Glezos ruft Griechen gegen Gläubiger-Politik auf die Straße

Griechenland: Schäuble redet wieder von Bankrott / SYRIZA plant Banken-Transaktionssteuer / Eurogruppen-Chef: Keine Einigung über blockiertes Kreditprogramm vor Pflingsten

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 15.20 Uhr: Der SYRIZA-Europaabgeordnete und Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzung, Manolis Glezos, hat die griechische Bevölkerung aufgerufen, gegen die Politik der Gläubiger des Landes auf die Straße zu gehen. Gegenüber der Nachrichtenagentur ANA sagte der 92-Jährige, die Gläubiger versuchten, den Kurs SYRIZA-geführten Regierung und ganz Griechenland zu ersticken. Er sprach wörtlich von einem »sadistischen Ansatz« der Gläubiger, die »kontinuierliche Applaus ihrer inländischen Partnern« erhielten. Glezos sagte, man schulde es den Generationen, jetzt gegen die »Kredit-Haie« auf die Straße zu gehen. Er würde »traurig sein«, wenn die Griechen jetzt nicht in »wütender Würde« gegen die Politik der Gläubiger demonstrieren würden.

Update 13.20 Uhr: Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat bekräftigt, dass er die Vertraulichkeit der Beratungen mit den Euro-Finanzministers achte. Zuvor hatte die »New York Times« in einem langen Porträt über Varoufakis geschrieben, dieser habe die Beratungen beim Finanzminister-Treffen in Riga heimlich mitgeschnitten. Damals war von Medien unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet worden, Varoufakis sei in der Sitzung bedrängt und beleidigt worden. Dies hatte der griechische Finanzminister dementiert. Laut der Zeitung gab er zudem an, die Gespräche aufgezeichnet zu haben, den Mitschnitt wegen des Vertraulichkeitsgrundsatzes aber nicht veröffentlichen zu können. (»He says he taped the meeting but cannot release the tape because of confidentiality rules.«) In seiner Erklärung von Mittwochabend bestritt der Minister die Äußerung nicht – bestätigte die in dem text in Klammern gehaltene Formulierung aber ebensowenig. »Mein Respekt für die Vertraulichkeit meiner Gespräche mit meinen Partnern, mit meinen Kollegen und mit den Institutionen ist beispielhaft, und ich glaube, dass das alle bemerkt und verstanden haben«, erklärte Varoufakis am späten Mittwoch. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem habe deutlich gemacht, dass die Treffen der von ihm geführten Euro-Finanzminister vertraulich seien, erklärte später eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. »Wir verlassen uns auf jede anwesende Person, diese Vertraulichkeit zu respektieren.«

Update 12.45 Uhr: Eine Äußerung von SYRIZA-Fraktionssprecher Nikos Filis über die Fähigkeit der griechischen Regierung, bevorstehende Rückzahlungsverpflichtungen an den IWF stemmen zu können, sind in deutschen Medien als »Drohung« bezeichnet worden. Die Deutsche Presse-Agentur meldet, die Auseinandersetzungen zwischen der griechischen Regierung und den Gläubigern würden »erneut in Athen angeheizt«, an anderer Stelle heißt es: »Wieder Öl ins Feuer goss der Fraktionssprecher der Regierungspartei.« Filis hatte im TV-Sender ANT1 laut einer Meldung der Agentur Reuters, die in der Zeitung »Kathimerini« wiedergegeben wurde, erklärt: »Wenn es keine Vereinbarung gibt, die auch die aktuellen Finanzierungsprobleme berücksichtigt, werden sie (die Gläubiger) kein Geld bekommen.« Filis verwies darauf, dass Athen von den Kreditgebern seit August 2014 keine Zahlung mehr erhalten habe. Man habe kein Geld, um die Zahlung zu leisten.

Griechenland: Schäuble redet wieder von Bankrott

Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gegenüber Medien erneut Spekulationen über einen Bankrott Griechenlands angeheizt. Er würde heute lange nachdenken, bevor er seine Worte von 2012 wiederholen würde, dass es keine Pleite Griechenlands geben werde, sagte Schäuble der französischen Zeitung »Les Echos« und dem »Wall Street Journal«. Mit Blick auf die SYRIZA-geführte Regierung sagte er, die Lage sei heute sehr anders im Vergleich zu 2012. Schäuble hatte bereits Anfang Mai davor gewarnt, dass ein Land »plötzlich in die Zahlungsunfähigkeit rutschen« könne. Die Frage, ob sich Berlin auf eine Pleite Athens vorbereitet habe, ließ er unlängst in einem Interview unbeantwortet.

Der Finanzminister Griechenlands, Yanis Varoufakis, hatte Schäuble zuvor in einem Interview vorgeworfen, nicht zu erkennen, »wie hilfreich es für die Mainstream-Nordeuropäer wäre, eine Übereinkunft mit einer Bewegung wie SYRIZA in Griechenland zu erzielen«. Bis Ende Juni müsste nach den Vereinbarungen der Eurogruppe eine Einigung über den Abschluss des laufenden Kreditprogramms stehen – das betonen alle Seiten. Derweil gehen das Ringen zwischen Athen und den Gläubigern um eine Vereinbarung über das Kreditprogramm weiter. Vor Pfingsten wird es nach Einschätzung von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem aber nichts mehr mit einer Lösung.

Die Gläubiger von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds fordern von der seit Januar amtierenden Athener Regierung im Gegenzug für die Freigabe der bisher blockierten letzten Tranche über 7,2 Milliarden Euro umfassende Maßnahmen. Die Gläubiger pochen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen will. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht. Und: Während Athen seine finanziellen Verpflichtungen stets pünktlich erfüllt hat, ist nach Griechenland seit August 2014 kein Geld der Kreditgeber mehr geflossen.

Nach Informationen der Zeitung »Kathimerini« plant die SYRIZA-geführte Regierung eine Banken-Transaktionssteuer. Für jede Banktransaktion von über 500 Euro soll eine Steuer in Höhe zwischen 0,1 bis 0,2 Prozent direkt von der Bank einbehalten und sofort an den Staat überwiesen werden. Dies sei eine der neuen Maßnahmen, die Athen zurzeit mit den Gläubigern bei den Verhandlungen über die verlangten Maßnahmen erörtert. Sie würde je nach Höhe der Steuer zwischen 300 und 600 Millionen Euro jährlich in die Kassen des Staates spülen.

Athen lehnt nach sechs Jahren Rezession weitere Einschnitte bei Gehältern und Renten ab, bietet den Gläubigern jedoch Teilprivatisierungen und ein effizienteres Eintreiben von Steuergeldern an. Ab Anfang Juni werden weitere Rückzahlung an den IWF und die EZB fällig:

  • 5. Juni: rund 303 Millionen Euro
  • 12. Juni: rund 341 Millionen Euro
  • 16. Juni: rund 568 Millionen Euro
  • 19. Juni: rund 341 Millionen Euro
  • 13. Juli: rund 454 Millionen Euro
  • 20. Juli: rund 3,5 Milliarden Euro
  • Hinzu kommen Rückzahlungsverpflichtungen aus kurz laufenden Staatsanleihen.

Derweil hat die Europäische Zentralbank die Notkredite für griechische Banken erneut aufgestockt – allerdings deutlich weniger als zuletzt. Die EZB habe die sogenannten Ela-Kredite (»Emergency Liquidity Assistance«) auf 80,2 Milliarden Euro erhöht, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Damit stünden den Instituten 0,2 Milliarden Euro mehr als zuvor zur Verfügung. In der vergangenen Woche waren die Kredite noch um 1,1 Milliarden Euro aufgestockt worden.

Varoufakis kritisiert Schäubles »Denkfehler«
Finanzminister Griechenlands: Übereinkunft mit SYRIZA wäre hilfreich / Streiks in den Krankenhäusern - Pflegepersonal-Gewerkschaft: Die Lage ist dramatisch, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps – der Newsblog vom Mittwoch zum Nachlesen

Laut dem Bericht haben die griechischen Banken noch einen Puffer von 3,0 Milliarden Euro, bis die Ela-Höchstgrenze erreicht ist. Die griechischen Banken leiden unter Mittelabflüssen in Milliardenhöhe. Bürger und Unternehmen räumen wegen der ungewissen Zukunft des Landes ihre Konten leer. Ein weiterer Grund: Bereits seit dem 11. Februar können sich griechische Banken nicht mehr direkt bei der EZB frisches Geld besorgen. Die Institute sind daher auf die teureren Notkredite angewiesen, die die griechische Zentralbank vergibt. Deren Umfang muss aber von der EZB genehmigt werden. Agenturen/nd

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