Wahlversprechen unter Gläubigerdruck

Berichte: SYRIZA bietet neue Zugeständnisse an / Krisensitzungen in Athen vor Treffen der Eurogruppe / Presse: »Spiel mit der Zeit und dem Feuer« / Schäuble: Griechenland nur »unter verantwortbaren Konditionen« in der Eurozone halten

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Update 17.15 Uhr: Wie aus griechischen Regierungskreisen verlautete, sagte Tsipras bei einer Sitzung des Ministerrats, Athens Ziel sei, dass bei dem Eurogruppen-Treffen »die bedeutenden Fortschritte festgestellt werden«, die es gegeben habe. Die Kabinettssitzung in Athen begann um die Mittagszeit und dauerte am Sonntagnachmittag an. Bisher gebe es noch keine Einigung mit den Geldgebern vor allem zu Renten und dem Fehlbetrag im Haushalt, wie weiter zu hören war. Tsipras wollte am Abend nach Medienberichten mit mehreren EU-Regierungschefs und hohen EU-Funktionären sprechen, wie es aus griechischen Regierungskreisen hieß.

Wahlversprechen unter Gläubigerdruck

Berlin. Vor dem Treffen der Eurogruppe an diesem Montag in Brüssel herrscht große Anspannung - vor allem in Athen. Dort kam es am Wochenende immer wieder zu Krisensitzungen unter Vorsitz von Ministerpräsident Alexis Tsipras, berichten Nachrichtenagenturen. Auch die Medien des Landes konzentrierten sich am Wochenende auf den Streit zwischen der SYRIZA-geführten Regierung und den Gläubigern. Ein Scheitern der Gespräche könne zu unkontrollierbaren Entwicklungen führen, hieß es.

Das SYRIZA-Blatt »I Avgi« titelte: »Die Stunde der (politischen) Führer (Europas) hat geschlagen«. Tsipras habe alles getan, was er tun konnte. Jetzt seien die Regierungen der Euro-Partner dran. »Spiel mit der Zeit und mit dem Feuer«, titelte das konservative Traditionsblatt »Kathimerini«. Athen sei sich im Klaren, dass es nur auf eine Erklärung der Eurogruppe hoffen könne, schrieb die Zeitung. Die Verhandlungen seien zwar auf Kurs. Sollte es aber Verwicklungen geben, dann könnte es zu unvorhersehbaren Folgen kommen. Es gebe sogar Befürchtungen, dass Athen - sollte am Montag kein zählbarer Fortschritt erreicht wird - am Dienstag eine fällige Rate in Höhe von gut 756 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht begleichen könne.

Die Sonntagszeitung der politischen Mitte, »To Vima«, titelte: »Zwei Schritte nach vorne, ein Schritt zurück«. Athen hoffe auf ein starkes Signal aus Brüssel. In einem Kommentar unter dem Titel »Von Schmidt zu Merkel« erinnerte die Zeitung daran, dass Griechenland 1980 aus politischen und nicht aus wirtschaftlichen Gründen in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) aufgenommen worden war. Jetzt habe Regierungschef Alexis Tsipras erneut um eine politische Lösung gebeten. »Es wird gehofft, dass die Politik über die Ökonomie siegt«, schrieb das Blatt.

Die Regierung Tsipras gebe alles, um von der Eurogruppe die Zusage zu bekommen, dass eine Einigung sichtbar sei, berichtete die Sonntagszeitung »To Proto Thema«. Dafür habe Athen auch eine Zustimmung zu Kürzungsmaßnahmen und Steuererhöhungen in Aussicht gestellt. Tsipras soll bereit sein, Privatisierungen zuzustimmen. Eine umstrittene Immobiliensteuer, die eigentlich zurückgenommen werden sollte, könnte zunächst weitergelten und in diesem Jahr mehr als 2,5 Milliarden Euro einbringen. Auf 22 der wichtigsten Ägäis-Inseln soll den Berichten zufolge eine bis zu fünf Euro hohe Sondersteuer je Übernachtung erhoben werden. Tsipras zudem signalisiert haben, er könne auf die Umsetzung des SYRIZA-Wahlversprechens verzichten, für Rentner mit Monatsbezügen von maximal 700 Euro eine 13. Rentenzahlung einzuführen. Auch habe er den Grundsatz akzeptiert, dass die Rentenkasse nicht bezuschusst werden dürfe. Der linke Flügel von Tsipras' Regierungspartei SYRIZA machte bereits deutlich, dass es Widerstand dagegen geben werde.

In Athen wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass - wenn es schon nicht zu einer Einigung über die Auszahlung der blockierten 7,2 Milliarden Euro kommt, wenigstens eine »positive Evaluierung« der vorgeschlagenen Maßnahmen der SYRIZA-geführten Regierung erfolgt, die zur Auszahlung von Zinsgewinne führt, die bei der Europäischen Zentralbank für griechische Staatsanleihen aufgelaufen sind. Dabei soll es sich um rund 1,9 Milliarden Euro handeln - damit könnte Athen fällige Rückzahlungen von IWF-Krediten leisten, die bis 12. Mai fällig werden. Abgesehen davon muss die Regierung in Athen bis Ende Mai auch Gehälter und Pensionen zahlen.

In griechischen Regierungskreisen hieß es, man hoffe, dass die Gläubiger zumindest den »Zaubersatz« aussprechen, die Verhandlungen seien auf Kurs und eine Einigung »sichtbar«. In Brüssel wird aber nicht mit einer endgültige Abmachung am Montag gerechnet, wie EU-Diplomaten berichteten. Das Paket ist Voraussetzung für die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro aus dem bisher von den Gläubigern blockierten Kreditprogramm.

Staatsminister Alekos Flambouraris verwies derweil erneut auf die Möglichkeit einer Volksabstimmung in Griechenland über die Finanzen des Landes. Ein solches Referendum könnte anberaumt werden, wenn nach einer möglichen Einigung mit den Geldgebern die Regierung keine eigene Mehrheit für ein nötiges Gesetz über neue Steuermaßnahmen hätte, sagte er am Sonntag dem Athener Nachrichtensender SKAI.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat unterdessen den Druck auf Griechenland noch einmal erhöht. »Erfahrungen anderswo auf der Welt haben gezeigt: Ein Land kann plötzlich in die Zahlungsunfähigkeit rutschen«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Die Frage, ob sich Berlin auf eine Pleite Athens vorbereitet habe, ließ er unbeantwortet. Er sei sich aber mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einig, dass »alles« getan werde, um Griechenland »unter verantwortbaren Konditionen« in der Eurozone zu halten. Agenturen/nd

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