3000 sagen »Nein«

Kundgebung gegen den deutschen Bundeswehreinsatz in Syrien

  • Celestine Hassenfratz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Kulisse könnte kaum bedeutungsschwerer sein: Zwischen müde wehender US-amerikanischer Fahne auf dem amerikanischen Botschaftsdach und hell erleuchteter Kuppel des Bundestages hat sich auf dem Pariser Platz ein großer Pulk Menschen versammelt. 3000 seien es, werden die Veranstalter später verkünden. Unter dem Motto: »Kein Bundeswehreinsatz in Syrien« hat ein breites Bündnis dazu aufgerufen, sich gegen den Entscheid der Bundesregierung zu stellen, an Frankreichs Seite in einen Krieg gegen die Terrororganisation »Daesh«, den »IS« in Syrien zu ziehen.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es wilde Spekulationen gegeben: Grund dafür war die Ankündigung, dass neben den beiden Fraktionsvorsitzenden der LINKEN, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, auch der ehemalige CDU-Politiker Willy Wimmer, der zuletzt als regelmäßiger Gast beim rechtspopulistischen Magazin Compact, dem von Russland finanzierten TV-Sender RT Deutsch und der umstrittenen Internetsendung KenFM, die wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen des Moderators Ken Jebsen in die Kritik geraten war, aufgetreten war. Bei KenFM lobte Wimmer kürzlich die Pegida-Bewegung, die USA bezeichnete er als die wahren Verursacher beider Weltkriege und nun sollte er Seite an Seite mit Wagenknecht und Bartsch für den Frieden kämpfen?

In einer der Demo-Ankündigungen, die Wagenknecht selbst einen Tag vor der Mahnwache auf ihrer Facebook-Seite geteilt hatte, war Wimmer noch als Redner aufgeführt, am Tag der Veranstaltung wurde eine aktualisierte Sprecherliste veröffentlicht, darauf war von Wimmer nichts mehr zu lesen. Auch die Befürchtung, die Veranstaltung werde von rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen Personen aus dem Kreise der Montagsmahnwachen unterwandert, von denen sich die Linkspartei distanziert hatte, ist am Donnerstagabend nichts mehr zu sehen.

Ganz im Gegenteil: Große rote Fahnen mit LINKE Parteilogo werden im schwachen Dezemberwind geschwenkt, »Make Love not War« steht auf einem Plakat, »Save Syrias Sovereignty« auf einem anderen. Gleich als erste Rednerin tritt Wagenknecht auf die Bühne.

Wagenknecht resümiert die Kriege in Afghanistan 2001, Irak 2003 und die Bombardierung Libyens 2011. Kriege, die dazu geführt hätten, dass die Terrororganisation IS erst entstehen konnte. Dass unter Bomben kein Frieden wachse, sondern nur mehr Hass und Terror hätten diese Erfahrungen gezeigt, so Wagenknecht. Dass nun, anstelle von einem Stopp deutscher Waffenlieferungen an die Hauptgeldgeber des IS, Saudi Arabien und Katar, Bomben auf Syrien geworfen werden sollen, das, so Wagenknecht, werde den Terror des IS nur verstärken. Ganz davon abgesehen gäbe es weder ein UN-Mandat noch einen Bündnisfall für diesen Bundeswehreinsatz. Stattdessen greife man in die Souveränität eines Staates ein, der nach wie vor eine Regierung besitzt und nicht um die militärische Hilfe Deutschlands gebeten hat. Anstatt mit Türkeis Ministerpräsidenten Erdogan zu verhandeln, die Grenze zu Syrien endlich zu schließen, über die mutmaßlich eine der Haupteinnahmequellen des IS geschehe, der Ölschmuggel, hat die EU der Türkei drei Milliarden Dollar geboten. Bei diesem Deal wird zwar eine Grenze geschlossen, jedoch die falsche. Die syrischen Flüchtlinge sollen in der Türkei festgesetzt werden, der Weg nach Europa versperrt. Nicht einmal eine Woche Bedenkzeit hat die Bundesregierung den Abgeordneten gelassen für die Entscheidung 1200 Soldaten, Aufklärungstornados und ein deutsches Kriegsschiff nach Syrien zu senden.

Dass es für den Bundeswehreinsatz, über den an diesem Freitag im Bundestag abgestimmt wird, grünes Licht geben wird, stehe so gut wie fest, ist sich Wagenknecht sicher. Dennoch appelliert Dietmar Bartsch an das Gewissen der Abgeordneten. Er tritt als letzter Redner auf, nach Christine Hoffmann von der katholischen Organisation Pax Christi und Erdogan Kaya von der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (didif).
»Wir sind freie Abgeordnete, die frei entscheiden können«, so Bartsch. Die Solidarität zu Frankreich lasse sich anders ausdrücken als in Bomben, so der Fraktionsvorsitzende der LINKEN.

Nach der Kundgebung löst sich die Demonstration schnell auf, die Fahnen werden zusammengerollt, der Heimweg angetreten. Wenige Meter entfernt ergießt sich vor dem Brandenburger Tor ein Blumenmeer auf dem Boden. Rote Kerzen erinnern an die Anschlagsopfer in Paris. Bedächtig schreiten zwei Männer die Gedenkstätte ab. »Siehste, hier stellen sie dann die Kerzen auf, und wundern sich, dat sowat von sowat kommt«, sagt einer der beiden Männer, ein Demo-Plakat unter den Arm geklemmt. Nachdenklich stimmt ihm sein Begleiter zu. Dass Terror nicht mit Hass und Krieg zu bekämpfen ist scheinen zumindest diese beiden verstanden zu haben.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -