SYRIZA und die Umfragen

Ist das Rennen mit der Nea Dimokratia wirklich so eng, wie die meisten Demoskopen und Medien meinen? Zwei Institute haben andere Zahlen

  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt solche Wahlumfragen in Griechenland. Und solche. Die Zahlen der meisten Institute künden seit Wochen von einem engen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der linken SYRIZA und der konservativen Nea Dimokratia. So unterschiedlich die Werte der jeweiligen Umfragen auch sein mögen, der Abstand beträgt seit Ende August meist nur noch Zehntelprozentpunkte – mal liegen Alexis Tsipras’ Partei und die seines Herausforderers Evangelos Meimarakis bei um die 31 Prozent, mal um die 25 Prozent. Der Konservative habe gute Chancen, den Linken zu schlagen, heißt es dazu in den Zeitungen auch hierzulande.

Es gibt aber auch noch andere Umfragen, und in denen sind die Erfolgsaussichten von Meimarakis weit weniger groß. Die linke Zeitung der Redakteure »Efsyntakton« veröffentlichte dieser Tage Zahlen, laut denen SYRIZA mit 28 Prozent recht deutlich vor der Nea Dimokratia liegt, die 24 Prozent erhält. Das Institut, Prorata, hatte auch in zuvor schon die griechische Linkspartei stets klar vor den Konservativen gesehen – Anfang September etwa mit einem Vorsprung von 28,5 zu 23 Prozent.

Ähnliche, also von der Mehrheit der Institute abweichende Ergebnisse, findet man ebenso beim Thinktank Bridging Europe. Auch hier wird »ganz normale« Demoskopie betrieben: repräsentative Telefonbefragung unter Wahlberechtigten. Laut der jüngsten Zahlen von Bridging Europe vom vergangenen Wochenende liegt SYRIZA mit 27,4 Prozent klar vor der Nea Dimokratia, die nur auf 20,4 Prozent kommt; bei einer vorausgegangenen Umfrage von Anfang September betrug der Vorsprung ebenfalls über sieben Prozent.

Anfeuerung der Mitläufer?

In den griechischen Medien tauchen die Bridging-Zahlen kaum auf, sagt Dim Rapidis, Gründer und Direktor des Thinktank. Die Ergebnisse würden von den meisten Zeitungen und Sendern übergangen, man sehe das aber, so Rapidis selbstbewusst, als »ein gutes Zeichen«. Die Differenzen können mit unterschiedlichen Methoden zu tun haben. Worauf der politische Analyst mit seinem Twitter-Kommentar aber nicht zuletzt abzielte: Es sieht nach Bandwagon-Effekt-Politik aus, die im Wahlkampf von Instituten und Medien mit Umfragen betrieben wird.

Die Theorie dazu: Mit einer Höherbewertung der Nea Dimokratia könnte das Wählerverhalten beeinflusst werden. Eine wahrgenommene Erfolgsaussicht erhöht die Bereitschaft, sich der voraussichtlich erfolgreichen Handlungsweise anzuschließen – in diesem Fall: Nea Dimokratia zu wählen, den zumindest medial zum Aufsteiger erklärten Herausforderer von SYRIZA. Der Effekt wurde schon in den 1940er Jahren in Forschungen zum US-Präsidentschaftswahlkampf belegt und spielt seither in der Politikforschung eine gewisse Rolle.

Wer die Wahl gewinnt und sei der Vorsprung auch noch so knapp, ist angesichts des griechischen Wahlrechts sehr wichtig – der Sieger erhält 50 Extra-Mandate im Parlament. Ob Rapidis und sein Bridging Europe mit ihren Umfragen wirklich näher am Ergebnis liegen, wird man erst am Sonntagabend beurteilen können. Vor allem ein Faktor macht die Sache spannend: die vielen Unentschlossenen.

Ein Blick zurück auf die Umfragen vor der Januar-Wahl zeigt immerhin: Von den meisten Instituten wurde die Nea Dimokratia im Wahlkampf klar höher bewertet als am Ende dann für die Konservativen stimmten. Von den 61 allein im Januar veröffentlichten Umfragen schätzten 58 die Erfolgsaussichten der Nea Dimokratia im Vorfeld zu hoch ein – zum Teil um fast fünf Prozent. tos

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