Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in Tröglitz
Hunderte beteiligen sich an Demonstration gegen Rassismus / Ex-Bürgermeister bietet Privatwohnung für Flüchtlinge an / Großer Schaden, keine Verletzten - Polizei ermittelt / Flüchtlinge sollten Anfang Mai einziehen
Update 20.00 Uhr: Nach dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Tröglitz haben sich am Samstag rund 300 Menschen an einer spontanen Demonstration in dem Ort beteiligt. Zu der Aktion hatte der zurückgetretene ehrenamtliche Bürgermeister des Orts, Markus Nierth, aufgerufen. Redner aus Politik, von Vereinen und Kirchen warben für ein Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung. Die geplante Unterkunft für Flüchtlinge war in der Nacht vorsätzlich angezündet worden, sie ist nun unbewohnbar. Im Mai sollten 40 Menschen einziehen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte bei der Kundgebung auf dem Friedensplatz, man werde alles tun, um die Verbrecher hinter Gitter zu bringen. Die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Orts seinen noch einmal erhöht worden.
Update 17.15 Uhr: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckhardt, forderte, Bund und Länder müssten mehr für die Sicherheit der Flüchtlinge tun. »Wir dürfen nie wieder in solche Situationen abrutschen, wie wir sie schon in Mölln, Hoyerswerda und Lichtenhagen erlebt haben.« Derweil stufte der leitende Staatsanwalt Jörg Wilkmann den Anschlag als eine »gemeingefährliche Straftat schlimmster Art« und »definitiv besonders schwere Brandstiftung« ein.
Update 16.30 Uhr: Die Spitzen der Linken in Sachsen-Anhalt, Birke Bull und Wulf Gallert, haben den Brandanschlag von Tröglitz aufs Schärfste verurteilt. Die Tat sei »ein symbolischer Angriff auf das Leben von Flüchtlingen« durch »kriminelle Rassisten«. Der Tod von Bewohnern dieses Gebäudes sei billigend in Kauf genommen worden. An der Tat werde auch »die Absurdität der Argumentation von Rechtsextremen und Rechtspopulisten in Tröglitz und anderswo deutlich. Als vermeintlich besorgte Bürger schürt man Hass und Angst vor Flüchtlingen und bedient sich dabei selbst krimineller Handlungen.« Bull und Gallert erklärten, es sei »höchste Zeit, dass Tröglitz sich selbst dagegen wehrt. Heute mit einem Zeichen für Menschlichkeit und in den nächsten Monaten mit der Bereitschaft Menschen aufzunehmen und Solidarität zu üben«.
Update 15.05 Uhr: Nach der Brandstiftung in dem geplanten Flüchtlingsheim von Tröglitz halten die Ermittler einen politischen Hintergrund für naheliegend. »Wir sind aber ganz am Anfang der Ermittlungen, so dass ich mehr dazu im Moment nicht sagen möchte«, sagte die Präsidentin der zuständigen Polizeidirektion in Halle, Christiane Bergmann, am Samstag. Ein politisches Motiv liege jedoch nahe. »In Anbetracht des Gesamtgeschehens in Tröglitz ermittelt der polizeiliche Staatsschutz, weil wir eine politisch motivierte Tat auf keinen Fall ausschließen können.«
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat sich unterdessen bestürzt über den Brandanschlag geäußert. »In bin tief betroffen und wütend, dass dieses Verbrechen stattgefunden hat«, sagte er am Samstag in Halle. Rechtsradikale protestieren in Tröglitz seit Wochen gegen die ab Mai geplante Aufnahme von 40 Asylbewerbern. Haseloff würdigte das Engagement der Bürger, die sich gegen die Neonazis und Rassisten stark gemacht hatten. »Jetzt wollen wir zeigen, dass das bürgerschaftliche Engagement steht und dass wir alles dafür tun werden, dass wir die Flüchtlinge wie geplant unterbringen können.«
Update 14.35 Uhr: Der Vizevorsitzende der SPD, Ralf Stegner, hat »für Brandanschläge gegen Flüchtlingsheime« wie dem in Tröglitz »auch Rechtspopulisten von AfD & Co. politisch verantwortlich« gemacht. Diese würden »Ängste und Vorbehalte schüren«, sagte Stegner im Kurznachrichtendienst Twitter. Der Fraktionsvorsitzende der Linken in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, kündigte seine Teilnahme bei der geplanten Demonstration gegen Rassismus am Nachmittag an. Er hoffe »viele Tröglitzer und Menschen aus dem Burgenlandkreis dort zu sehen«, so Gallert auf Twitter. AM wichtigsten sei nun »die Reaktion der Tröglitzer selbst«.
Update 14 Uhr: Die Vizepräsidentin des Bundestags und Linkenpolitikerin Petra Pau hat angesichts des Brandanschlags in Tröglitz dazu aufgerufen, die »Unmenschlichkeit gegenüber Flüchtlingen mit Aufstand der Anständigen« zu stoppen. Pau sagte auch mit Blick auf die Angriffe auf Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern, »bei so viel Unmenschlichkeit helfen nur noch ein Aufstand der Anständigen vor Ort und mehr Weitsicht der Zuständigen im Land«.
Update 13.45 Uhr: Das Feuer in dem geplanten Tröglitzer Flüchtlingsheim ist nach Erkenntnissen der Ermittler vorsätzlich gelegt worden. Das schrieb die Polizei Sachsen-Anhalt Süd am Samstag in einer Mitteilung, die vor Beginn einer Pressekonferenz in Halle auslag. Ein mögliches Motiv der Täter wurde nicht genannt. Bislang sei bekannt, dass eine oder mehrere Personen in der Nacht auf Samstag in das Haus eingebrochen seien und dort das Feuer gelegt hätten, hieß es in der Mitteilung. »Dabei wurde mit großer Wahrscheinlichkeit auch Brandbeschleuniger verwendet.« Der ausgebaute Dachstuhl wurde durch das Feuer zerstört. Zu dem Brand wollten sich bei der Pressekonferenz Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) und die Staatsanwaltschaft äußern.
Update 12.35 Uhr: Nach dem Brand des als Flüchtlingsheim vorgesehenen Hauses in Tröglitz ruft die örtliche Bürgerinitiative für den Samstagnachmittag zu einer Demonstration gegen Rassismus auf. Um 17 Uhr soll es zudem eine Lichterkette auf dem Friedensplatz der Stadt im Burgenlandkreis geben. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bekräftigte derweil die Offenheit Deutschlands für Flüchtlinge. Er schrieb am Samstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter: »Schlimmer Verdacht nach Brand in #Troeglitz macht fassungslos. Wir müssen weiter deutlich machen: Flüchtlinge sind bei uns willkommen!«
Unterdessen hat der Ex-Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, angeboten, private Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. »Ich habe noch zwei Wohnungen, die ich bereits als Unterkünfte angeboten habe«, sagte Nierth am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Er wünsche sich, dass auch andere Tröglitzer privat Unterkünfte zur Verfügung stellten. »Die Braunen dürfen über unseren Ort nicht siegen«, sagte der 46-Jährige.
Gegenüber dem »Tagesspiegel«, sagte Nierth, von dem Brand werde »Tröglitz sich wohl nie erholen. Ich gehe von Brandstiftung aus, die sogar den Tod des dort noch lebenden (deutschen) Ehepaares in Kauf genommen hat.« Er sei »fassungslos, traurig und wütend zugleich. Da ist die braune Saat so weit aufgegangen, dass man nun lieber Häuser niederbrennt, in denen Familien eine neue Bleibe finden sollten.« Selbst Familien aus Kriegsgebieten werde »von kranken, bösen Gehirnen«nicht freistehender Wohnraum gegönnt. »Eine bleibende Schande für Tröglitz, die uns nun mit Mölln und Hoyerswerda in eine Reihe bringt und noch viele unabsehbare Folgen haben wird.«
Feuer im Tröglitzer Flüchtlingsheim
Berlin. In dem zukünftigen Flüchtlingsheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt hat es in der Nacht zum Samstag gebrannt. Die Polizei nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Brandstiftung auf. Wie die Polizei in Halle mitteilte, konnten sich zwei Bewohner des Hauses unverletzt in Sicherheit bringen. Um wen es sich dabei handelte, war zunächst unklar. Das gesamte Dach sei durch das Feuer zerstört worden. Nach ersten Schätzungen liegt der Schaden im sechsstelligen Bereich.
Der Ort im Burgenlandkreis war bundesweit in den Schlagzeilen, seit der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth nach rechtsradikalen Anfeindungen seinen Rücktritt erklärt hatte. Er fühlte sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt und sah seine Familie nicht gut genug geschützt. Sein Schritt hatte eine bundesweite Debatte über den Schutz von Politikern vor Demonstranten ausgelöst, die Entscheidungsträger auch in ihrer Privatsphäre unter Druck setzen wollen. Nierth sah sich später auch mit Morddrohungen konfrontiert.
Die von der Neonazipartei NPD geführten Proteste richteten sich gegen die geplante Unterbringung von 40 Flüchtlingen. Inzwischen sind die Aufmärsche ausgesetzt. Die ersten sollen Anfang Mai nach Tröglitz kommen. Unlängst hatte Landrat Götz Ulrich (CDU) bei einer Bürgerversammlung mit rund 500 Teilnehmern über die Unterbringung der Flüchtlinge informiert und auch Fehler bei der Planung eingeräumt.
Die Unterbringungspläne sind bereits seit Ende 2014 bekannt. Am 9. März hatte der Kreistag formal beschlossen, Räume in dem 2.700 Einwohner zählenden Dorf anzumieten. Vorgesehen sind für die Flüchtlinge Wohnungen in einem Häuserblock. Agenturen/nd
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