Viele kleine Schritte
Auch nach dem Umbau des Wartesystems für Flüchtlinge bleibt die Situation chaotisch
Während der Weihnachtstage blieb es ruhig am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Moabit. 350 neuankommende Flüchtlinge wurden mit Bussen in Unterkünfte gebracht, die Mitarbeiter haben sich zu Hause ausgeruht. »Die waren echt durch« sagt Sascha Langenbach, Sprecher von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), bei einem Rundgang in der wiedereröffneten Registrierungsstelle am Montagmorgen.
Bereits seit mehreren Stunden wimmelt es im Innenhof des Geländes vor Menschen: Geflüchtete, die vor und in den großen Zelten anstehen, dazwischen Ehrenamtliche, Sicherheitsmitarbeiter und Polizisten - schnell wird deutlich: Weihnachten ist vorüber. Von den rund 300 Geflüchteten, die am Montag kommen, werden nur rund 180 einen Termin für den Folgetag erhalten, erklärt Langenbach. Gibt es keine anderen Möglichkeiten? »Eine elektronische Erfassung würde schneller gehen, aber auch Probleme mit dem Datenschutz mit sich bringen«, sagt der Sprecher.
Das Registrierungsprozedere für die Flüchtlinge ist auch nach einer unlängst vorgenommenen Änderung kompliziert: Zuerst müssen sich Männer und Frauen getrennt an den Schlangen zu großen Zelten im Innenhof anstellen. Mittlerweile können sie auch nachts hier warten. In den Zelten stehen die Flüchtlinge dann zusammengedrückt wie in der Warteschlange eines Konzerts. Es wird geprüft, welche Anliegen sie haben und wann/ob sie das erste Mal da waren. Geflüchtete, die bereits vor Mitte November vorstellig wurden, werden bevorzugt behandelt. Gruppen von rund 30 Leuten werden ausgewählt und dann von den Sicherheitsmitarbeitern in ein Verwaltungsgebäude durchgelassen. An Schaltern widmen sich die Behördenmitarbeiter den Anliegen von Kassenauszahlung bis Leistungsbescheid.
Über 30 »Sprachermittler« versuchen dabei, das omnipräsente Sprachengewirr zu entzerren und zu übersetzen. »Wir müssen die Hürden schrittweise minimieren, so dass sie jeder nehmen kann«, sagt Langenbach. Das Ziel ist das blaue Bändchen, welches ein verbindliches Vorsprechen bei einem Sachbearbeiter am Folgetag bedeutet. Kaum jemand kennt das alltägliche Verwaltungschaos dabei besser als Petra Lippold. Sie arbeitet normalerweise beim Jobcenter, hilft aber für einige Monate beim LAGeSo aus. »Am schwierigsten ist es, wenn wir helfen wollen, aber nicht wissen, wie wir helfen können«, sagt sie. Im Unterschied zum Jobcenter sei vor allem der Umgang mit Kriegsverletzten eine Herausforderung. Bereut habe sie den Wechsel jedoch nicht. »Ich gehe mit einem lachenden und weinenden Auge zurück«, sagt sie.
Draußen vor den Zelten steht derweil Stefan Lüders. Der 35-jährige hilft heute zum ersten Mal ehrenamtlich am LAGeSo aus und verteilt Tee an wartende Flüchtlinge. »An der Hilfsbereitschaft mangelt es nicht, jedoch an der Koordination«, beschwert er sich.
Auch Langenbach ist noch nicht zufrieden. 1000 Flüchtlinge sollen am Tag in Berlin registriert werden, kurzfristig zumindest der Stand von Mitte Dezember wieder erreicht werden. »Es sind viele kleine Schritte, die wir gehen müssen«, sagt er. Eine ältere Frau geht plötzlich auf ihn zu. Sie habe zwei Flüchtlinge in ihrer Wohnung untergebracht, jedoch kein Geld vom LAGeSo erhalten. »Ein unsäglicher Zustand«, schimpft sie. Langenbach bricht den Rundgang ab und entschuldigt sich: »Wenn die Leute hier jemand im Anzug sehen, kommen sie mit ihren Problemen zu ihm.« Es sind wahrlich viele Schritte, die noch gegangen werden müssen.
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