Geschenk für Reeder
Bundestag beschließt kompletten Lohnsteuereinbehalt
Trotz Beihilfeverbots gestatten EU-Leitlinien den Mitgliedsstaaten, Branchen zum Erhalt des wirtschaftlichen Know-hows zu unterstützen. Die finanzielle Unterstützung für die deutschen Reeder, die der Bundestag am Donnerstagabend absegnete, sei eine Entscheidung zugunsten des Erhalts der Seearbeitsplätze, meint zumindest der Branchenverband VDR. »Wir haben eine Bundeskanzlerin, die die Maritime Wirtschaft versteht und weiß, was diese braucht«, lobte VDR-Präsident Alfred Hartmann.
Zukünftig sollen deutsche Reeder die Lohnsteuer ihrer Seeleute zu 100 Prozent einbehalten dürfen. Schon zuvor betrug dieser Anteil 40 Prozent. Unterm Strich beziffert der Bund den »Finanzbeitrag an die Seeschifffahrt« auf 57,8 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Die Regierung begründet die ungewöhnliche Steuerbefreiung mit dem scharfen internationalen Wettbewerb, in dem sich maritime Unternehmen bewegen. Überkapazitäten durch neue Schiffe und das niedrige Wachstum im Welthandel belasten Schiffseigentümer, Reedereien und Banken wie die angeschlagene HSH Nordbank seit Jahren erheblich.
Zustimmung kommt daher ebenfalls von ver.di: Dieses Förderinstrument sei »völlig legitim und in unserem Sinne«, sagte Schifffahrtsgewerkschaftssekretär Peter Geitmann auf Anfrage. Letztlich gehe es um einen Zukunftsmarkt und die Frage: »Wollen wir dabei sein oder nicht?« Seemännisches Know-how müsse in Deutschland erhalten bleiben, auch für Lotsen und Behörden, Forschungsschiffe und Seefahrtsschulen. Die deutsche Handelsflotte ist die viertgrößte der Welt.
Allerdings findet ver.di-Lotse Geitmann solche Subventionen nur in Verbindung mit sicheren Arbeitsplätzen okay. Daran hapere es aber. Zusammen mit dem Lohnsteuereinbehalt wurde auch die Schiffsbesatzungsordnung geändert. Künftig müssen dann statt vier nur noch zwei Offiziere mit deutschem oder EU-Pass an Bord fahren.
Bei der Opposition stößt das Gesetz auf Ablehnung: »Die deutschen Reeder bekommen die Steuer komplett geschenkt - ganz wie die viel gescholtenen griechischen Reeder«, kritisiert Lisa Paus von den Grünen. Für Herbert Behrens (LINKE) bekennen sich Bundestag und Bundesregierung mit der Befreiung einer ganzen Branche aus der Lohnsteuerpflicht zu einem »Sozialismus für die Konzerne« und schaffen einen gefährlichen Präzedenzfall: Wer ganze Branchen aus der Steuerpflicht nehme, nur weil Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen, »unterminiert auf Dauer die Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge«.
Die EU-Kommission muss diese Subvention erst noch genehmigen. Im Bundesfinanzministerium sieht man hier keine Probleme: Solche Subventionsregelungen im Steuerrecht seien »nicht ungewöhnlich«, erklärt ein Sprecher gegenüber »nd«. Er erinnert an die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags- und Nachtarbeit.
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