismus hebt die Bedingungen auf unter denen Menschen es als richtig erscheint Nazis zu werden.
Wie es dazu kommen konnte
Antifa als Teilbereich entstand aus den Autonomen in den 1980er Jahren Westdeutschlands (neben der antifaschistischen Arbeit des maoistischen »Kommunistischen Bundes Westdeutschland« und des »Kommunistischen Bundes«). Dieser beinhaltete vor allem den Versuch durch militante Aktionen, Recherche, und – partiell – auch Bündnisarbeit, vor allem gegen Nazis vorzugehen. Das heißt, dieser eigenständige Teilbereich ist überhaupt noch gar nicht so alt.
Im Laufe der Zeit verselbstständigte sich dieser Bereich jedoch von einer allgemeinpolitischen Einbettung. Verselbstständigt heißt hier: Es gibt Aktivist*innen, die überwiegend in diesem Teilbereich gearbeitet haben und sozialisiert sind. Gleichzeitig unterschieden sich die Aktionsformen verschiedener Stränge dieser Antifa zum Teil erheblich voneinander.
Es ist eben etwas anderes, wenn man aus einer allgemeinpolitischen Gruppe kommt und Antifa grundsätzlich einen Teil der eigenen Gesellschaftsanalyse und Praxis darstellt. Dieser Unterschied offenbart sich zum einen auf der Ebene der Gesellschaftsanalyse und der Einschätzung dessen, wie gefährlich Nazis zwar unmittelbar für bestimmte Gruppen sind, gleichzeitig aber keine Machtübernahme durch Nazis anstand bzw. ansteht. Sie unterscheiden sich aber auch darin, welche Aktionsformen als tauglich dazu angesehen werden, linke Inhalte zu verbreiten. Auch an unserer Vorgängergruppe »Autonome Antifa [f]«, lässt sich dieser Unterschied sehr stark nachvollziehen. Wir kamen zwar zum Großteil biografisch aus dem Feld der Antifa, versuchten diese aber immer in allgemeiner Gesellschaftskritik zu verorten und waren unter anderem deshalb in diesem Teilbereich eine polarisierende Gruppe.
Das Besondere an diesem Teilbereich Antifa machte aus, dass seine Inhalte stark von den Autonomen geprägt waren. Ebenso deren Revolutionstheorie: Selbstorganisation auf allen Ebenen bildet Vorformen der neuen Gesellschaft. Diese bilden dann eine Gegenmacht, die den Staat unwirksam werden lässt. Gleichzeitig war die antifaschistische Kritik an Herrschaft und Staat sehr »im Außen« verortet, mit der Annahme das sich Herrschaft vor allem mittels äußerer Repression vollziehen würde und nicht gewissermaßen die tägliche Praxis Einzelner strukturiert und somit gewissermaßen »unsichtbar« macht. Wichtiger Abgrenzungspunkt zur bürgerlichen Gesellschaft war Militanz auf allen Ebenen, die auch Abgrenzung zur autoritären Linken und den Bürgerlichen waren und sind.
Wie allen linken Strömungen versetzten die Perestroika und der Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre auch den Autonomen einen Schock. Ebenso denjenigen, die Moskau anhingen, als auch die Linkskommunist*innen, Anarchist*innen und Sozialrevolutionäre, die sich immer von Links abgrenzten, wussten mit der Situation nicht umzugehen. Es wurden sowohl alle Ideen einer sozialen Revolution erschüttert und denunziert und die sogenannte Wiedervereinigung mit der DDR durchgeführt. Darauf folgte eine nationalistische Welle, die nicht enden wollte. Dieses Ereignis nimmt nun auch in der Geschichtsschreibung der Berliner Republik einen großen Raum ein – als sogenannte friedliche Revolution.
Im Zuge dieser Entstehung linker Hilflosigkeit und dem nationalistischen Taumel entwickelte sich eine spezifisch bundesdeutsche Debatte und führte dazu, dass ein Teil der Linken unter anderem mithilfe der Faschisierungsthese des »Kommunistischen Bundes« eine Angst vor dem »4. Reich« entwickelte, die sich zumindest scheinbar auch bewahrheiten sollte. Die Annahme war, dass sich die bürgerliche Gesellschaft in ihrer Fortentwicklung immer mehr in Richtung Faschismus entwickeln würde. Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Mannheim etc. schienen dies zu bestätigen. Diese These war hochumstritten und im Zuge dieser Debatte zeigten sich auch große inhaltliche und strategische Dissense zwischen Teilen der Ost- und Westlinken. Unter anderem anhand der Publikationen der westdeutschen »Wohlfahrtsausschüsse« lassen sich diese Differenzen gut nachvollziehen. Zu diskutieren wäre, welche Nachwirkungen das bis heute hat. Inmitten dieser Entwicklungen war an eine linke Offensive nicht zu denken. Vieles konzentrierte sich auf die Abwehr der Angriffe marodierender Deutscher.
Die Teilung der Antifa in drei Stränge
Ein Versuch auf diese Entwicklungen in der Gesellschaft und der Linken zu reagieren, war die AA/BO, die zum Ausgangspunkt den autonomen Antifaschismus machte und als eine allgemeine Gesellschaftskritik wenden wollte. Sie kamen zwar aus der autonomen Szene, hatten jedoch gleichzeitig starke Kritik an deren Inhalten, Aktions- und Kulturformen. Ihr Konzept nannte sich »revolutionärer Antifaschismus« und versuchte »Antifa« als Ausgangspunkt und Hebel für einen Umsturz zu benutzen. Dieser beinhaltete einen bunten Mix aus Agitprop-Formen der KPD vor der Machtübernahme durch die NSDAP und Traditionsfolklore. So gliederte sich die Antifa in den Teil, der »Antifa« als den Kampf ums Ganze begriff, und denjenigen, der sich vor allem auf Recherche in Kleingruppen bezog – wie das »Bundesweite Antifa Treffen« (BAT).
Ein dritter Strang ist der staatlich geförderte Antifaschismus, vor allem nach dem sogenannten »Antifa-Sommer« der rot-grünen Bundesregierung Anfang der 2000er Jahre, in dem altgediente Aktivist*innen zum Teil ihren Platz fanden. Sie simulieren die sogenannte Zivilgesellschaft, aus der dann u.a. Teile der »Interventionistischen Linken« ihre Revolutionsstrategie, die derzeitige Zivilgesellschaft revolutionär gegen den Staat in Stellung bringen zu können, ableiten. Das Problem an dieser Annahme ist: Zivilgesellschaft, wie sie sich Teile der Linken mit Gramsci herleiten wollen, existiert heute nicht mehr in ausreichendem Maße. Die Mehrheit dieser sogenannten Zivilgesellschaft hängt an staatlicher Finanzierung und würde bei entsprechender Positionierung ihr Geld verlieren. Als ein Beispiel dafür dient die Debatte rund um die Extremismusklausel.
Unter anderem auch als Reaktion auf den erwähnten »Antifa-Sommer«, wurde innerhalb der Antifa erneut über die allgemeinpolitische Positionierung und Gesellschaftskritik diskutiert. Es ging dabei auch um die Erfolgskriterien der eigenen Politik. Während sich Teilerfolge insofern verbuchen ließen, als dass Nazi-Aufmärsche gestoppt werden konnten, einem die eigene Arbeit von staatlichen Apparaten zum Teil weiter finanziert wurde und dass Jugendliche über »Pop-Antifa«-Events sozialisiert wurden, war es schwieriger, sich von Bürgerlichen abzugrenzen. Der öffentliche Diskurs änderte sich: Es war nun sowohl möglich für Deutschland und gegen Nazis zu sein. Die alten Analysen hielten dieser Realität zum Teil nicht Stand. Dieser modernisierte Nationalismus der Berliner Republik, der sowohl Bedingung und Folge der guten Stellung auf dem Weltmark darstellt, stellte die Linke vor einige Rätsel.
Zu dieser Zeit wurden unter »Praxis« vor allem sogenannte Strafexpeditionen verstanden, indem ein Haufen schwarz gekleideter städtischer Aktivist*innen zu Hunderten oder Tausenden durch leere Straßen zogen und die Anwohner*innen beschimpften. Da auch den Aktivist*innen selbst klar war, dass diese Form nur sehr begrenzt ist, wurde viel über die Aufarbeitung linker Geschichte mit ihren Strategien und Analysen debattiert. Vor allem vonseiten dissidenter Strömungen. Wie beispielsweise auf dem Kongress »Indeterminate! Kommunismus« im Winter 2003 in Frankfurt am Main.
Das weltbewegende Ereignis des Angriffes auf das World Trade Center in New York City, das heute allgemein unter der Chiffre 9/11 bekannt ist, verstärkte die Polarisierung und Ratlosigkeit in der deutschen Linken. Die kurze Zeit vorher aufgelöste AA/BO bzw. ihre übrig gebliebenen Gruppen wurden dementsprechend von diesem Ereignis beeinflusst. In der Antifa entbrannte ein neuer Streit über die allgemeinpolitische Ausrichtung und den Entwicklungen der globalen Lage – mit ihrer Bedeutung des politischen Islam. Dies diskutierte dieser Teilbereich leidenschaftlich und trug viele daraus resultierende Spaltungen davon, da hier mehrere Generationen aufeinanderprallten, deren Einschätzung bezüglich Nazis sowie aktueller Ereignisse und deren Bezug zu den kapitalistischen Verhältnissen auseinanderging. Beziehungsweise was nun zu tun sei, um wieder in die Offensive zu kommen. Doch, auch innerhalb der Generationen gab es diese Spannungen. Es war kein reiner »Generationenkonflikt«, sondern einer um Inhalte der eben auch immer mit verschiedenen Zeitabschnitten verknüpft ist.
Zurück zu den »sozialen Kämpfen«
Den in den 1990er Jahren, nach dem Ende des Kalten Krieges mit großem Auftrieb durchgesetzten offensiven Angriffen des Staates und Kapitals auf viele Errungenschaften linker Bewegungen (Sozialstaat, linke Infrastruktur, öffentliche Infrastruktur bspw.), konnte durch das Brachliegen der Linken kaum effektiv begegnet werden. Die sogenannte soziale Frage wurde – und wird - weitgehend von der bürgerlichen Rechten dominiert.
Auch der massiven Verarmung u.a. der Mittelschichten (»Re-Proletarisierung«) konnte die Linke nicht effektiv entgegen treten bzw. wurde mithilfe der in den Apparaten arbeitenden Linken mit durchgesetzt (DGB, linke Parteien). Dies lässt sich sowohl an den Vorbereitungen der Privatisierung öffentlichen Eigentums wie der Bahn, dem Bildungswesen, dem öffentlichen Dienst, der Reform der Arbeitslosenhilfe und staatlichen Versorgung durch Krankenhäuser und so weiter, sehen. Alle diese Entwicklungen erhielten in ihrer Planungsphase in den 1990er Jahren eine neue Radikalität, die vorher so noch nicht abzusehen war. Viele der Proteste der letzten zehn Jahre und den aktuell aufflackernden Widerständen in der Pflege, um Mietpreise, den Streiks der Gewerkschaft der Lokführer oder den Protesten gegen Studiengebühren und Einführung von Hartz IV lassen Widerstände erkennen, sind aber Reaktionen auf dort angestoßene Entwicklungen. Relevant zu wissen ist das deshalb, weil das Bewusstsein in weiten Teilen der Gesellschaft und der antiautoritären Linken um diese Entwicklungen und Kämpfe kaum noch vorhanden ist. So sind auch die Antworten radikaler Linker von Erfahrungslücken geprägt, die sehr schwer zu überbrücken sind. Wenn dann Antifa-Gruppen in der Debatte um die »Krise der Antifa« verkünden, dass Stadtteilläden und Alltagsorganisierung jetzt wieder anstehen und das als große Neuerung verkaufen, muss man sagen, dass sich hier eher das Problem linker Erfahrungslosigkeit offenbart, als dass hier eine neue bahnbrechende Erkenntnis errungen wurde. Während also die antiautoritäre Linke kaum noch Erfahrungen in dem Feld der sozialen Kämpfe hat, war die autoritäre Linke dort nie verschwunden.
Die auch in der Antifa diskutierten Strategien zur Reaktion auf diese sozialen Angriffe orientierten sich weitgehend an den Mitteln der gut bekannten Kampagnenpolitik. Thema XY wird aufgegriffen, Plakate gedruckt und öffentliche Diskussionen mit Stars und Sternchen der Linken mit abschließender Bündnisdemonstration gemacht. So gut, so beschränkt. Auch der eigene Horizont der Antifas endete häufig an den Grenzen der Aktionsformen von Autonomen. Dazu kommen diejenigen, die vor allem auf Formen von Alternativ-, und Gegengesellschaft setzen, in der Folge jedoch allzu oft in der eigenen Einrichtung der Verhältnisse landen. Neben dem, dass diese Formen in der Regel vor allem attraktiv für das relativ vermögende Milieu einer angehenden, oder aktuellen Mittelschicht sind. Die Chancen auf Verallgemeinerung sind deshalb (leider) gering und so bleibt man unter sich.
Das Problem an der Übertragung der Aktionsformen und Strategien antifaschistischer Proteste liegt darin, dass sie auf den Bereich sozialer Auseinandersetzungen wie Miete, Arbeitskampf oder anderen Kämpfen um Reproduktion nicht passen. Erfolgreich waren diese Versuche von Antifa-Gruppen deshalb bisher kaum. Demgegenüber fehlt es an Ideen und Wissen darum, wie denn eine kommunistische Kritik auf Höhe der Zeit aussehen könnte, die dann auch noch in Praxis mündet. Und nicht nur in den gleichen Agitationsformen wie Demo, Flyer, Veranstaltung.
Was im Moment wieder diskutiert wird ist, wie so etwas wie linke Mieter*inneninitiativen (Beispiel: Kotti & Co, Berlin), linksgewerkschaftliche Alternativen zum DGB (Beispiel: Industrial Workers of the World (IWW)) oder Stadtteilläden (Beispiel: Zentrum Resonanz, Bremen) aussehen könnten. Um nur einige Beispiele zu nennen, die auch unter Gruppen von »...ums Ganze!« diskutiert und zum Teil mitgetragen werden.
Auch die Beteiligung an den Krisenprotesten wie Blockupy, M31 oder auch gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main fallen unter diese Debatte, die eigenen Grenzen von Antifa und ihrer allgemeinpolitischen Verortung, zu erweitern. Einher gehen damit Diskussionen über das eigene Milieu und das Ausprobieren von Aktions- und Agitationsformen, die für einen selbst bisher ein rotes Tuch waren.
Aktuelle gesellschaftliche Bedingungen
Die Krise seit 2007ff. hat die Tendenz bürgerlicher Gesellschaften ins Reaktionäre zu kippen, wieder befeuert. Nicht erst wegen dieses Umstands ist es wichtig, sich mit der Rechten zu beschäftigen. Es sind diese Bedingungen, die die bürgerliche Rechte, Rechtspopulist*innen und zum Teil Nazis haben so stark werden lassen. Gleichzeitig ist eine antiautoritäre Linke in dem Feld der sozialen Kämpfe die letzten 20 Jahre kaum aktiv gewesen. Wenn überhaupt, dann hat die autoritäre Linke, wie DKP oder MLPD beispielsweise, eine Verankerung in einigen gesellschaftlichen Feldern. Sie sind zwar verankert, vertreten aber andere Inhalte. Denn sie lehnen unter anderem die Einheit von Selbstveränderung und gesellschaftlicher Veränderung ab.
Die Umbenennung unserer Gruppe als auch die Auflösung der »Antifaschistischen Linken Berlin« (ALB), lesen sich wie eine Reflexion auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Wenn auch mit anderen Begründungen und Schlüssen. Dieser Teil der Linken hat kaum noch gelernt langfristige Klein-Klein-Arbeit, abseits des Aufbaus von Jugendantifa-Gruppen oder langjährigen Kampagnen (Beispiel: Silvio Meier), zu leisten.
Was hier als die »Krise der Antifa« in den Städten erscheint, ist die Reaktion darauf, dass die BRD auf dem Weltmarkt gut dasteht, gleichzeitig in diesen Metropolen Nazis weitgehend marginalisiert sind und auch nicht in die technologisch hochgerüsteten Metropolregionen passen, da sie die Atmosphäre für das kreative, gebildete Bürgertum zerstören. Sie behindern ebenfalls den Zuzug gering qualifizierter migrantischer Arbeitskräfte, ohne die diese Regionen noch nie haben überleben können. Nazis werden unter anderem deshalb auch wirklich nicht gewollt und zum Teil auch offensiv bekämpft. In ländlichen Regionen, die eben diese Bedingungen nicht haben, breiten sich Nazis zum Teil flächendeckend aus. Sie sind die Einzigen, die in bestimmten Gebieten überhaupt noch so etwas wie eine soziale Infrastruktur stützen.
Die Redaktion der linkskommunistischen »Wildcat« schrieb vor kurzem sehr richtig, das das Proletariat in dem Moment »verschwindet«, in dem sich eine umfassende »Re-Proletarisierung« verallgemeinert. So wird einerseits auch unter Linken ihre eigene Lohnabhängigkeit wieder zum Thema, gleichzeitig breiten sich wieder, unter der größtenteils aus der Mittelschicht kommenden antiautoritären Linken, wie auch dem Rest der Klasse, Abstiegsängste aus. Dass die AfD und andere Rechte doch genau an diesen Stellen sehr erfolgreich sind, zeigt, dass sie in der Offensive sind. Was in vielen Analysen oftmals als Repräsentationskrise oder auch Politikverdrossenheit beschrieben wird, müsste – theoretisch zumindest – nicht unbedingt etwas Schlechtes sein – wenn denn die antiautoritäre Linke flächendeckend in genau diesen Feldern der »sozialen Kämpfe« unterwegs wäre.
Das Bürgertum und die absteigende Mittelschicht baut sich im Moment eine neue Partei und kanalisiert damit den Rassismus/Sexismus/Sozialchauvinismus anderer Klassenteile. Die Antifa merkt, dass die alten Strategien der breiten, linken Bündnisse, Recherche und Militanz insofern Leerstellen haben, als dass die alltägliche Klein-Klein-Arbeit wenig Raum einnimmt. Und wenn sich hinterher nicht viel mehr Leute von linker Kritik haben überzeugen lassen, wird sich langfristig auch wenig ändern. Um dies zu korrigieren, wenden sich auch vor allem die städtischen Antifas wieder diesen Feldern zu.
Ein ganz anderes Problem stellt sich dann aber auch für diejenigen Antifas dar, die in ländlichen Gebieten wohnen oder auch in Städten wie Dortmund oder Aachen, in der der tägliche Überlebenskampf noch mehr auf der Tagesordnung steht. Dort ist der Spagat zwischen Abwehrkampf und dem Versuch über die soziale Frage in die Offensive zu kommen noch schwerer.
Which way? This way!
Doch diese Entwicklung stellt sich weniger als eine Krise dar, als eine notwendige Verschiebung des Koordinatensystems der antiautoritären Linken und ihrer Inhalte. Dazu gehört auch, mit Antifa als Abwehrkampf nicht aufzuhören, ihm aber dennoch den Platz zuzuweisen, den er verdient. Als ein Feld, das notwendigerweise gemacht werden muss und nicht unbedingt das Hauptaktionsfeld darstellen sollte. Denn im Zentrum steht ja immer noch Frage: Wie werfen wir die Verhältnisse um?
Über gemeinsame inhaltliche Verständigung mit anderen Linken über die eigenen Grenzen hinaus, dem Aufbau von linken Strukturen auf verschiedenen Feldern, die über allgemeinpolitische Gruppen vernetzt sind, um dann die alte Gesellschaft aus ihren Angeln zu heben. Fangen wir damit an! Ein Ort waren die Proteste gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. Die Mühen des Alltags beginnen jedoch erst jetzt.
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