Österreich will »Festung Europa« bauen
Seehofer droht mit Rückzug der Minister / CSU droht mit Verfassungsklage / Innenminister Hermann: »Bundesregierung überschreitet Kompetenzen« / Abschiebungen nach Afghanistan
Update 16.30 Uhr: Österreichische Innenministerin will »Festung Europa« bauen
In einem Interview mit der »FAZ« hat die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der konservativen ÖVP die Pläne des Landes zur Abschottung gegen Flüchtlinge präzisiert: »Natürlich geht es auch um Zäune, aber nicht nur, sondern auch um befestigte Anlagen im Bereich der Grenzübergänge«, sagte Mikl-Leitner. Sicher sei, dass es links und rechts der Grenzübergänge jeweils einige Kilometer feste Sperren geben werde. Auch wenn sie versicherte, dass es nicht darum gehe, einen Zaun um Österreich zu ziehen – die derzeitige Situation in Slowenien, Österreich oder auch Deutschland beweise, »dass wir so rasch wie möglich an einer Festung Europa bauen müssen«, so die ÖVP-Politikerin.
Update 16 Uhr: Unbekannter schießt mit Luftgewehr auf einen Flüchtling
Mit einer Luftdruckwaffe ist ein Flüchtling in Ellwangen in Baden-Württemberg beschossen worden. Der 53-jährige Syrer wurde leicht am Kopf verletzt, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Er hatte am Samstag auf einem von mehreren roten Sesseln gesessen, die auf dem Marktplatz stehen. »Man kann einen fremdenfeindlichen Hintergrund gänzlich nicht ausschließen«, sagte ein Sprecher. Die Polizei verwies aber auf Parallelen zu ähnlichen Angriffen im Jahr 2013. Damals gab es 23 Fälle mit nahezu identischem Tatverlauf im selben Tatortbereich. Einen Tatverdächtigen gab es damals nicht.
Update 15.40 Uhr: Kabul protestiert gegen geplante Abschiebungen nach Afghanistan
Die von der Bundesregierung geplante verstärkte Abschiebung von Flüchtlingen aus Afghanistan zurück in ihre Heimat stößt in Kabul auf Widerstand. Er habe Berlin »offiziell darum gebeten, Abschiebungen von afghanischen Asylbewerbern zu vermeiden«, sagte der afghanische Minister für Flüchtlingsangelegenheiten, Sayed Hussain Alimi Balkhi, der »Deutschen Welle«, wie der Sender am Mittwoch mitteilte. Angesichts der immer unsicherer werdenden Lage in seinem Land habe er die deutschen Behörden vielmehr gebeten, »mehr afghanische Flüchtlinge aufnehmen«. Das Interview wurde bereits vor zwei Tagen auf der Website des Senders veröffentlicht. Balkhis Aussagen stehen damit im Widerspruch zu denen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser bezeichnete am Mittwoch in Berlin die hohe Zahl von Asylbewerbern aus Afghanistan als »inakzeptabel« und fügte hinzu, sich darüber mit der afghanischen Regierung »einig« zu sein.
Der afghanische Minister verwies auf die »Sicherheitsprobleme« in seinem Land und nannte die Stadt Kundus als Beispiel, die vor kurzem von den Taliban überrannt worden war. Er habe dies mit allen EU-Ländern besprochen und gebeten, »Asylgesuche von afghanischen Flüchtlingen mit derselben Priorität zu behandeln, wie die aus anderen Krisenländern, beispielsweise aus Syrien«.
Update 15.15 Uhr: Innenminister schließt sich Bayerns Kritik an Österreich an
Innenminister De Maizière schloss sich am Mittwoch der Kritik Bayerns an Österreichs Verhalten beim Weiterleiten von Flüchtlingen an. Das sei »nicht in Ordnung« gewesen. Flüchtlinge seien »ohne jede Vorwarnung nach Eintritt der Dunkelheit« an bestimmte Stellen gefahren worden, von wo sie die Grenze übertreten hätten, sagte de Maizière. Österreich habe inzwischen zugesagt, wieder zu geordneten Verfahren zurückzukehren. »Ich erwarte, dass das ab sofort geschieht«, betonte der CDU-Politiker. Drohungen der CSU in Bayern, für eine eigene Grenzsicherung zu sorgen, kommentierte de Maizière nur knapp: »Ich kümmere mich um die Sachfragen«, sagte er angesprochen auf entsprechende Äußerungen von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU).
Update 14.30 Uhr: De Maizière will nach Afghanistan abschieben – »sichere Landesteile«
Die Bundesregierung will Asylbewerber aus Afghanistan abschieben. »Afghanistan steht im laufenden Monat und auch im Verlauf des ganzen Jahres inzwischen auf Platz zwei der Liste der Herkunftsländer. Das ist inakzeptabel«, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin. Es kämen auch zunehmend Angehörige der afghanischen Mittelschicht. »Wir sind uns einig mit der afghanischen Regierung: Das wollen wir nicht.« Die Jugend und die Mittelschicht sollten in Afghanistan bleiben, um das Land aufzubauen. Ziel sei nun, gemeinsam mit der afghanischen Regierung dafür zu sorgen, dass es mehr Rückführungen nach Afghanistan gebe »und dass die Entscheidungspraxis anders wird«.
Deutsche Soldaten und Polizisten trügen dazu bei, Afghanistan sicherer zu machen, sagte der Minister. Es sei viel Entwicklungshilfe dorthin geflossen. »Da kann man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben.« De Maizière räumte ein: »Die Sicherheit in Afghanistan ist natürlich nicht so hoch wie anderswo.« Er werde auch nicht vorschlagen, das Land als »sicheren Herkunftsstaat« einzustufen. Auch künftig werde jeder Einzelfall sorgfältig geprüft. Bislang bekämen aber viele Afghanen eine Duldung in Deutschland, weil sie aus einer bestimmten Gegend des Landes kämen, die unsicherer sei als andere. Das könne auf Dauer kein Entscheidungsgrund sein. Schließlich gebe es auch sicherer Landesteile. »Die Menschen, die als Flüchtlinge aus Afghanistan zu uns kommen, können nicht alle erwarten, dass sie in Deutschland bleiben können - auch nicht als Geduldete.«
Update 13.30 Uhr: Seehofer droht mit Rückzug der Minister aus der Bundesregierung
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) droht inzwischen offenbar mit dem Bruch der Großen Koalition, um seine Positionen in der Debatte um die Lösung der Flüchtlingsfrage durchzusetzen. Nun soll der CSU-Vorsitzende sogar den Rückzug der drei CSU-Minister aus dem Bundeskabinett erwägen, berichtet die »Bild« unter Berufung auf CSU-Parteikreise. Nach Informationen des Boulevardblattes prüfe Seehofer, auf der kommenden Parteivorstandsitzung einen entsprechenden Beschlussantrag zu stellen.
Die Drohung würde zur Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten am Dienstag in der »Passauer Neuen Presse« passen. Seehofer hatte »Notwehrmaßnahmen« angekündigt, falls die Kanzlerin nicht bis Allerheiligen einlenke und die Regierung eine Begrenzung der Zuwanderung auf den Weg bringt.
Eine offizielle Bestätigung des Berichtes gab es bisher nicht. Die Sprecher der drei betroffenen Bundesminister für Verkehr, Ernährung und Entwicklungshilfe wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern.
Update 10.35 Uhr: Göring-Eckardt kritisiert Verlagerung des Problems an Außengrenzen
Die Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt ist zur Zeit auf der Balkanroute unterwegs und hat sich im Deutschlandfunk kritisch zu den geplanten Flüchtlingslagern geäußert. Die Verlagerung des Problems an die EU-Außengrenzen sei eine Politik, die schon vor Jahren gescheitert sei, sagte Göring-Eckardt dem Sender.
Die Politikerin besucht derzeit Mazedonien. Auf der Balkanroute sind Tausende Flüchtlinge unterwegs. Entlang der Route würden Flüchtlinge an verschiedenen Stellen befragt und registriert, berichtete Göring-Eckardt. Sie sprach sich dafür aus, dass diese Registrierungen weitergereicht werden. »Das wäre eine der Möglichkeiten, um wirklich eine ganze Menge Bürokratie zu vermeiden.« Die Hilfskräfte entlang der Balkanroute täten alles, was sie könnten. Trotzdem müssten die Menschen kilometerweit durch den Schlamm waten. Wenn im Winter noch Schnee dazukomme, sei zu befürchten, dass man die Situation kaum noch bewältigen könne.
Update 10.30 Uhr: CDU-Verteidungsexperte: Bundeswehr soll mit Drohnen Grenze sichern
Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte schlägt einen Einsatz der Bundeswehr zur Grenzsicherung vor. »Um den unkontrollierten Übergang über die Grenze nach Deutschland durch Flüchtlinge aus Österreich und Tschechien zu unterbinden, sind umfassende Grenzsicherungsmaßnahmen erforderlich«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag der »Celleschen Zeitung« (Dienstag). Bundes- und Landespolizei seien zurzeit bis an ihre Belastungsgrenze gefordert und sollten daher nach Artikel 35 des Grundgesetzes technische Amtshilfe der Bundeswehr erhalten. »Gesetze müssen auf die jeweilige Situation angewendet werden. Und dies ist ohne Frage eine besondere Situation«, sagte Otte. Er verwies unter anderem auf den Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm, als die Streitkräfte Amtshilfe mit Aufklärungsmitteln zur Absicherung geleistet hätten. »Was in Heiligendamm ging, muss auch im Bayrischen Wald möglich sein.« Er schlägt deshalb vor, dass unter anderem Radargeräte, Hubschrauber und Drohnen zum Einsatz kommen, um illegale Grenzübertritte besonders auch über die grüne Grenze zu überwachen, damit diese gemeldet werden können.
Update 9.50 Uhr: Österreich plant Zaunbau an Grenze zu Slowenien
Angesichts des Flüchtlingsandrangs will Österreich seine Grenze zu Slowenien offenbar auch durch einen Zaun abschotten. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte am Mittwoch dem Sender Ö1, es gehe aber nicht darum, die Grenze »dicht zu machen«. Vielmehr solle ein »geordneter, kontrollierter Zutritt« geschaffen werden. Auch Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) könne sich Baumaßnahmen »wie Absperrgitter« an der Grenze vorstellen, »um die Flüchtlinge geordnet kontrollieren zu können«, berichtet der Nachrichtensender ORF.
Der Generalsekretär von Amnesty Österreich, Heinz Patzelt, sagte im ORF-Frühjournal, Zäune seien »ein Symbol der Entsolidarisierung«. Es sei »menschenrechtlich in Ordnung«, wenn Österreich seine Grenzen überwache, solange Flüchtlinge nicht pauschal abgewiesen würden und zumindest ein faires Verfahren erhielten. Absperrungen würden Flüchtlinge jedenfalls nicht davon abhalten, zu kommen.
Update 9.35 Uhr: Flüchtlinge springen aus Verzweiflung in Grenzfluss Inn
Auf ihrem Weg nach Deutschland sind zwei Flüchtlinge in den Grenzfluss Inn gesprungen. »Die beiden Männer hatten jedoch die Strömung unterschätzt, konnten sich aber zum Glück an einem Brückenpfeiler festhalten«, sagte ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung am Mittwoch. Retter holten die Flüchtlinge am Dienstagnachmittag aus dem kalten Fluss an der deutsch-österreichischen Grenze bei Simbach am Inn. Sie wurden mit Unterkühlungen auf deutscher Seite versorgt. »Diese Aktion zeigt die Verzweiflung der Flüchtlinge, dass sie schnell und mit allen Mitteln nach Deutschland kommen wollen«, sagte der Sprecher. Am Dienstag waren bis zum Abend 5500 Menschen an der deutsch-österreichischen Grenze angekommen. Inzwischen sind die Unterkünfte im Raum Passau überfüllt.
Update 9.30 Uhr: Bundesländer skeptisch bei Sachleistungen für Flüchtlinge
Nach der Verschärfung der Asylgesetze sollen in Erstaufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge nur noch Sachleistungen ausgegeben werden. Die meisten Bundesländer halten sich bei der Umsetzung dieser Vorgabe jedoch zurück, berichtet der rbb. Das habeUmfrage des Senders bei den zuständigen Länder-Ministerien ergeben. Demnach wollen Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bremen und Schleswig-Holstein das Taschengeld für Asylbewerber weiterhin in bar auszahlen. Eine Umstellung auf Einkaufsgutscheine sei zu bürokratisch, hieß es zur Begründung.
Acht Länder würden demnach die Einführung von Sachleistungen noch prüfen. Sprecher der Ministerien äußerten sich gegenüber dem Sender wegen des enormen Verwaltungsaufwands jedoch meist ebenfalls skeptisch. Zu dieser Gruppe gehörten auch Brandenburg und Berlin. Berlin denke über ein Mobilitäts-Ticket für Flüchtlinge nach. Dann würden etwa 30 Euro vom Taschengeld abgezogen, dafür gäbe es eine BVG-Monatskarte. Drei Länder hätten auf entsprechende Nachfragen bis zum Dienstagabend nicht geantwortet. Definitiv einführen möchte die Sachleistungen anstelle von Taschengeld bislang lediglich Bayern, hieß es weiter. Die Regelung soll aber zunächst nur in zwei Erstaufnahme-Einrichtungen für Asylbewerber aus den Balkan-Ländern gelten.
Nach der neuen Asylgesetzgebung sollen die Länder Flüchtlingen neben Unterkunft und Verpflegung auch das Taschengeld von monatlich 143 Euro grundsätzlich als Sachleistung gewähren. Busfahrkarten, Telefonkarten oder Zigaretten könnten dann direkt oder in Form von Einkaufsgutscheinen ausgegeben werden. Eine Klausel im Gesetz erlaubt aber auch weiterhin die Barauszahlung. Befürworter des Sachleistungs-Prinzips argumentieren, die 143 Euro Taschengeld im Monat würden Menschen nach Deutschland locken. Gegner der Sachleistungen sehen in ihnen eine Bevormundung, hieß es.
Die Asyl-Expertin von Amnesty International, Wibke Judith, sprach im RBB von Symbol-Politik: »Die Bevormundung besteht natürlich darin, dass entschieden wird, was gekauft werden kann, oder was eben nicht mehr gekauft werden kann, was konsumiert werden darf. Oder wo mit Wertgutscheinen eingekauft werden kann.« Das könne kulturelle Auswirkungen haben, da Menschen aus unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Bedürfnisse hätten.
Bayern kann das Drohen nicht lassen
Berlin. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat nach dem Ultimatum von Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU) an die Bundesregierung die bayerische Drohung mit einer Verfassungsklage bekräftigt. »Es wird an diesem Thema weiter gearbeitet, wir nehmen das sehr ernst«, sagte Herrmann am Mittwoch im »Morgenmagazin« von ARD und ZDF. In der Flüchtlingspolitik »überschreitet die Bundesregierung augenblicklich ganz eindeutig ihre verfassungsrechtlichen Kompetenzen«, sagte Herrmann. Deshalb erwarte Bayern, dass die Bundesregierung »als Gesamtheit ihren Kurs korrigiert«.
Seehofer hatte Merkel aufgefordert, bis zum Sonntag für eine Begrenzung der Zuwanderung zu sorgen. Der Regierung im Nachbarland Österreich warf Herrmann vor, weiter »völlig unkoordiniert« plötzlich Busse mit Flüchtlingen an der grünen Grenze zu Deutschland abzustellen. »Es ist unzumutbar«, sagte Herrmann. »Das kann so nicht laufen.«
Wie ein Sprecher der Bundespolizei in Niederbayern sagte, kamen am Dienstag allerdings etwas weniger Flüchtlinge an als in den Tagen davor. Insgesamt seien knapp 5500 Migranten im Großraum Passau angekommen, an den Tagen davor waren es jeweils über 8000.
Wie der Sprecher sagte, sei die Situation an den Grenzübergängen Wegscheid und Achleiten dennoch nicht weniger dramatisch gewesen als in den Tagen davor. So seien erneut viele Flüchtlinge von Österreich erst am späten Abend zur Grenze gebracht worden. Dies habe dazu geführt, dass etwa in Achleiten bis zu 1200 Menschen vier oder fünf Stunden bei empfindlicher Abendkälte unter freiem Himmel ausharren mussten, bevor sie in Unterkünfte gebracht werden konnten.
Der Sprecher sagte, das Problem sei, dass Österreich weiterhin deutlich mehr Flüchtlinge zur Grenze bringe als es ankündige und dass viele Busse fast gleichzeitig ankommen. Dies führe zu Engpässen bei den Kontrollen. AFP/nd
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