Bundesratsmehrheit billigt Asylrechtsverschärfung
»Pro Asyl« will Klagen gegen Asylpaket unterstützen / Auch rot-rot Regierung in Brandenburg enthält sich / Proteste gegen Gesetzesverschärfung vor dem Bundesrat
Berlin. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat den geplanten Verschärfungen im Asylrecht zugestimmt. Die Länderkammer billigte das im Eilverfahren vereinbarte Gesetzespaket mit großer Mehrheit. Die große Koalition hatte für ein Ja auch die Zustimmung von mindestens zwei größeren Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung benötigt. Das Maßnahmenpaket kann damit zum 1. November in Kraft treten.
Gegner der geplanten Verschärfung des Asylrechts haben am Freitagmorgen erneut in Berlin demonstriert - diesmal vor dem Bundesrat parallel zur Sitzung der Länderkammer zu dem Thema. Angemeldet sind dafür nach Angaben der Polizei mehr als 60 Teilnehmer. Bereits am Donnerstagabend hatten laut Polizei 700 Menschen mit einem Demonstrationszug vom Potsdamer Platz zum Oranienplatz in Kreuzberg gegen die am Donnerstag zunächst vom Bundestag beschlossenen Verschärfungen im Asylrecht protestiert. Die Veranstalter sprachen von mehr als 1000 Teilnehmern.
Die Regierung hatte die Pläne trotz scharfer Kritik aus der Opposition und von Menschenrechtsorganisationen im Eiltempo durch das parlamentarische Verfahren gebracht. Der Bundestag hatte am Donnerstag zugestimmt, der Bundesrat berät an diesem Freitag abschließend darüber.
Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, Albanien, Kosovo und Montenegro als weitere »sichere Herkunftsstaaten« einzustufen, um Asylbewerber von dort schneller in ihre Heimat zurückzuschicken. Für bestimmte Flüchtlingsgruppen sind deutliche Verschärfungen vorgesehen, für andere dagegen bessere Integrationsangebote.
Unterdessen wurde bekannt, dass sich die rot-rote Landesregierung in Brandenburg bei der Abstimmung über die umstrittene Asylrechtsreform enthalten wird. Dies kündigte Regierungssprecher Andreas Beese am Freitag vor der Sitzung der Länderkammer an. Hintergrund ist der Streit in der rot-roten Koalition über die Einstufung der Balkan-Länder Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat dieser Regelung zugestimmt, die LINKE lehnt dies jedoch strikt ab. Im Koalitionsvertrag ist bei Uneinigkeit der Partner eine Enthaltung im Bundesrat vereinbart. Neben Brandenburg wollen sich auch das rot-grün regierte Bremen, sowie Thüringen (Rot-Rot-Grün) enthalten.
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigte indes seine Zustimmung zur Asylrechtsverschärfung. Von neun Landesregierungen mit grüner Regierungsbeteiligung würden sechs zustimmen, sagte Kretschmann am Freitag im ZDF-»Morgenmagazin«. Die Grünen seien in dieser Frage nicht gespalten.
Deutschland habe Probleme, die Flüchtlinge unterzubringen, sagte Kretschmann. In einer solchen Situation könnten diejenigen, die nicht verfolgt seien, nicht aufgenommen werden. Dies sei »ein Gebot der praktischen Vernunft« und »auch human«. Der Kompromiss sei zudem das Signal, dass die demokratischen Kräfte zusammen blieben. Zur Diskussion über sichere Herkunftsländer sagte er, diese Frage werde von jeder Seite »völlig überbewertet«. Am Grundrecht für Asyl ändere sich nichts.
Auch der grüne Vize-Regierungschef von Schleswig-Holstein, Umweltminister Robert Habeck, kündigte eine Zustimmung der Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW zu dem Gesetzespaket im Bundesrat an. Wenn die Grünen allein über das Gesetz entscheiden könnten, würde er »zwei Drittel so ähnlich formulieren und ein Drittel weglassen«, sagte Habeck »NDR Info«. Es sei auch für die Grünen »eine schwierige Zeit wie für alle, und wir müssen unsere Positionen an verschiedenen Stellen überdenken oder nachschärfen«. Dies sei aber notwendig, »weil die Wirklichkeit nun mal das Primat hat«.
Die Flüchtlingsorganisation »Pro Asyl« schließt Klagen gegen das Asylpaket nicht aus. Man werde Klagen finanziell und politisch unterstützen, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er bezeichnete das Gesetz, das zahlreiche Verschärfungen für Asylbewerber vorsieht, als verfassungswidrig. Umstritten ist besonders die Kürzung von Sozialleistungen bei ausreisepflichtigen Ausländern.
Anlässlich der abschließenden Beratung im Bundesrat über das Gesetzespakets sagte Burkhardt, dies sei ein bitterer Tag für Flüchtlinge in Deutschland und Europa. »An Europas Grenzen sterben Flüchtlinge. Europa macht dicht, weil es unfähig ist, solidarisch die Aufnahme von Flüchtlingen zu organisieren«, kritisierte er. Agenturen/nd
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