Wahrhaftiger als der Tag
Afrika ist ein Kontinent, der viele sozialistische Utopien kennengelernt hat. Nicht wenige stellten sich im Lauf der Zeit als Dystopien heraus. Von Marc Engelhardt
Der Schwarze, schwärzer als die Nacht, aber »wahrhaftiger als der Tag« - mit Zeilen wie diesen aus dem Gedicht »New York« kämpfte Léopold Sédar Senghor in den 1940er Jahren für ein neues Selbstbewusstsein der Schwarzen, die damals nicht nur selbstverständlich »Neger« genannt, sondern auch als primitiv und archaisch, geschichtslos und minderwertig diskriminiert wurden.
Mit literarischen Mitteln erweckte Senghor die selbst in Afrika vergessene Geschichte seines Heimatkontinents wieder: das Königreich Sin etwa, das der Wolof, der Poel, der Futa oder der Bundu - einst mächtige Reiche, aus denen die Franzosen Senegal zimmerten, die Nation, deren erster Präsident Senghor 1960 werden sollte.
Die Négritude, die von ihm und dem aus Martinique stammenden Aimé Césaire geprägte Bewegung einer kulturellen Emanzipation der Schwarzen, beschrieb er da schon nur noch als »Anfang zur Lösung unserer Probleme«. Sie war als Gegenmodell zur »Franç...
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